Zwei 12-Inches kämpfen diesmal ganz hart um Platz 1 der Charts: „Code Red“ von Wildchild (Stonesthrow) und „Lost Your Mind“ vom Freestyle Fellowship Member Aceyalone (Project Blowed) sind beide so dick, dass mehr als ein klares Unentschieden bei der Entscheidungsfindung leider nicht drin ist. Als ich vor einigen Wochen mit dem neuen Wildchild-Album bemustert wurde, hörte ich erst mal nicht so richtig hin, dabei aber immerhin noch, dass der Lootpack-MC irgendwas von wegen „Bounce With Us“ vor sich hinbrabbelte. Da meine persönlichen Erfahrungen mit „Bounce“-Platten eher derart sind, dass ich sie nicht machen möchte, war ich für kurze Zeit ein wenig besorgt. Natürlich hätte das nicht sein müssen, denn dass man bei Stonesthrow und den Jackson-Brüdern (Oh No und Madlib) unter bouncen etwas anderes versteht als andernorts, ist eigentlich klar. Kein Wunder daher auch, dass das von Oh No produzierte „Code Red“ mit den mächtigen dunklen Streichern, der pumpenden Kickdrum und den zersplitterten Claps ein Brett vor dem Herrn ist, auf dem Wildchild eigentlich rappen kann, was er will. Zu einer Hammer-12 gehört aber eben auch eine Hammer-B-Seite, und da kommt mit Madlib dann der Mann ins Spiel, der inzwischen ja so weit draußen ist, dass er auch ein paar Jahre Pause machen könnte, ohne eingeholt zu werden. Für „Party Up“, dessen Hook „Ms. Hook“ Vinia Mojica featuret, hat „The Beat Constructor“ mal wieder eine seiner legendären Basslines springen lassen und eine sommerlich flirrende Atmosphäre gezimmert, die bestens zu den aktuellen Temperaturen passt. Kann man übrigens prima in Erick Sermons „Music“ mixen und umgekehrt.
Doch nun zu Aceyalone: RJD2 liefert die A-Seite und ist für Madlib ja eh einer der wenigen würdigen Gegner überhaupt. Für die Funkbombe „Lost Your Mind“, eine Uptempo-Nummer, hat er auf den seinen Produktionen sonst anhaftenden Staub verzichtet und ein glasklares Stück Glück arrangiert. „Well here we go – it´s two-thousand-fo – and my flow ´s still tighter than what your ´s might have been … working this mike is nat-a-ral – for me to come weak is not a-lowed” – Ace One ist einfach The Voice und der Flowgott in einer Person, da reimen sich dann auch Dinge, die sich eigentlich nicht reimen. Ach ja – und die B-Seite… Hört sie euch einfach an. Seit DJ Vadims „Combustible/Ghetto Rebels“ war ich nicht mehr so froh, wie bei diesen beiden 12-Inches…
Jut, man muss sich ja auch wieder einkriegen, also anderes Thema: „Graffwriters/Ignorance“ heißt die aktuelle Auskopplung der Narcissists auf Pias. Kennt man diese Typen noch nicht und wirft man „Graffwriters“ an, ist man doch etwas irritiert. Zum Beat: Wie kann jemand auf die Idee kommen, einen Beat komplett auf dem weltbekannten Bass-Intro von Labi Siffres „I Got The Blues“ aufzubauen, aus dem auch Kollege Mathers (allerdings eine andere Stelle) schon ausgiebig gesamplet hat? Egal wie sich das Ergebnis anhört, bestimmte Dinge sind einfach ein wenig zu offensichtlich und gehen dann auch eher nach hause. Die Typen klingen wie Looptroop, rappen über das Looptroop-Lieblings-Thema „Graffiti“ und bringen anschließend im Oldschool-Remix einen Loop, der auf einem der abgegriffensten Breaks des HipHop-Sounduniversums aufbaut. Wenn Grandmaster Flash damit rumspielt, ist das o.k., aber was soll das bitte auf einer Scheibe aus 2003?
Bei Hum Drums setzt Madlib gemeinsam mit Declaime auf der Declaime 12-Inch „Enjoy your Stay/Life“ die Madlib-Invazion fort, wobei Declaime Backup von Dudley Perkins bekommt, der sich gelegentlich auch in die Aufnahmekabine geschlichen zu haben scheint. Message-mäßig kommen beide Tracks als positive Ansagen rüber (“It´s your life – live it”), Declaimes Stimme ist einzigartig, wie üblich. Wer ihn schon kennt, wird wissen, dass sein Flow manchmal etwas pausenlastig sein kann – so hätte ich mir auch auf der B-Seite („Life“) gelegentlich etwas mehr Zug zum Tor gewünscht, bei dem Beat hätte sich das jedenfalls angeboten. Genau letzterer ist es nämlich, der diese 12 beinahe unbezahlbar macht, der schon alleine Grund genug ist, das Teil zwei Mal zu kaufen. Was für ein Brett – die verwendeten Drumsounds äußerst analog, dazu ein stakkato-mäßiger Elektrobass, hier und da ein paar Soundsprengsel und Vokalfetzen eingestreut – der Lootpack-Produzent zeigt sich einmal mehr von seiner besten Seite, und so garantiert „Life“, dass trotz der Omnipräsenz des Mannes aus dem Stones Throw-Lager kein Madlib-Overkill eintritt.
Ebenfalls auf Hum Drums erscheint mit „Relax N´ Chill/A Fly Love Song“ gerade ein Ausschnitt des Pase Rock-Solo-Albums „Bullshit As Usual“, das dieser unter seinem Alias Vaughn La Rock veröffentlichte. Von dem nur in Japan und dort auch nur auf CD erschienenen Album hat sich Hum Drums mit „Relax N´ Chill“ und „A Fly Love Song“ zwei extrem entspannte Nummern für die Vinyl-Veröffentlichung gesichert. Während „Relax N´ Chill“ vor allem durch dem Titel geschuldete, super-gechillte Saxophon- und Piano-Samples besticht, dominiert in „A Fly Love Song“ ein leicht hypnotischer Piano-Triller, der durch ein smoothes Gitarren- und ein weibliches Vocalsample ergänzt wird. Beide Beats stammen von einem Typen namens Dem Boogie, der auch schon einige Fat Jon-Tracks gehört zu haben scheint, so dass man fast geneigt ist, mal wieder an eine Alter-Ego-Veröffentlichung zu glauben. Vaughn La Rock lässt darüber seinen von den Five Deez-Releases hinlänglich bekannten Flow gleiten, der sich bei „Relax N´ Chill“ vor allem an seine Angebetete richtet („I´m thinking about nothing but my hand on your thighs…“), über „A Fly Love Song“ muss diesbezüglich wohl nicht viel gesagt werden. Hingewiesen sei aber fairerweise noch darauf, dass dieses Musikschmuckstück gegenwärtig nur als Promo über Hum Drums/Grooveattack erhältlich ist. Doch keine Sorgen: Wer hier noch kein Glück hat, kann sich auf die in ein paar Monaten erscheinende offizielle Version freuen, die dann auch noch Remixe von 3582 (Fat Jon & J. Rawls) mitliefern wird.
Nachdem uns die gerade Genannten J. Rawls und Fat Jon unter ihrem gemeinsamen Alias 3582 dieses Jahr schon mit der sommerlichen 7-Inch „Vanessa From Venezuela/Late Night“ beglückt haben, kommt – ebenfalls auf Hum Drums – nun ein weiterer Release im 12-Inch-Format. Er enthält die Titel „The E“ (im Original von J. Rawls, im Remix von Fat Jon) und einen „Bad As They Come“-Remix (Fat Jon), beide Songs warten mit Raps von Fat Jon auf. Die Platte bildet die Lead-Off-Single für das für Oktober zu erwartende Album „Situational Ethics“ – wer auf J. Rawls und Fat Jon steht, wird hier nichts falsch machen. Schönes Ding.
Seit einigen Wochen auf Motor/Universal zu haben: „Fäule“ von den Beginnern. Keine normale Maxi, sondern eine EP (2-fach-Vinyl), die außer dem Titelsong noch die Tracks „Schiss“ und „Wer bistn Du?“ sowie diverse Remixe von Simon Vegas und Bubblez bereithält. Nachdem das Thema Deutschrap beinahe völlig in der Bedeutungslosigkeit versunken war, schicken sich die Hamburger an, den Karren aus dem Dreck zu ziehen, und dafür kann man nur dankbar sein. „Fäule“ ist natürlich auf Hit produziert, und das funktioniert, auch wenn ich die Raps deutlich mehr als den Beat mag. Wenn Denyo mit „Nicht die Routine irgendeiner deutschen Rap-Kapelle – denn inhaltslos muss scheitern so wie Westerwelle – dann doch eher die Routine eines Willi Brandts – wir haben die Musik, die süß schmeckt, wie Philly Blunts“ daherkommt, klingt das tatsächlich locker aus dem Arm geschüttelt, und das würde man deutlich mehr deutschsprachigen MCs wünschen. „Schiss“ erklärt uns, dass Angst-Haben doch ganz normal ist – am amüsantesten dabei für mich, dass Eisi Eiz in den Hooks ein bisschen Ozzy Osborne-mäßig daherjammert. Unterm Strich ein positiver Vorbote des Albums.
Böse groovy und soulig kommt Larry Gold mit der Auskopplung „Feel So Good/Ain´t No Stopping Us Now“ (BBE/Rapster Records) – ein erstes Lebenszeichen seiner demnächst zu erwartenden „Larry Gold Presents Don Cello And Friends/Classic Philly Soul“ in der mittlerweile legendären „Beat Generation“-Produzenten-Serie auf BBE, in der bereits Pete Rock, Jay Dee, Marley Marl, DJ Spinna, Jazzy Jeff und King Britt ihre Produzenten-Scheiben veröffentlichten. Während die A-Seite „Feel So Good“ feat. Nanda für mich etwas zu rund, nett und nicht so zwingend wirkt, hält die Album-Version von „Ain´t No Stopping US Now“, auf der Black Thought von den Roots ein Gastspiel gibt, einen halben Klassiker bereit. Zunächst macht Black Thought die streicherbedingt geschmeidige Sache natürlich etwas rauer, und dann ist der Beat einfach killer – dick, wie die Kick-Drum verdampft, großes Dance-Floor-Potential.
Immer umtriebiger wird auch B9000 Records aus Belgien, wo beispielsweise schon Mr. Complex´ „Rhapsody“ oder L Fudges „Love Letters“ erschienen. Vor einigen Wochen kam dort nun eine 12 von Rasheed aka Maylay Sparks („leisure/3mc´s“), deren melancholische A-Seite „leisure“ Grand Agent featured. Das Sample hat Kollege Wiz von der RAG natürlich schon viel früher gefunden, weil da atmo-mäßig ja auch einfach RAG draufsteht, so dass man die Jungs um Galla und Aphroe aus Bochum automatisch ein wenig vermisst. Unterm Strich ein solider Track mit ansprechenden Scratches von DJ „The White Shadow Of Norway“. Der B-Seiten-Titel „3mc´s“ featuret Malik B und Louis Logic und dümpelt auf einem Bass-Sample angenehm vor sich hin. Den Vocal-Scratch „Just The Man That ´s On The Mike“ kennt man spätestens seit DJ Honda (II), und so wird die 12-Inch denjenigen, die die angesprochenen anderen Platten bereits besitzen, doch ein wenig wie ein Zitat-Mix bereits bekannter HipHop-Zutaten vorkommen. Allen anderen sei sie ans Herz gelegt, natürlich auch denen, die gerne Samples wiedererkennen, was ja durchaus Spaß machen kann, solange sie nicht völlig offensichtlich, überstrapaziert und durch sind.
Etwas Angenehmes noch zum Schluss: Mobb Deep haben auf Landspeed mit „Double Shots/Favourite Rapper“ v.a. mit der A-Seite „Double Shots“ mal wirklich absolut partytaugliches Material an Land gespült, was natürlich auf dem streichersample-dominierten Dance-Beat, aber auch auf den passenden Raps beruht. So heißt es in der Hook: „Just party – don´t get yourself shot – leave all the drama back home at the block – get the bar double shots going down straight chillin – while the dj playin what i´m feelin“. Das macht Spaß, und man fühlt sich auch zu hause im Club.