Wer zum Teufel ist dieser Karate Andi, wo kommt der her und warum ist der jetzt medial überall vertreten? Es ist nicht unbedingt verwerflich, wenn diese Fragen in Bezug auf Karate Andi gestellt werden. Wer nämlich nicht regelmäßig die Veranstaltung Rap Am Mittwoch verfolgt, könnte unter Umständen den Beginn seiner Karriere verpasst haben. Der selbsternannte Boss vom Hinterhof hat die erste Aufmerksamkeit einer etwas breiteren Öffentlichkeit ebendort, durch seine zahlreichen gewonnenen Battles genau da erlangt. Durch technisch versiertes Auftreten und eine herrlich konsequente Antihaltung ist der im Stadtteil Neuköln beheimatete Wahlberliner schnell zu einem der bekanntesten RAM-Protagonisten aufgestiegen.
Nächster Schritt: Fix den Vertrag bei Macheete Management unterschrieben, sich ’nen Instrumentalordner von 7inch zukommen lassen, saufen, schreiben, recorden, fertig. So oder so ähnlich muss der Ablauf gewesen sein. Was nicht heißen soll, dass das einen negativen Einfluss auf seine Musik genommen hätte, ganz im Gegenteil. Selten so ein überzeugendes, selbstbewusstes und in sich schlüssiges Debütalbum wie „Pilsator Platin“ gehört.
„Mir doch egal ob ich deinem Vater gefalle. Pilsator Platin, Karate für alle!“ Gleich im Intro „Willkommen im Karateclub“ des 12-Tracks starken Tonträgers wird klargemacht, worum es hier geht: Drogen, Absturz, Scheiß-drauf, Battlerap, das alles aber gepaart mit Storytelling, intelligenten Reimketten und durchdachten Vergleichen. Das ganze Album ist wie ein Stündchen in der Eckenkneipe gegenüber. Ein Besoffener gesellt sich zu dir, legt seinen Arm um dich, atmet dir seine Fahne ins Gesicht und labert einfach los. Dabei erzählt er viel Schwachsinn, hat aber immer wieder auch den einen oder anderen genialen Gedankengang.
„Auf die Tanzfläche mit Endorphinausstoss
Wir sind Stammgäste auf der Intensivstation
Das Leben hat kein Zweck ohne Rausch
Steig ausm Bett, zieh das Pep, mach die Sektflasche auf“ („Verschwende deine Jugend„)
Ein Highlight dieses abwechslungsreichen Vortrags ist definitiv „Kindergeld“, das durch eine innovative Hook punktet. Andi höchstpersönlich liefert hier mündliche Scratches ab – sehr unterhaltsam. Dazu kommt, dass Andi von 7Inch Beatbretter zur Verfügung gestellt bekommen hat, „Der Boss vom Hinterhof“ und „Verschwende deine Jugend“ etwa, die man so auch nicht unbedingt auf einem Debüt erwarten würde. Ob nun durch Western-Sample untermalt oder auf hartem Trap-Beat reitend, Andi beweist stets Vielseitigkeit und Souveränität. Einzig die Songs „Brakedancebattle“ und „Goldener Schuss“ sind durch die gepitchten Gesangshooks von Gustav etwas gewöhnungsbedürftig.
Ob Charles Bukowski und Henry Miller oder die Kombination aus Kodein und Schnaps Karate Andi zu dem gemacht haben, was er ist, ist schwer zu sagen. Klar ist hingegen, dass der junge Mann mit einem durchaus überzeugenden Debüt angetreten ist. Talentiert, witzig und eigenständig. Kann man nicht viel meckern. Und: Den ausgelatschten Scheiß mit dem „Stimme seiner Generation“ sparen wir uns an dieser Stelle einfach mal.
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