Wyclef kein Präsidententyp?

Denkt man an Wyclef Jean, hat man einen positiven Rastaman mit Leidgeprüftem Blick und einer Gitarre im Anschlag vor Augen. Hört man seine Musik, bemerkt man politische Ambition und ohne zweifel eine rührende Leidenschaft, doch wo die Arbeit des Künstlers damit endet auf Missstände aufmerksam zu machen, sind Regierungen dafür verantwortlich Lösungen zu finden.Zu dieser Erkenntnis schien der „911“-Sänger die letzten Wochen auch gekommen zu sein, so dass er nach einer beeindruckenden Spendenaktion für sein Heimatland Haiti mit dem Gedanken spielte, dort nun für die Präsidentschaft zu kandidieren und es  tatsächlich konkret anging. So  reichte er bereits sämtliche Papiere zur Kandidatur bei der Regierung der Insel ein. Dann er trat sogar gestern von seinem Amt als Vorsitzender der von ihm gegründeten Hilfsorganisation „Haiti Yéle“ zurück.

In einem offiziellen Statement ließ er seine Zeit als Vorsitzender Revue passieren und fasste zusammen, was Yéle in den letzten fünf Jahren für ihn und seine Familie bedeutete. So habe er in der Zeit seines sozialen Engagements viele wichtige Lektionen gelernt – unter anderem, was man als Zusammenschluss alles so erreichen kann::
For the past five years, Yéle has been a huge part of life for me, my wife, Claudinette, and the rest of our family, and I am proud of what we have been able to accomplish for the country and people we love. I have learned many important lessons from my experience with Yéle, most notably the incredible power of individuals united by a sense of purpose and community.

Während Gerüchten zufolge ein gewisser  Derek Q. Johnson die Leitung des Hilfswerkes übernimmt, werden um den ehemaligen Fugee-Frontrapper erste Stimmen laut, die mit seiner Entscheidung nicht glücklich sind und ihn für unfähig halten, das Land in eine stabile Zukunft zu führen. So äußerte sich Beispielsweise Hollywoodstar Sean Penn auf CNN zu dem Vorhaben des 37-jährigen Musikers und zeigte sich „besonders Besorgt“, ja sogar „argwöhnisch“ zum Medienspektakel um Jean. Er fände es bedenklich einen Mann, der selbst seine eigene Organisation scheinbar nicht ganz korrekt zu leiten wisse und mit finanziellen Unstimmigkeiten konfrontiert sei, in ein Amt treten zu lassen, in dem so viele Opfer gebracht werden müssten.  Außerdem habe er das Gefühl, gewisse amerikanische Firmen könnten hinter Wyclef Jean stehen, mit deren Interessen er sich abdecken müsse.

Trotzdem habe er eine wichtige Stimme, die er hoffentlich dazu nutzen werde, das Richtige zu tun.
What the Haitian people need now is a leader who’s genuinely willing to sacrifice. One reason I don’t know very much about Wyclef Jean because I haven’t seen or heard of him in these last six months that I’ve been in Haiti. I think he’s an important voice. I hope he doesn’t sacrifice that voice by taking the eye off the very devastating realities on the ground and the very difficult strategic future its got in putting itself back together.

Wyclefs politischer Sprecher schoss daraufhin (selbstverständlich bei Twitter) sofort zurück und wollte wissen, wer dieser Sean Penn eigentlich sei, Wyclef derartiges zu unterstellen. Schließlich sei er vor dem Erdbeben nie in Haiti gewesen und habe somit gar nichts zu sagen:
“Who the hell is Sean Penn on CNN to question Wyclef running for president of Haiti? He accused corporate American interests backing him, it is WRONG for Penn to assert that corporate interests are behind Wyclef’s campaign because he heard it from someone! Has Sean Penn been on the ground in Haiti for 6 months? Yes. Was he in Haiti long before the earthquake? No. Perspective, folks! By the way, WE have our own history of entertainers running for office with no political experience. Let’s not get uppity.

Dennoch stieß Penns Kritik auf Gehör und Jeans ehemaliger Kollege und Ex-Fugee Pras Michael schloss sich den Bedenken des Schauspielers an. So attestierte er Penn genau zu wissen, was auf Haiti los sei und was die Insel nun brauche. Ganz im Gegenteil zum als Nelust Wyclef Jean geborenen Rapper, weshalb er die haitianische Bevölkerung (bei Twitter übrigens) dazu aufrief, Jeans Konkurrenten Michael Martelly zu wählen.
Sean Penn understands what’s really going and understand what Haiti really needs! All Haitians around the world it’s going to take all of us to start this reconstruction for Haiti !!! Michel Martelly for president 2010!!! It’s official the people are asking for it I’m here in the belly of Haiti I endorse Michel Martelly as the next president of Haiti!!!!!

Allerdings unwahrscheinlich, dass Jean sich von solcherlei Kritik abschrecken lässt, war er bisher ja auch stets über jeden Zweifel erhaben und sah sich auch gern mal in einer Reihe mit Blackmovementlegenden wie Malcom X, Martin Luther King oder den Black Panthers. Auch deshalb dementierte er die Gerüchte, er habe Spendengelder entwendet oder ernsthafte Steuerprobleme. Dies seien alles die Tricks von Machthabern, die sich durch seinen wachsenden Einfluss bedroht fühlen würden. All das habe man schon bei wichtigen schwarzen Männern vor ihm versucht und sie alle hätten weiterhin ihr Ding gemacht.