Rap und die gesamte HipHop-Kultur sind in den letzten Jahren zu einem beliebten Forschungsgegenstand geworden. Immer mehr Alumnis und Profs wagen sich an das breite Angebot des Sprechgesangs in allen möglichen Sprachen für alle möglichen Untersuchungen heran. Eine Entwicklung, der wir mit unserem Format Rap und Wissenschaft Rechnung tragen. Dabei handelt es sich nicht um eine ausführliche Analyse, da dies den Rahmen sprengen würde, vielmehr soll es als Anregung dienen. Die vierte Ausgabe führt uns in die schöne Welt der Literaturwissenschaft.
Reden wir – über Metaphern. Das Wesen der Metapher, so Lakoff und Johnson, zwei Profs aus den USA, bestehe darin, dass sie eine Sache oder einen Vorgang für uns in Begriffen einer anderen Sache bzw. eines anderen Vorgangs verständlich und erfahrbar machen.
Rapper als Lyriker der Gegenwart bedienen sich ihrer bekanntlich oft und gern. Dabei haben Metaphern verschiedenste Funktionsweisen und Auswirkungen. Manchmal bringen sie einen zum Lachen, manchmal zum Nachdenken. Schauen wir doch mal ganz konkret, wie die Wirkungsmacht von Metaphern auf die Sozialkritik im Message-Rap aussieht.
Ein besonders gut geeignetes Beispiel ist schnell gefunden: Maeckes. Maeckes mag Metaphern. Und Metaphern mögen Maeckes, sie dienen ihm zumindest treu und ergeben. Das wird in seinem Part in „Niemandsland“überdeutlich.
„Willkommen im Land, in dem Milch und Honig fließen/ Doch wird die Milch schnell schlecht und der Honig klebt fest“.
Milch und Honig stehen hier für all Güter und Waren, die das Überleben garantieren oder angenehmer gestalten sollen, wie Nahrung und Kleidung, aber auch Luxuswaren und nicht unbedingt notwendige Konsumgüter. Doch diese Waren verfallen nach kurzer Zeit bzw. werden unbrauchbar. Die schnell schlecht werdende Milch und der verklebte Honig wirken hier also als Metaphern für die Schnelllebigkeit der Konsumgesellschaft, die zudem den ersten Eindruck des (biblischen) paradiesischen Ortes revidieren und das wahre Geschehen des Niemandslandes veranschaulichen.
„Und das Mondlicht hängt im Netz der Atomenergie“.
Nach „Niemandsland“, „Milch“ und „Honig“ folgt nun in der weiteren metaphorischen Beschreibung der Welt das „Mondlicht“. Selbst der Mond scheint also in dieser imitierten Welt an Strom angeschlossen zu sein, welches die Unnatürlichkeit des Niemandslandes unterstreicht. Das Mondlicht kann hier aber auch als Sinnbild für das Bildschirmlicht des Computers stehen, um die Internet-Metaphorik auszuführen. Da manche Tag und Nacht im Niemandsland (bzw. im Internet) verbringen, scheint der Bildschirm hell wie der Mond in die Nacht.
„Kolibris sieht man Koka zieh’n, um hochzufliegen“.
Kolibris sind kleine Vögel mit glänzendem Gefieder, die dafür bekannt sind, rückwärts, auf der Stelle, sehr hoch und sehr schnell fliegen zu können. In dieser fiktiven Welt könnte diese Vogelgattung für jene Menschen stehen, die nach außen ohnehin schon erfolgreich zu sein scheinen, es in Wirklichkeit jedoch nicht sind oder gegebenenfalls nur unter Einfluss von chemischen Substanzen.
„Während du der Illusion erliegst“.
Man könnte diese Stelle so deuten, dass die Illusion, die die Umstände im Niemandsland positiv dastehen lässt, personifiziert wird. Doch die Metapher ist nicht nur: Die Illusion ist eine Person, sondern: Die Illusion ist ein Gegner, dem die Menschen erliegen.
„Mit jedem Bissen wird man hungriger, unsicher/ Wer man is‘, weil um dich herum sind alle Wunderkinder“.
Die Essens-Metaphorik – ähnlich der von Milch und Honig – wird hier weitergeführt. Ein Bissen könnte dabei einem Internetvideo entsprechen, die einen durch die Nacht bringen, das bedeutet, mit jedem weiteren angeklickten Video steigt das Bedürfnis, ein weiteres anzuklicken und so weiter. Die „Wunderkinder“ sind dabei die Akteure der Videos, eventuell Menschen mit besonderen Talenten, deren Videos zu einer Sucht werden, durch die man in Unsicherheit über seine eigene Identität und Persönlichkeit gerät.
„Hier wurde Liebe verbannt/ Dafür gibt’s sonst alles hier im Niemandsland, na vielen Dank“.
Als Abschluss erfolgt eine Art Fazit des Gesagten. Oberflächlichkeit, Egozentrik und Konsum sind also zu Genüge im Niemandsland vorhanden, jedoch nicht das Essenzielle zwischenmenschlicher Beziehungen, nicht all jene Werte eines Zusammenlebens, was durch die Liebe symbolisiert wird.
Schauen wir uns ruhig mal einen aggressiveren Entwurf an, und wenden uns K.I.Z.’ „Boom Boom Boom“ zu.
„Tut mir leid wenn ich den Untertanenstolz jetzt verletzte/ doch was quatscht ihr da, es gibt nicht genug Ausbeutungsplätze.“
Es befinden sich in diesen Versen gleich zwei metaphorische Ausdrücke, der „Untertanenstolz“ und die „Ausbeutungsplätze“, beides Neologismen. Abwertend wird ein dem Obrigkeitsstaat devoter und serviler Staatsbürger als Untertan bezeichnet, historisch handelte es sich um einen Bürger einer absoluten Monarchie, der seinem Landesherrn zu Gehorsam verpflichtet war. Dass ein solcher Untertan Stolz hinsichtlich seiner sozialen Position empfindet, ist paradox; symbolisiert wird hier also der Stolz des gewöhnlichen Angestellten im kapitalistischen System als Untertanengeist, jene Unterwürfigkeit gegenüber dem Wirtschaftssystem als Folge von Unwissen und Kritiklosigkeit. Der „Ausbeutungsplatz“ als Wortspiel mit dem „Ausbildungsplatz“ führt die Kritik am System weiter. Hier gilt die Berufsausbildung als Zeichen dafür, dass Profit und Gewinn stets mehr zählen, als gute Leistung; Ausbildung also als Synonym für Ausnutzung.
„Die Welt zu Gast bei Freunden und so/ Du und dein Boss ham’ nix gemeinsam bis auf das Deutschlandtrikot.“
Dass Patriotismus und Nationalstolz in Form des sogenannten „Wir-Gefühls“ verstärkt während einer Fußballweltmeisterschaft auftreten, wird in diesen Versen beschrieben. Das „Deutschlandtrikot“ ist schlicht und ergreifend eine Metapher für Nationalstolz.
„Der Lynchmob hat keinen Cent im Portemonnaie/ Egal ob Merkel nun ein’ Minirock oder Kopftuch trägt.“
Der „Minirock“ ist ein okzidentales Kleidungsstück, welches die Weiblichkeit einer Frau betont, somit als Metapher für Freiheit und Freizügigkeit steht, wohingegen das „Kopftuch“ ein orientalisches Kleidungsstück ist, welches die Weiblichkeit einer Frau verstecken soll, und als Metapher für Zwang und Unterdrückung fungiert. Egal also wie die Politik aussehen mag, die besagten Demonstranten bleiben unzufrieden.
Drittes Beispiel: Alligatoah. Der spricht ja fast nur in Metaphern. Auf charakteristisch ironische Weise setzt sich der Song „Lass liegen“ mit der heutigen Wegwerfgesellschaft und ihren Folgen auseinander.
„Ich steppe in den Wald und lasse liegen, was mir aus der Hose plumst/ Ne Packung Bifi, Batterien und Plutonium/ Ob teures Koberind oder ein neugeborenes Kind/ Was einmal den Boden berührt hat, ist bedeutungslos und stinkt.“
Das Bild einer hinterlegten Spur wird sogleich im ersten Vers aufgenommen. Dabei wird eine Steigerung von der Plastikverpackung, der Säure von Batterien und dem radioaktiven Plutonium über das teuerste Rindfleisch bis hin zu einem Neugeborenen als Klimax hergestellt. Diese Komponenten verlieren für den Rapper an wert, sobald sie „den Boden berühren“, womit das wenig verantwortungsvolle Wegwerfen illustriert wird.
„Fällt das Porzellan in den Sand und verdreckt/ Lass liegen, lass liegen/ Wenn dir der geröstete Panda nicht schmeckt/ Lass liegen, lass liegen/ Ich wurde heute morgen von ’nem Panzer geweckt/ Lass liegen, lass liegen, lass liegen, lass liegen bleiben/ Drunter lag ein Mann, der seine Hand nach uns streckt/ Doch wir haben keinen Platz zu bieten, lass liegen.“
Der ironische Aufruf, besagte Dinge einfach auf dem Boden bzw. in der Umwelt liegen zu lassen, findet seine überspitzte Formulierung in der Hook. „Porzellan“ und „gerösteter Panda“ fungieren hier als weitere Beispiele für Alltagsgegenstände und Nahrung im weitesten Sinne, ähnlich wie zu Beginn der ersten Strophe. Der „geröstete Panda“ könnte auch als Sinnbild für das Wappentier des World Wide Fund For Nature, kurz WWF, stehen, der Panda als Symbol für den Artenschutz generell. Auch ist hier eine Deutung hinsichtlich der Verschwendung von Nahrungsmitteln denkbar, so wird nicht nur Ignoranz, sondern auch Dekadenz den Eigenschaften der Menschen zugeschrieben. Im zweiten Teil der Hook wird metaphorisch die aktuelle Flüchtlingsproblematik in Europa angesprochen. Der Mann, der unter dem Panzer hilfesuchend seine Hand ausstreckt, kommt höchstwahrscheinlich aus einem Land mit schlechteren Umständen. Auch dieser wird „liegen gelassen“, da es angeblich nicht genug Platz (zum wohnen) gibt.
„Man kann mich durch die Spur von leeren Plastikhüllen orten/ Sie führt zum Mediamarkt, ich kaufe den Müll von morgen/ Und lass ihn liegen weil ich lieber in das Beach-Hotel geh/ Guck mal Jutta da schwimmt unsre alte Mikrowelle/ Guck’ mal Jutta, da schwimmt unsre alte Mikrowelle.“
Die hier erstmals direkt erwähnte Spur ist auch die, die man im Musikvideo beobachten kann, die leeren Plastikhüllen sind dabei jegliche Art von Abfall, die der Mensch zurücklässt. Diverse Konsum-Geschäfte werden hier unter „Mediamarkt“ zusammengefasst. Im Folgenden wird erneut auf die geplante Obsoleszenz gedeutet, indem der Erzähler in den besagten Elektrofachhandel geht, um den „Müll von morgen“, zu kaufen, also Geräte oder Dinge, die demnächst nach kurzem Gebrauch sogleich weggeworfen werden. Als der Rapper daraufhin eine Urlaubsreise antritt, begegnet ihm in den Meeren sogar der Müll, den er als Prototyp der verantwortungslosen Wegwerfgesellschaft produziert und unsachgemäß entsorgt hat, was die globale Dimension des Müllproblems verdeutlicht.
„Langsam brauch ich, auch wenn Umwelt leidet um den Preis zu retten/ Dringend neue Gummistiefel, denn die Deiche brechen“.
Selbst die Deiche leiden unter dem unvorsichtigen Umgang des Menschen mit der Umwelt, indem sie beginnen, zu brechen, vermutlich durch Erderwärmung bzw. Schmelzen der Pole und der damit verbundene Anstieg des Meeresspiegels. Dies erklärt auch, warum der Erzähler ein Paar Gummistiefel benötigt: der Meeresstand hat eine kritische Höhe erreicht. Ein Deich dient eigentlich dazu, Urgewalten der Natur zu bändigen. Wenn diese Naturgewalt zu starke Ausmaße annimmt, bricht der Deich folglich zusammen. So kann der Deich hier als Metapher für die Fehlbarkeit des Menschen gesehen werden.
Das war’s schon mit unserem kleinen Ausflug in die wunderbare Welt der Metaphern. Wenn man etwas durch die Blume vermitteln möchte, wenn man etwas beschönigen oder im Gegenteil verunschönern will, wenn man kreativer wirken will, als man ist, oder wenn man einfach keine Lust hat, alles gleich direkt in your face zu sagen – die Metapher ist für dich da. Und vor allem ist sie da, wenn man die Message seiner Aussagen verstärken und veranschaulichen will.