Flexiblez – Maulhelden

Man kennt das das Problem: Es gibt Alben, die sind, was die äußerlichen Kriterien angeht, durchweg gut. Amtliche Texte, ordentliche Beats, abwechslungsreiche Songs, okaye Featuregäste. Und trotzdem fehlt irgendetwas. Die berühmt berüchtigten Ecken und Kanten, die das ganze speziell und die Musik erst besonders machen. "Maulhelden" von den Flexiblez ist genau so ein Fall.

Doch der Reihe nach. Untermalt von größtenteils sehr eingängigen und wirklich guten Instrumentals, welche von einem Teil des Rapduos, Phylo, so wie von den aus dem eigenen Umfeld stammenden Mecstreem, Acoustic View,  und Q-Beatz produziert wurden, rappt der Erstgenannte auf Englisch, sein Partner Flexis auf Deutsch. Und im Falle Phylos wirft das natürlich auch hier mal wieder die uralte Frage auf, warum man es nicht gleich in der Muttersprache tut, denn man hat permanent das Gefühl, dass der Junge auf diese Weise noch einiges mehr bieten könnte. Flexis tut eben jenes bereits mit diversen Flowwechseln, Wortspielen und Vergleichen  auf einem ganz beachtlichen Level, wobei auch hier noch Luft nach oben ist. Im Großen und Ganzen liefern aber beide rein technisch eine ansprechende Performance ab.

Auch inhaltlich bemühen sich die Flexiblez so viele Themen wie möglich abzuarbeiten, was manchmal sehr gut gelingt, manchmal aber eben auch in einem kleinen Desaster endet. In "Broke" beispielsweise lassen die beiden Protagonisten wie der Name bereits verrät, den deutschen Diddy im Schrank und rappen über einen treibenden, leicht orientalischen Beat von Phylo über ihre leeren Geldbeutel oder wie die Freundin zum "Candlelight-Döner" eingeladen wird. Passt! Bei "030" handelt es sich hingegen nicht um eine weitere Hommage an die Heimat Berlin, sondern um einen Rundumschlag gegen das hauptstädtische Nachtleben inklusive 2Be– und H2O-Club Diss. Auch gut. Solche Nummern wie "Clockwork Orange" mit Morlockk Dilemma und "Trashkids" gehen ebenfalls gut nach vorne, was aber die Jungs mit so einer unsäglichen Nummer wie "Big Brother" versuchen zu erreichen, entschließt sich meinem Verständnis. Hier wird ein tiefschwarzes Bild vom deutschen Überwachungsstaat in schlimmster "Staatsfeind Nr.1"-Manier gezeichnet, inklusive Rund-um-die-Uhr-Überwachungszenario und Lines der Marke: "Jeder wird zum Peilsender durch GPS oder Navigationssystem / Stasi-Methoden durch Lauschangriff sind kein großes Problem“ Jungs, ganz im Ernst, in welcher Welt lebt ihr? „Du denkst wahrscheinlich, dieser Track ist übertriebenes Gelaber / Ich stell dich nur vor nackte Tatsachen wie ein FKK-Strand" – wohl kaum.

Glücklicherweise bleiben Ausfälle wie dieser aber die Ausnahme und trotzdem, das Hauptproblem eines fehlenden, greifbaren Künstlerprofils bleibt. Klar wollen sich die Flexiblez kein aufgesetztes Image verpassen, sie machen ihre Sache auch sehr ambitioniert und gut, aber sie bleiben mit ihrer "Alle Themen mal abgrasen und Zwischendurch ein bisschen battlen und representen"-Attitüde ein Phantom im Deutschrap. Für was sie schlussendlich stehen wollen, was sie verkörpern, bleibt für den Hörer ein Rätsel.

Dabei hätte alles ein riesiges Spektakel werden können, wären alle Songs auf dem Album so grandios wie das abschließende "Kein Int’resse", bei dem endlich mal richtig auf die Kacke gehauen wird. "Terrorists attack but we just don’t care / Kids are smokin’ crack, but we just don’t care / Many people die but we just don’t care / Things are fucked up, Flexiblez don’t care” JA, verdammt! Diese Nummer ist provokant, interessant und überspitzt, kurz: grandios, und ich fühle mich im positivsten Sinne an "Ignorama" von den Ärzten erinnert (Wer das nicht kennt, unbedingt anhören!). Warum bitte ist das ganze Album nicht so polarisierend und frisch wie dieser eine Song geworden? Und warum verdammt musste ich 50 Minuten warten, um diese Bombe zu hören?

Das wirkt ungefähr so, als hätten sich die Boys, als sie eigentlich schon mit der Albumproduktion fertig waren, hingesetzt und gesagt: "Hey, Bruder, irgendwas fehlt uns aber noch! Wir brauchen noch einen wirklichen Knaller, bei dem die Leute eine richtige Fresse ziehen!" und anschließend diesen Song aufgenommen. Hätten sie es das doch nur vor der kompletten Albumproduktion getan. Denn im Schatten von "Kein Int’resse" wird eben nur zu deutlich, dass der Rest leider nur eines ist: Durchschnitt.