Zu allererst sollte man dem Selfmade–Records Rapper gratulieren. Mit seinem zweiten Soloalbum “Anarcho“ hat er es überraschend auf Platz 24 der deutschen Charts geschafft. Dass das aber nicht unbedingt ein Zeichen von herausragender Leistung sein muss, weiß man nur zu gut. Bei Favorite ist das anders, mit “Anarcho“ hat er ein herausragendes und sehr unterhaltsames Album abgeliefert, was allerdings nichts für Zartbeseitete sein dürfte.
Favorite startet mit einem eindrucksvollen Intro auf einem pompösen Beat und entgegen aller Anarchie heißt er den Zuhörer “Herzlich Willkommen“. Dass solche Höflichkeit nicht lange anhält, haben wir uns bei dem Albumtitel beinahe gedacht. Favorite präsentiert über ein Dreiviertel der Spielzeit, sein unerschöpfliches “Rapertoire“ an schlechtem Benehmen, Beleidigungen, Arroganz und einem Schuss Wahnsinn. Unglaublich, aber selbst wenn er dabei teilweise meterweit unter der Gürtellinie arbeitet, verlieren seine Tracks nicht an Niveau. Der Titeltrack “Anarcho Rap“ gehört definitiv in diese Kategorie. Fav rappt hier in “Schnellfickerhose“ munter über Scheiße, Drogen, beleidigt seine Ex, selbst den Tod seiner Eltern nimmt er hier ausnahmsweise mal weniger ernst „Bis heute frag ich mich, ob meine Eltern ihren Tod vorgetäuscht haben“. Das Ganze wird von einem unterhaltsamen, einbrennenden Beat begleitet. Auch “FAV Zeit“ und “Was Willst Du“ glänzen mit kampfeslustigen, asozialen Ansagen: „Ich kotze kein Essen sondern Pepp aus, so was nenn ich Bahn(en)brechen(d)."
In “Besserer Mensch“ reflektiert der 22-Jährige mit bitterböser Ironie seine Vergangenheit als Schläger, Drogensüchtiger und Rapsoul-Hörer. Doch jetzt wird alles anders: „Ich ficke nur noch geschlechtsreife Schlampen.“ Ein absolutes Highlight unter den aggressiv- sarkastischen Beiträgen auf “Anarcho“, ist “Selfmade G“. Favorite und der großartig pompöse Rizbo-Beat sind Eins, zudem ist der Rapper skill-und flowtechnisch in Höchstform. „Ich komme in den Club als wenn es meiner wäre, dein Homie macht die Tür- Schreinerlehre.“ “Oh Mein Gott“ und “Killapromo“ reihen sich nahtlos in die Riege der politisch unkorrekten und innovativen Kampfansagen ein, wobei “Killapromo“ aber durch einen, auf Dauer sehr anstrengenden Beat an Qualität verliert. Einen wirklichen Tiefpunkt erlaubt sich Favorite mit “Favoriddy Cent“. Weder das Instrumental noch Favs Lines können auch nur ansatzweise überzeugen und die lieblose, schief gesungene Hook macht den Ausfall perfekt.
Mit Kool Savas (“Wunderschöner Tag“) und dem überraschend guten Hollywood Hank ( “Organraub“) begeht der Selfmade Rapper dann verbale “Kontrahentenmassenmorde“. Auch “Auserwählt“ mit K.I.Z.-Nico und “30“ mit Kollegah, bestechen durch übliche Selbstbeweihräucherung und harte Battlelines. (Kollegah: “Seit meinem letzten Englandurlaub heißt es Ausgeleiertland.“) Die einzige weniger gelungenen Kollabo ist “Faustkampf“ mit Shiml. Dessen leicht nervende Stimme und Favorites eher durchschnittliche Parts, machen diesen Track zu einem überflüssigen Lückenfüller.
Neben all den provokanten, von Punchlines überfluteten Battletracks, zeigt Favorite auf seinem zweiten Album auch eine ernste und persönliche Seite. “Im Dreck“ und besonders “Auszeit“ geben dem ganzen die nötige Abwechslung. Hier lässt Favorite Sarkasmus, Sarkasmus sein und betrachtet sich und sein Leben nüchtern und selbstkritisch. Zeilen wie „Helden retten die Welt, ich rette mich selbst. Vielleicht wär ich ein besserer Mensch, in einer besseren Welt, doch diese Welt ist schlecht und das bin ich auch.", dazu der wunderschöne, samplelastige Beat, lassen “Auszeit“ zu einem melancholischen Hörgenuss werden. Der letzte und mit Abstand beste Track des ganzen Albums ist die Videosingle “Ich Vermiss Euch“. Favorite schafft es seinem harten Stil treu zu bleiben dabei, aber trotzdem unglaubliches Mitgefühl beim Zuhörer zu erzeugen. „Mein Herz schreit, nichts auf dieser Erde hat mehr wert, als die Bindung zu euch doch der Ernstfall ist längst eingetreten, dass darf nicht wahr sein, mit einem Schlag liegt ihr in einem Sarg unterm Grabstein.“ Favorite prädestiniert sich mit diesem grandiosen Abschluss dazu, bei seiner nächsten Veröffentlichung, öfter mal die etwas tiefgründigen Themen zu behandeln.
Ich war ehrlich gesagt bislang kein großer Favorite-Fan, aber “Anarcho“ hat mich bis auf minimale Schwächen zutiefst beeindruckt. Auch die Beats, neben Rizbo diesmal auch von Chrizmatic, Mauvais Garcon, Vizir, Wassbass, Krizz Dallas und 2Deep produziert, passen in den meistens Fällen wirklich perfekt zu Favs Stimmung. Selbst die Skits in denen sich der verpeilte Favorite mit den “Schuldeneintreibern“ Kollegah, Rizbo und Slick One auseinandersetzten muss, sind sehr unterhaltsam. Was bleibt da also noch viel zu sagen, außer dass der junge “Ruhrpottler“ auf dieser Platte sein enormes Talent unter Beweis gestellt hat. Wenn Favorites nächstes Album noch mit einem Funken weniger Anarchie auskommt, steht ihm sicherlich noch Großes bevor.