Hiob&Morlockk Dilemma – Apokalypse Jetzt

Hiob, vor allem jedoch Morlockk Dilemma, passt perfekt in das Raster des erfolglosen Kritikerlieblings: Künstler, die zwar von Magazinen, Websites und auch anderen Künstlern über alle Maßen gehypet werden ("Der Lieblingsrapper deines Lieblingsrappers“), denen jedoch trotz guter Kritiken der kommerzielle Erfolg verwehrt bleibt.
Doch warum? Vielleicht liegt es an der Flut gleichklingender (Deutschrap-) Einheitsscheiße, der ein Musikredakteur täglich ausgesetzt ist. Und wegen dieser Masse an gesichtlosem Müll freut er sich ein zweites Loch in den Arsch, wenn mal jemand anders klingt und nicht über den harten Struggle in Neustrelitz rappt. 

Nun bin ich jedoch eine gutes Stück mehr Musik-Fan als Musik-Redakteur. Heißt, ich muss mich nicht von Berufs wegen mit jedem neuen Rapper, der zwar in keine Schublade passen will aber trotzdem klingt wie Massiv, beschäftigen. Mich langweilt Rap nicht, denn was mich langweilt höre ich mir nicht an. Ich warte nicht auf den einen anders klingenden Rapper, als wäre er der Messias und teile deswegen wohl auch nicht die mediale Begeisterung für Hiob und Morlockk Dilemma. Klar, auch ich bin Kumpel wenn es darum geht, kreativ zu sein und etwas anders zu machen als der Rest. Aber nicht, wenn es mit den beiden wohl nervigsten Stimmen im deutschen Rapgame passiert. Und ich meine nicht nervig im Sinne von Public Enemy Instrumentals, sondern nervig im Sinne von… wirklich nervig. Das ist schade. Aber wir sind hier ja nicht bei wünsch dir was, weswegen ich das mal für die Dauer einer Review ausblenden werde. Denn schafft man das Unmögliche und gewöhnt sich an die beiden Rapstyles, passiert auf dem Nachfolger ihres ersten Kollaboalbums "Hang zur Dramatik“ durchaus Spannendes.

"Apokalypse Jetzt“ hat zusammengefasst eigentlich nur eine Botschaft: Wir sind alle am Arsch. Geht es bei anderen Rappern um die Perspektivlosigkeit innerhalb bestimmter Bevölkerungsschichten und deren Irrelevanz für die Gesellschaft, geht es hier nicht um weniger als die Sinnlosigkeit der kompletten Menschheit. "Das Biest hatte ein langes Leben doch glaub’ nun wird es Zeit / morgen zündet die Bombe, der nächste Urknall ist reif“ ("Bastard Homo Sapiens“) ist die Ansage.
Hiob und Dilemma nehmen uns an der Hand, klären uns auf ("Du sollst "ssen, Arbeiten, Pennen und Vögeln / damit du nicht auf die Idee kommst, Prominente zu töten“), stiften uns zur Revolution an ("Spreng deine Ketten, komm, scheiß in dein Bett / und du weißt wieder wie die Freiheit schmeckt“, beides "Robespierre“)  und rennen dann mit uns zusammen lachend in den Abgrund.
Klar gibt es auch Battlekram ("Flokatiteppich“, "Goethe“ mit Absztrakkt), jedoch herrscht über die gesamte Länge der neunzehn Tracks dieser verbitterte Endzeit-Zynismus vor. Galgenhumor könnte man auch sagen. Nihilismus to the fullest.

Die überwiegend von den Beiden selbst produzierten Instrumentals sind gewohnt überdurchschnittlich. Analog scheppernde Drums treffen auf Samples (auch gerne Mal eine Art Türquietschen wie auf "Goethe“) treffen auf zahlreiche obskure Filmzitate. You know the deal.
Überhaupt wage ich zu behaupten, dass, wer den Leipziger und den Berliner bisher gefeiert hat, auch mit diesem Album seine Freude haben dürfte. Und auch der Rest sollte sich Mal anhören, was da am 16.6. auf dem Berliner Label Spoken View veröffentlicht wird. Dieses "Das Ende der Welt“- und "Die Menschheit hat versagt“ -Motiv ist durchaus unterhaltsam umgesetzt – wobei ich mich bei aller Ironie frage, inwiefern Hiob und Dilemma eigentlich mit diesem Thema Ernst genommen werden wollen. Oder ist grade das der Spiegel unserer Generation – die eigene Machtlosigkeit nur zynisch ertragen zu können?

Ich bin zwiegespalten. Sicher, "Apokalypse Jetzt“ ist ein gutes Album. Ein anderes Album. Ein Album, das Fragen aufwirft. Und es wird wohl wieder von jedem, der von Rest-Rap-Deutschland gelangweilt ist, mit positiver Resonanz überhäuft werden. Und auch ich feier es – und werd es mir dennoch nicht noch mal anhören, was einzig und allein an dem Rapstyle und diesen komisch überzogenen Betonungen von Hiob und Morlockk Dilemma liegt. Vielleicht ist das mit ein Grund dafür, das ihnen der Erfolg bei der breiten Masse bisher verwehrt blieb. Vielleicht. Denn ich bin die breite Masse und mir ist es egal ob jemand frischen Wind in die deutsche Rapszene bringt, wenn er in meinen Ohren scheiße klingt, klingt er scheiße. Und das, das ist kein Urteil, sondern mein persönlicher Geschmack.