Nyze – Amnezia

Insbesondere im Bereich der Musik merkt man ziemlich schnell, wer, wie man im HipHop so schön sagt, "den Scheiß lebt“ und wer das Ganze eben nur macht, weil alle seine Homies auch rappen. Hierbei geht es nicht um Authentizität, sondern um eine Künstleridentität. Kunst unterliegt immer einer gewissen Dringlichkeit. Der Künstler möchte sich ausdrücken, etwas Monumentales schaffen. Sein eigenes Ich in eine zeitlose Form gießen und für die Ewigkeit festhalten. All das fehlt mir bei Nyze. Mit "Amnezia“ veröffentlicht das Ersguterjunge-Signing sein mittlerweile zweites Soloalbum und bleibt dem Hörer trotz solider Leistung ohne großer Ausfälle eine ganz elementare Sache schuldig: Seinen Beweggrund, Musik zu machen.

Auf dem Großteil der Platte wird uns erzählt, dass der Saarländer und seine größtenteils anonymen Freunde immer schon vor dem Rest überall sind, die schnelleren Autos fahren, die schickeren  Klamotten haben und jedem eins mit dem Baseballschläger überziehen, der das auch nur ansatzweise in Frage stellt. Das wäre ja alles kein Problem, würde der Architektur-Student das auch nur ansatzsweise interessant oder in irgendeiner Art und Weise innovativ aufbereiten. Auch Featuregäste wie Chakuza, Daufai, Summer Cem, Hassan El Moussaoui und der Amerikaner Verb Kent vermögen es nicht, hierbei nennenswerte Highlights zu setzen.

Alle anderen Songs lassen sich grob unter dem Überbegriff "Nachdenkliches“ zusammenfassen und handeln wichtige Themenfelder wie "Loyalität“, Einsamkeit ("Allein“) und Liebe zur Langzeit-Lebensabschnittspartnerin ("Luvii“) ab. All das trägt Nyze absolut abgeklärt und geradezu stoisch vor, fast kommt es einem vor, als hätten sich die verantwortlichen Produzenten gedacht "Wir wechseln jetzt einfach alle paar Minuten den Beat sowie das Songthema und gucken mal, ob er irgendwann aus dem Takt kommt“. Kommt er nicht. Technisch absolut solide aber zu keiner Zeit fesselnd – "Amnezia“ ist ein rund geschliffenes, komplett abwaschbares Musikprodukt.

Produktionstechnisch gibt es keinerlei Ausfälle. Von Sumo und Mo Beats, über Microphono bis hin zu OC Beatz und Chakuza scheppert, clappt und klimpert alles an den richtigen Stellen. Der gut dreiminütige "Muzik Interlude“ sticht insofern heraus, dass man sich statt beim Hören eines Rapalbums in einem Electro meets House meets LSD Club wieder findet. Irgendwann früh morgens, wenn alles um einen herum zu einem homogenen Brei aus Neonfarben und vereinzelten Wortfetzen wird. Ebenfalls etwas Abwechslung in das insgesamt eher düster-dramatisch bis poppig druckhaft vorantreibende Beatkonstrukt bringt das wahnsinnig positive und sehr eingängige "Waitin’“ mit D-Bo und das verdächtig nach Club-Ambitionen klingende "Ich Regel Das Allein“ mit Kay One. Auch die unvermeidliche Labelboss-Kollabo auf "Ein Letztes Mal“ ist ansprechend geraten. Inhaltlich überraschen hier zwar weder Nyze noch Bushido, nichtsdestotrotz ein solider Track über die Hauptlebensinhalte eines Rap-Stars.

Komplett ins Aus schießt sich aber leider das etwas unkoordiniert vor sich hin schwurbelnde "Tag Ein Tag Aus“ mit Fler. Selbst im beschaulichen Homburg sollte mittlerweile angekommen sein, dass niemand, wirklich niemand mehr Hooks hören möchte, die von Rappern mittels massivem Einsatz von Autotune gesungen werden.

Schlussendlich handelt es sich bei "Amnezia“ natürlich um kein schlechtes Produkt. Nyze erlaubt sich raptechnisch keine Patzer, produktionstechnisch ergibt sich ein durchaus stimmiges und angenehmes Bild und auch die Featurepartner sind passend gewählt. Leider lässt sich das Album aber auch mit einem Wort zusammenfassen: Belanglos. An keiner Stelle offenbart der Saarländer so etwas wie Emotionen, selbst im Song an seine Freundin schafft er es nicht, in Stimme und Betonung zu variieren. Vielleicht tue ich Nyze Unrecht in meinem Urteil, aber den engagierten und begeisterten Vollzeit-Künstler nehme ich ihm nicht ab. Ich fühle kein Herz hinter den 19 Tracks samt Intro und Outro. Dieses Produkt schafft es nicht, mich zu berühren, mich in seinen Bann zu ziehen und mich zu zwingen, auch nur einen Track ein weiteres Mal hören zu wollen. Deshalb reicht es leider auch nicht für mehr, als eine durchschnittliche Bewertung.