Skinnys Abrechnung #24: Die Böhmermann-Haftbefehl-Debatte

Ich bin ein großer Freund der Diskussionskultur, das ist ja auch der Grund, aus dem diese Kolumne existiert. Gerade im HipHop findet  meiner Meinung nach viel zu wenig Diskurs statt – vieles wird hingenommen, wenig in Frage gestellt, andere Standpunkte werden kaum respektiert. Umso mehr freue ich mich, wenn über Themen debattiert wird, wenn Standpunkte aufeinander prallen. Eine Diskussion überschattete in den letzten Tagen alle anderen – und die geht mir leider gehörig auf den Sack. Ich rede natürlich von den unvermeidlichen über Jan BöhmermannsPol1z1stens0hn und Haftbefehls auf den Schritt folgendem CopKKKilla . Eigentlich wollte ich mich zu dem Thema überhaupt nicht großartig äußern – bis auf eine Handvoll Tweets auf nachfrage hin habe ich das bis Dato auch nicht – möchte an dieser Stelle aber einen Schlussstrich ziehen. Womöglich steht das nicht in meiner Macht, aber es ist einen Versuch wert, also: Challas, wenn ich will, ich mach‘ die Diskussion ZU!

Von Anfang an fand ich die weinerlichen Butthurt-Stimmen, die sich tief in ihrer HipHop-Ehre getroffen fühlten, unfassbar lächerlich. Wischt euch die Tränen aus den Augen und peilt, dass der Typ sich über alles und jeden lustig macht. Wenn so eine Banalität ein ganzes Genre beleidigen kann, spricht das vielleicht nicht unbedingt für das Genre. Noch viel überflüssiger waren aber die Artikel der szenefremden Journaille – etwa jetzt.de, die mal eben proklamierten, der kleine, zappelige Moderator hätte mit erwähnter Banalität „Straßenrap beerdigt“ . Woran dieser Autor – ganz offenbar ein Mann vom Fach – das festmacht, würde mich interessieren. Das ist nur eine verdammte Musikparodie, nicht mehr und nicht weniger. Bei „Pol1z1stens0hn“ wird nichteinmal ein ganzes Genre, sondern nur die Speerspitze eines Subgenres parodiert – das ist weder respektlos, noch der Untergang einer Kultur, also kriegt euch mal ein, ihr hysterischen Sensationsgeier.

Als ich gerade dachte, das Thema wäre endlich abgehakt, öffnete sich Kapitel zwei: Haftbefehl veröffentlichte das Video „CopKKKilla“ , in dem er, angelehnt an den Body Count Klassiker „Cop Killer“ von 1992, oberflächlich Polizeigewalt und Korruption thematisiert – im Endeffekt geht es aber ums Töten von Polizisten. Nicht sonderlich originell, dennoch ein verdammt provokanter und nicht minder doper Song. Der kratzt nun nach zwei Tagen schon an der eine-Millionen-Klicks-Marke – schließlich hören ihn nicht nur Haftbefehl-Fans, sondern auch ein großer Teil derer, die die Debatte um das fünf-Millionen-Aufrufe Starke „Pol1z1stens0hn“ mitbekommen haben. Eine klassische Win/Win-Situation also, die gleich noch eine neue Debatte zu Tage bringt – und die ist noch überflüssiger als die erste: War das ganze ein abgekartetes Spiel? Haben Haft und Böhmi sich etwa abgesprochen? Oder war es wirklich, wie Falk schreibt, der Zufall des Jahres?  Existierte „CopKKKilla“ tatsächlich schon vorher und es wurde einfach die Gunst der Stunde genutzt? Und die wichtigste Frage: Was zur  Hölle macht das letztlich für einen verdammten Unterschied? Ob das ein geschickter Promostunt beiderseits oder ein purer Glücksfall war, geht mir am Arsch vorbei. Da können auch noch so viele Beweise ausgegraben werden, am Ende ist das Ergebnis dasselbe.

Und zwar folgendes: Erstens eine Parodie, der man ihre Daseinsberechtigung nicht absprechen kann. Ich finde Böhmermanns Video zwar nicht lustig, aber das gilt generell für Musikparodien (außer Weird Al Yankovics „Amish Paradise“ ). Ich verstehe schon, dass man das durchaus witzig finden kann. Zweitens ein verdammt heftiger Song von Haftbefehl, der für die Dauerrotation prädestiniert ist. Er wäre wohl ebenso zu einer Debatte über die Legitimität des Inhalts verurteilt, würde er nicht vom dritten Punkt überschattet werden: Zwei völlig unnötigen Diskussionen, zu denen jeder seinen überflüssigen Senf dazu gibt.

Schade, dass die erste große HipHop-Debatte seit langem derart banal sein muss. Ich hoffe an der nächsten kann ich mich wieder guten Gewissens in anderer Form, als dieser hier beteiligen. Für gewöhnlich verzichte ich in dieser Kolumne auf Disclaimer, möchte aber abschließend noch anmerken, dass ich keiner Einzelperson, die sich am Diskurs beteiligt, einen Vorwurf machen oder deren Einmischung kritisieren möchte. Ich finde lediglich das Thema in seiner Gesamtheit derart überflüssig und künstlich aufgeblasen, dass ich auch mal auf den Tisch hauen wollte.