„Das Hiphopmedien-Schweigekartell leistet ganze Arbeit“ – Als fremdgesteuerter HipHop-Journalist werde ich nun leider von meinen Illuminati-Marionettenspielern gezwungen, die Stimme gegen den Publizisten Tilman Knechtel, zu erheben, Inhaber der YouTube-Kanäle Trau keinem Promi und Bürgerberg. Der 28 Jährige muss mundtot gemacht werden – zu viele brisante Informationen gelangen über seine Kanäle ans Tageslicht. Bushido und Shindy haben die Anschläge in Paris angekündigt, Drake tanzt satanische Tänze, um das Ende der Welt einzuläuten und prophezeit, ebenso wie Haftbefehl, Flugzeugabstürze, Kanye West hat seine eigene Mutter als Blutopfer für Satan gegeben. Überhaupt hat jeder Prominente seine Seele an die Illuminati verkauft. Insbesondere auf Rapper hat der hauptberufliche Vollzeit-Spinner Tilman Knechtel es abgesehen. Jüdische Bankerfamilien, Moslems und Linke hasst er auch, aber die Protagonisten unseres Lieblingsgenres sind sein Lieblingsziel – verkauft sich schließlich gut.
Knechtel deckt alles auf, was nicht niet- und nagelfest ist. In jedem Frame eines Rapvideos wittert er okkulte Symbolik, jede Geste ist ein satanistischer Illuminaten-Gruß, jedes Logo, jeder Schriftzug verbirgt eine 666. Warum diese mächtigen Eliten ihre eindeutigen Symboliken und Hinweise derart inflationär und offensichtlich hinterlassen, als gäbe es sie im Dutzend billiger, bleibt allerdings offen. Irgendeinen Sinn wird das bestimmt haben – also deckt der umtriebige YouTube-Journalist die Machenschaften dieser skrupellosen Psychopathen schonungslos auf.
Mit der allmächtigen Geheimgesellschaft, die ohne mit der Wimper zu zucken Präsidenten und Weltstars sterben lässt, jeden Krieg, jede Krankheit, Naturkatastrophe und sogar das Wetter unter Kontrolle hat, mit der legt der stolze Libertär sich an. Da hat aber jemand ganz schön dicke Eier. Tatsächlich hat er aber einfach nur Glück, dass er offenbar nicht ernst genommen wird. Oder er hat schlicht und ergreifend Unrecht. Könnte dieser wohlgenährte Albtraum aller Freimaurer sich sonst mit den mächtigen grauen Herren anlegen, die ohne jegliche Mühen oder Skrupel das gesamte Weltgeschehen lenken? Wäre er nicht schneller tot, als er „Rothschild“ sagen kann? Klar, er ist der Meinung, er sichere sich ab, indem er etwa Bushido mit dem Leak besonders brisanter Informationen droht, solle „irgend so ein Kanake“ ihn in absehbarer Zeit angreifen.
Dass Knechtel belächelt wird, ist aber auch ganz unabhängig vom zweifelhaften Wahrheitsgehalt seiner Thesen besser für ihn. Nicht nur aufgrund der rufschädigenden Diffamierungen und Beleidigungen, auch für die unzähligen Verletzungen des Urheberrechts Dritter könnte man ohne Weiteres die Scheiße aus ihm heraus klagen. In ausnahmslos jedem seiner aktuellen Videos bedient die selbsternannte Nemesis der Illuminati sich unverhohlen urheberrechtlich geschützten Materials derer, die er bezichtigt, Hand in Hand mit den unvorstellbar bösen und skrupellosen Herren der Welt oder gleich dem Teufel persönlich zu arbeiten. Gerade klagefreudigen Zeitgenossen wie Bushido vorzuwerfen, tatsächlich billigend die schrecklichen Anschläge in Paris angekündigt zu haben, während man sich ganz mit aller Selbstverständlichkeit deren Bildmaterials und urheberrechtlich geschützter Fotos bedient, ist – nun ja – mutig. Auch unser Interview mit Bushido verwendet Knechtel, während er unserem Chefredakteur Oliver Marquart wüste Beleidigungen an den Kopf wirft. Ich verwende für meine Kolumne zwar auch Screenshots aus Videos derer, mit denen ich abrechne – bezichtige sie aber wenigstens nicht der Zusammenarbeit mit grausamen Massenmördern.
Von rechtlichen Schritten sehen wir selbstverständlich ab – das ganze ist schließlich erstklassige Unterhaltung. Ich saß wirklich mehrfach zuhause, lauschte Knechtels irrsinnigen Fantastereien und musste laut auflachen. Wüsste ich es nicht besser, hielte ich sein Schaffen für eine geniale Karikatur derartiger Spinnereien – obwohl das als Parodie vielleicht schon wieder zu over-the-top wäre. Wie aus jeder Banalität eine okkulte Symbolik an den Haaren herbeigezogen wird, ist dermaßen absurd, dass es wirklich schwer fällt, nicht an eine Parodie zu glauben. Übrigens ist dies meine 23ste Abrechnung – Zufall? Ja, tatsächlich. Nicht mal ein Witz, ich trage diese Zeilen gerade nach, weil ich es eben erst bemerkt und laut aufgelacht habe. Aber den wachsamen Augen Knechtels wird dieses Detail nicht entgehen, der wird sich schon seinen Teil denken – er erkennt die Zeichen!
Neben der Tatsache, dass die wahllosen Interpretationen und 666-Verortungen sein voller Ernst sind, gibt es aber noch einen bitteren Beigeschmack: Der augenscheinliche Kreuzritter der Wahrheit bereichert sich an seinen Spinnereien. Nicht nur, dass vor seinen Videos Werbung geschaltet ist – obwohl sie fremdes Material beinhalten – , kaum Video kommt ohne mehrfache Hinweise aus, man solle doch seine Bücher und gegebenenfalls auch ein paar subversive TKP-T-Shirts kaufen. In Videos, in denen er wortwörtlich sagt, er wolle hier keine Geflüchteten aufnehmen, oder ihnen gar selbst helfen, weil er persönlich ja kein Land zerbombt hätte, verwendet Knechtel visuelles Material unserer Kollegen von Hiphop.de und bereichert sich persönlich daran durch Monetarisierung des Videos und Verkäufe seiner Schund-Schinken.
Unser Lieblingslibertärer hustlet sich über YouTube also ein bisschen „Haram Para“ als Nebenverdienst zusammen. So weit, so gut, angenehmer Nebeneffekt, könnte man meinen. Sein erster Kanal, Bürgerberg, weist sogar tatsächlich Züge von Journalismus auf, Knechtel sucht Politiker und andere Funktionäre auf und löchert diese mit unangenehmen Fragen. Ein Großteil der Videos sieht allerdings folgendermaßen aus: Knechtel umschwirrt das Objekt der Begierde wie eine lästige Schmeißfliege, wirft mit provokant formulierten Fragen über Bilderberger-Treffen um sich, lässt den Befragten aber nicht ausreden, bis dieser genervt von dannen zieht. Auf dem Kanal Bürgerberg tummeln sich also diverse Videos mit Titeln wie „Sahra Wagenknecht blockt bei Stalinismus-Frage ab“ und „Winfried Kretschmann wird wegen Klimalüge handgreiflich“ . Dieser durchaus ambitionierte, wenn auch nicht weniger wahnsinnige, Channel stagniert aber bei unter 5.000 Abonnenten, obwohl er ziemlich genau ein Jahr mehr auf dem Buckel hat, als Trau keinem Promi, der täglich wächst und momentan über 24.000 Abonnenten verzeichnet. Der Grund ist so simpel wie effektiv: Namedropping. Selbstverständlich ziehen Bushido und Drake mehr Leute an, als Peter Boehringer und Stefan Kaufmann.
Seit einem halben Jahr liegt der Kanal Bürgerberg also brach, stattdessen macht Tilman sich lieber regelmäßig mit der Analyse von Rapvideos und -Lyrics lächerlich. Die Klicks regnen, man redet über Knechtel – was ihn gewissermaßen zu einer Art Promi macht, aber das ist schon okay, der Junge ist vertrauenswürdig. Das Namedropping verschafft ihm aber nicht nur Bekanntheit und ein paar Flocken ein, offenbar wichst der erklärte Promifeind sich dennoch auf jede namentliche Erwähnung, ja sogar jeden Fav bei Twitter richtig einen ab. Ein eigenes Video über eine Twitter-Reply von Prinz Pi, eines über Bushidos Bemerkung in unserem Interview und Randnotizen zu jeder kleinen Interaktion in anderen Videos. „Ich würde mich über jeden Journalisten etc., der mich angreift, freuen, denn so bekommen die Bücher mehr Aufmerksamkeit. Bei Henryk M. Broder war ich sehr stolz, dass mich sogar ein Prominenter angreift“ äußerte sich Knechtel im Juli 2014 in einem Interview – dass es nur um die Verkäufe der Bücher geht, darf aber bezweifelt werden. Zur aufmerksamkeitslüsternen Facette des aufgeklärten Narzissten haben auch die Kollegen von Noisey einen netten Absatz in einem nicht minder netten Artikel parat.
Wie der ehemalige Videospiel-Tester innerhalb von nicht einmal fünf Jahren vom harmlosen, unscheinbaren Nerd, der neben Fußball „auch Filme (am liebsten von Quentin Tarantino) und Musik (vor allem HipHop)“ als seine „liebsten Freizeitbeschäftigungen“ nennt, zum paranoiden Psychotiker werden konnte, ist mir nicht bekannt. Es ist ja durchaus amüsant, wenn er in jeder noch so kleinen Textzeile und jedem Cover okkulte und verschwörerische Symbole entdeckt, auf die ihn häufig Fans hinweisen und bei deren Analysen er gerne mal fünfe gerade sein lässt, aber die mittlerweile überwiegend positiven Bewertungen seiner YouTube-Videos sind doch besorgniserregend. Dass dieser islamophobe, antisemitische, menschenverachtende und in erster Linie absolut lachhafte Bullshit ernsthaften Anklang findet, ist weniger lustig, als die theatralische Polemik des unbeholfenen Predigers selbst. Drüber lachen kann ich trotzdem. Ach und Tilman: Es gibt absolut keinen Grund, sich über diesen Artikel zu freuen – du bist weder relevant, noch versuchen Geheimorganisationen dich mundtot zu machen. Du bist ein Meme, ein „Zieh dir den rein, das is‘ so witzig, was der labert“ , ein Lacher für nebenbei – trotz deiner Handvoll Zuschauer, die sich ihr Weltbild mit deiner Hilfe auf komfortable Art und Weise vereinfachen.