Nas – Ohne Titel

Von den politischen Statements des Nasir Jones halte ich nicht wirklich viel. Meistens zu platt und undurchdacht, zu beliebig und phrasenhaft. Es gibt ja auch nicht wenige Menschen, die NAS unterstellen, dass sein wieder erwachtes, politisches Bewusstsein nichts weiter sei, als ein Marketingtrick. Ihn als Sprecher und Propheten oder gar als politisches Bewusstsein einer Generation zu bezeichnen, wie es im Pressetext zum neuen Album heißt, ist deshalb meiner Meinung nach falsch. Zumal wir aus eigener Erfahrung (siehe PZ Interview vor ein paar Jahren) wissen, dass außerhalb der Booth, sprich im Interview, der gute Nastradamus eher maulfaul und eigentlich recht ungern über politische Verhältnisse spricht. Eher so nach dem Motto: "Jeder soll machen wie er meint, ich kann eh nichts dagegen tun.“

Nein, ein Politiker ist Nasir Jones nicht und er hat auch kein durchdachtes, politisches Konzept. Zum Glück!
Nasir
Jones aka Nasty Nas aka Nastradamus aka the God’s Son aka NAS ist ein Rapper und ein Künstler und nur daran kann und muss er gemessen werden.

Hier steht also ein junger Mann, der hin und hergerissen ist, zwischen politischer Awareness und stumpfen Stereotypen: "Soll ich jetzt nachdenken über politische und soziale Themen oder darüber welche Felgen denn jetzt doch am besten zu meinem neuen Auto und meinem neuen Diamantenarmband passen?“
Ein Problem, das sich vielleicht jedem schon mal gestellt hat, der nicht dumm, aber trotzdem cool sein möchte, ein Problem das im Hip Hop oft in der Frage mündet: Studenten oder Gangster Rap?

Dieses Album ist also nichts zum locker, flockig Nebenhergenießen. Für dieses Album braucht man Kopfhörer und eine Menge Zeit. Wahrscheinlich braucht man auch ein Wörterbuch und am besten druckt man sich die Texte vorher aus, zum Mitlesen. Ehrlich gesagt und das gebe ich gerne zu: Die Texte auf "Ohne Titel" sind so voll mit Bildern, Wortspielen, Querverweisen und Zitaten – ich verstehe wirklich nicht alles. Bezug nehmend auf aktuelle politische Persönlichkeiten und Begebenheiten gemischt mit Personen und Anekdoten aus der (schwarzen) amerikanischen Geschichte und dem Block aka Queensbridge-Projects wird das ganze zu einem assoziativen Puzzle und ich bin schon froh, dass ich den Dick Cheney/Halliburton Querverweis verstanden habe.

Auch musikalisch ist das Album ein reicher Zitatenschatz und bedient sich gefühlt aus mehreren Jahrhunderten Musikgeschichte. Ein Fest für Digger und Samplerater. Dementsprechend lang sind auch die Credit Listen zu jedem Song im Booklet.

Vom Sound her habe ich gleich zu Beginn gedacht, aha, das ist eine NAS Platte. Wie früher. Reduziert. Einfach und mit einer ganz klaren Stimme. Keine Gimmicks. Keine Tricks.
Ganz im Gegensatz zum Pressetext, der irgendetwas von anspruchsvollen Texten und trotzdem tanzbar erzählen möchte. Das Tanzbare könnte man beim Gesamteindruck tatsächlich vergessen, auch wenn es nicht bei den reduzierten Beats bleibt.  

Es geht los mit einem hypnotischen Piano Instrumental ohne Beat, auf dem Nas erst mal erklärt, was bisher geschah. "Queens get The Money". Ein Representer ohne Beat. Auch nicht schlecht.

Dann wird’s bei "You can’t Stopp us now“ mit den Last Poets und kratzigen Vinylsamples sehr, sehr soulig, aber so 70er Jahre-soulig. Gleich eins der schönsten Stücke auf dem Album.

Bei “breathe” habe ich die Zeile: “in America you never be free / middlefingers up – fuck the police” noch nie zärtlicher und versöhnlicher ausgesprochen gehört.   

“We make the world go round” ist tatsächlich große Disko-Show-Treppe und featured Chris Brown und The Game.

"Hero“ ist bekannt und natürlich KÖNNTE das im Club laufen, aber rhythmisch würden da vielleicht ein paar Leute aus dem Konzept kommen und da gibt’s ja zur Zeit einfachere Strukturen im derzeitigen Hip Hop GAME.

"America“ ein souliger Erweckungssong, der im letzten Drittel einen absolut verstörenden Effekt im Beat aufzubieten hat. Da wird das Instrumental zerhackt.

"Sly Fox“ ist rockig, düster und ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich nehme an, dass es auch zu einem Gutteil um Fox News  geht, und hier kommt auch die Cheney/Halliburton Zeile aber anscheinend steht Fox auch für was anderes, weil er sagt „the only fox  i like is the red one/ the only fox they like is in jail or the dead one“. Das Ende dagegen ist spitze. Ein Psychiater fragt warum Herr Jones so wütend ist und diagnostiziert „posttraumatic slave stress“.

"Testify“ ist ein Bekenntnissong. Für alle Rednecks. Für alle verkappten Rassisten, die auf seine Konzerte kommen und „Hoe“ brüllen: Bekennt, dass ihr zu Nas steht auch wenn er die amerikanische Flagge verbrennt. Ansonsten: Gehen Bitte!

N.I.*.*.E.R. auch schon bekannt und viel diskutiert.

„Untitled“ so quasi der Titelsong. Und jetzt wird’s schwierig. „You don’t have the power to stop Louis Farrakhan.” Uneingeschränkte Bewunderung für den Leader der Nation Of Islam halte ich persönlich für politisch naiv. Und das meinte ich in meinem Eingangstext.

"Fried Chicken“ mit einem Feature von Busta Rhymes, eine Liebeserklärung an Südstaatenessen an Soulfood und die dazugehörigen Frauen, die das ganze zubereiten und genau so scharf sind wie das Essen. Charmanter der ganze Song als dieser billige Vergleich vermuten lässt.  

„Project Roach“ wieder mit den Last Poets und ein eindeutiges Statement, warum das Wort Ni**er NICHT cool ist.

Während „Y’all my Ni**as“ ja wiederum eine große Diskussion angestoßen hat, ob man das ganze umdrehen kann, wenn man alle Ni**a nennt.

 „We’re Not Alone“ beschäftigt sich mit… Gott. Richtig. Familie. Richtig. Dem dritten Auge. Richtig. Alliens? Möglich. MYKEL singt die Hook. Hoffnungsvoll. Zweifelnd. Auf jeden Fall ist es gut am Leben zu sein und Amerika zu lieben und alle Nationalitäten und den Rassismus zu zerstören und diese Gruppe von Leuten, die aus uns allen Schafe machen.

Bei „Black President“ liegt der Fall klarer: Barack Obama. Und ich hoffe, dass der gute Mann nicht allzu sehr mit Hoffnungen überladen wird, damit die Enttäuschung hinterher nicht allzu groß wird.

Mit dieser Hoffnung gehen wir auch raus aus diesem Album. Einem etwas verstörenden aber nicht weniger großartigen Album. Schon aus Prinzip!