"Ich habe versprochen Geschichte zu schreiben“, steht in kursiver Schrift im Albumcover von “Ein Mann Ein Wort“. Mindestens in zwei Hinsichten hat Wasiem Taha alias Massiv dieses Versprechen eingehalten. Zum einen ist er der erste “Straßenrapper“ der einen Majordeal über 250.000 Euro abgeschlossen hat und zum anderen, weil er in der deutschen Rap-Szene der erste war, auf den ein Attentat mit einer Schusswaffe verübt wurde. Ob aber auch seine musikalischen Qualitäten Geschichte schreiben werden, darüber scheiden sich die Geister wie bei kaum jemandem zuvor. Das Re-Release von “Blut gegen Blut“ über Sony BMG brachte nicht den gewünschten Erfolg ein und so soll nun das 21 Track schwere Album, “Ein Mann Ein Wort“ allen beweisen, dass es der Pirmasenser wert war, einen solchen Etat für ihn zu investieren.
Wenn man sich mit Massiv`s Geschichten über das harte Leben, eines im Ghetto aufgewachsenen Kriminellen nicht identifizieren kann, gestaltet es sich wirklich äußerst schwierig, dieses Album objektiv zu bewerten. Denn bei anderen Rappern kann man, fehlt einem der persönliche Bezug zu den Themen, meist auf die positiven Aspekte seiner Raptechnik zurück greifen. Oder, ist die Technik weniger ausgefeilt, bezieht man sich eben auf die interessanten Themen. Bei “Ein Mann Ein Wort“ entwickelt sich dieses Prinzip jedoch irgendwie zur Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Natürlich könnte man jetzt positiv hervorheben, dass es auf diesem Album durchweg donnernde, mitreißende und gut produzierte Beats gibt, aber das erwartet man auch von renomierten “Bastlern“ wie Dj Desue, Brisk Fingaz, Shuko oder Woroc. Zudem könnte man den Vergleich zu “Blut Gegen Blut“ ziehen und feststellen, dass statt jedem Track, nun nur noch jeder Zweite, Waffen, Gewalt und Drogen glorifiziert. Oder man bemerkt anerkennend, dass Massiv`s Stimme jetzt auch nur noch auf der Hälfte des Albums so klingt, als würde er sie aus den Tiefen seines Dickdarms hervor pressen. Aber mal ganz ehrlich, man darf jetzt nicht gleich euphorisch werden und kleine Verbesserungen mit wirklicher Qualität verwechseln, denn eigentlich müsste es Vorraussetzung sein, dass ein Rapper mit einem Majordeal eine halbwegs erträgliche Stimme hat, in seinem Repertoire ein bisschen mehr als Mord und Totschlag vorhanden ist und sich zumindest ein Hauch von einem Flow heraushören lässt. Ja an diesem Punkt, dass kann man nicht abstreiten, ist Massiv mittlerweile schon angekommen. Dadurch sind Tracks wie "Es Tut Mir Leid“, "Weißt Du Wie Es Ist“ oder “Der Die Träume Bewahrt“ immer noch Geschmackssache, aber sagen wir mal, in Ordnung und hörbar.
Dem gegenüber stehen Entgleisungen wie “Teledin“, “2 Redakteure“, “Wir Sind Kanacken“, “Zur Erinnerung“ oder “9mm Breit“. Hier werden Terroranschlagsphantasien preis gegeben ("Man ich kidnapp irgendeine Airline und flieg selbstbewusst in den Potsdamer Platz rein.“), sich am laufenden Band mit Schießereien und Messerstechereien profiliert, und alle jugendlichen Ausländer stolz als schwerst Kriminelle vorgestellt. Zeilen wie "Wir sind Kanacken die Drogen verpacken, EC Karten knacken, dich bedrohen und illegale Gelder waschen.“, könnte jemand wie Roland Koch sicherlich effektiv für seinen nächsten Wahlkampf zitieren. Und die Menge an Straftaten verherrlichenden Zeilen würde wahrscheinlich ausreichen, um einen Leitlinienkatalog für alle zukünftigen Drogendealer, Schläger oder Terroristen dieses Landes zusammen fassen zu können. Zudem sind die sprachlichen Fehltritte, ("Ich erweitere Nordkorea ihren Horizont.“), sinnentleerte Ansagen wie "Ihr habt `nen Hundezwinger ohne Hunde drin, hol mir hundert Hunde, ich ermorde hundert Hunde blind.“, Wiedersprüche ("Ich bin wie `ne Flut mit einem hohem Wasserstand, überflut den Untergrund der längst unter Wasser stand.“), oder die anmaßenden Vergleiche ("J.F.K. hat behauptet dass er Einer ist, keiner nahm`s ihm übel, weil`s ein Amerikaner ist. Ihr nehmt`s mir übel, dass ich kein Berliner bin…“) manchmal kaum auszuhalten.
Über die immer wieder aufflackernde grammatikalische und reimtechnische Inkompetenz kann man aber angesichts des wirklich gravierenden Problems sogar noch hinwegsehen. Denn obwohl Massiv mit Tracks wie “Wir Sind Alle Gleich“ oder “Mama“ den Versuch wagt, sich ein wenig von seinem “Gangsterimage“ zu entfernen, bleibt am Ende von “Ein Mann Ein Wort“ nur der verstörende Eindruck, man würde hier krampfhaft versuchen, dem Nachwuchs die übertriebenen Ghettovisionen ("Unser aller Schicksal ist knapp 9mm breit.“) solange in den Schädel prügeln bis auch sie meinen, ihnen würde nichts anderes übrig bleiben, als jemandem "den Lauf einer Waffe in die Fresse zu schieben“. Ich frage mich ernsthaft ob das sein muss. Kann sich ein perspektivloser, vom Schicksal gebeulteter Jugendlicher denn wirklich nur mit jemandem identifizieren der sich mit seinen Messerstichnarben profiliert und sinnbildlich in Blut badet? Und egal was man für eine schwere Kindheit und Jugend durchleben musste, ist das der Freischein dafür, andere Heranwachsende verbal auf den gleichen Weg schicken zu müssen? ("Nach dem Release bilden kleine Kinder Gangs.“)
Es ist schwer zu beurteilen, ob Massiv sich selbst bewusst über die Wirkung solcher Texte ist, oder ob er an Aussagen wie "Jetzt kommt ein Gaza-Rapper ohne fettes Management, man ich prophezeite, dass ich ohne Major alles bang`.“ wirklich glaubt. Ebenso unklar, ob er tatsächlich in so schweren Verhältnissen aufgewachsen ist, dass er mit 25 Jahren in weinerliche Stimme seiner Mutter nachhält: "Ich wollt auch wie all die Kinder gern eine Kugel Eis, ich wollt auch `n Pausenbrot und eine tiefgekühlte S(ch)prite.“ Man weiß es nicht. Aber nun, nach tagelangem Massiv hören habe ich aufgehört nach Antworten und Sinnzusammenhänge zu suchen. Ich gebe auf. Wenigstens meine Kollegen in der Redaktion hatten Spaß mit meinen Lachkrämpfen, meinen Weinanfällen und meinen Wutausbrüchen, die mich während “Ein Mann Ein Wort“ überkommen haben. Und so verabschiede ich mich mit der einzigen Erkenntnis die ich dazu gewonnen habe: "Keiner kann uns ficken, denn wir ficken euch mit den Verwandten.“ Vielen Dank dafür.