Die Omertà. Das Schweigegelübde der italienischen Mafia. Und der Titel des zweiten Streetalbums von Fard. Fard ist kein Italiener. Fard ist auch nicht in der Mafia.
Fard ist iranischer Abstammung und aus dem Pott. Der back ist, falls es jemand noch nicht mitbekommen haben sollte.
Dennoch passt das Dogma der Omertà wie der Arsch auf’n Eimer. Stolz, Ehre und vor allem Loyalität sind Begriffe, die sowohl in der Mafia, als auch in Fard seiner Welt eine große Rolle zu spielen scheinen. Sie ziehen sich als roter Faden durch jeden der achtzehn Tracks.
Ganz ehrlich? Ich habe Fard bisher meist als simpel spittenden Spielotheken-Gangster und Homie von Snaga & Pillath wahrgenommen, sein erstes Straßenalbum “Blut, Schweiß, Tränen und Triumphe“ hat mich irgendwie verpasst. Insofern hat mich positiv überrascht, es hier nicht mit einem weiteren Gangsterrap-Album zu tun zu haben, auf dem Gewalt unglaubwürdig zelebriert wird. Klar, auch das hier ist im weitesten Sinne Gangsterrap. Doch der Backpfeifenkönig hat den Authenzitäts-Bonus. Und im Überschwang dessen gibt er schon mal Weisheiten aus seinem Kleinkriminellen-Universum preis: “zwanzig Bubbles Jayjoe, gestreckt mit Edelweiß, machen zirka sechzig Gramm“ (“60 Terrorbars 3“). Danke, Fard, ab jetzt mache ich mein Geld anders…
Weiterhin unterscheidet er sich von seinen Kollegen aus dem selben Milieu durch sein stetiges Bemühen um witzige Vergleiche und Punches. Sicher, nicht jede Line ist der Brecher, da haben andere mehr Liebe zum Spiel, doch die Wirkung der wirklich guten Sprüche macht er sich meist durch seinen wenig variablen Flow kaputt. Schade. Was anfangs noch gewollt einfach klingt und so dem Text mehr Gewicht verleiht, fängt nach einiger Zeit einfach nur an zu langweilen. Wenn man arrogant klingen möchte, klingt man eben auch schnell gelangweilt. Schmaler Grat, kennen sicher viele Kollegahs.
Fard hat neben Streethustle (z.B. “Omertà“) und eurer nicht vorhandenen Tightness (z.B. “Kingshit“ mit Snaga) noch andere Themen. “Rashid & Jamal“ –eine Ode an Freundschaft und Loyalität über einen melancholisch drückenden Beat von Chrizmatic. Oder auch “Der Junge Said“, ein Track über die Beweggründe eines Selbstmordattentäters. “Die Rasierklinge in der Lunge der Gesellschaft“ (“Simple Mathematik“) hat noch mehr Thementracks in petto, eines haben jedoch alle gemeinsam: Sie sind vorhersehbar. Fard gelingt es kaum, Spannung zu erzeugen oder mir neue Sichtweisen zu zeigen. “Ohne Ausweg“ beschreibt Leben und Gefühle eines Junkies, jedoch hat man als Hörer das Gefühl, ähnliche Tracks schon tausendmal gehört zu haben. Es gelingt Fard nicht, Probleme aus einer neuen Perspektive zu betrachten und so interessant zu machen.
Die von Produzenten wie Benny Blanco oder DJ Sweap kommenden Beats passen durch die Bank gut zu Fards Stimme und Inhalten. Heißt, meist melancholisch bis bedrohlich wirkende Synthiestampfer mit Streicher- und/oder Pianomelodien. Fard hat gut passende Beats gepickt, die sich jedoch trotz unterschiedlicher Produzenten zu sehr gleichen und deswegen das Album, ähnlich wie sein Flow, gegen Ende eintönig wirken lassen.
Fard hat alles. Eine gute Stimme mit Wiedererkennungswert, eine interessante Persönlichkeit mit Substanz, überdurchschnittliche Punchlines und keine Allerweltsthemen. Gute Vorraussetzungen für eine Karriere als Rapper. Leider gelingt es ihm noch nicht, diese Ansätze ganz zu entwickeln, doch das hier ist auf jeden Fall ein großer Schritt in die richtige Richtung. Man darf auf das richtige Album gespannt sein, ich würde mir in erster Linie einen variableren Flow wünschen.
Ich denke, Streetalben sind oft auch Angstalben, die aufgenommen werden, falls man sich an ein echtes Album noch nicht heran traut und den eigenen Standpunkt einschätzen möchte. Insofern ist “Omertà“ ein gutes Streetalbum, das bei vielen Anderen auch als richtiges Album durchgehen würde.