Aufgrund von sexistischen Beschreibungen, wie “Das ist Bassboxxx-Style, Berliner Pornorap und Battle/ Ich nehme meine Lupe und suche die Rosette / Volltreffer, Mokka-Stube, Arschloch, Hurra / Ich komme rektal, mein Name ist Doktor After“ aus dem Song “Wir war´n die Erfinder“, stelle ich mir immer wieder die Frage, wie geisteskrank ein Mensch eigentlich sein muss, um so etwas Geniales zu Papier zu bringen? Erstaunlicherweise zählen solche niveaulosen Darstellungen zu den Textzeilen, die sich fest in meinem Gedächtnis verankern – muss ich mir da Sorgen machen?
Die Mischung aus Schizophrenie, Wahnsinn und purer Genialität trägt erheblich dazu bei, dass mich Orgi´s absurde Beschreibungen einfach zum Lachen bringen. Ganz egal, wie stumpfsinnig seine Geschichten dabei auch sein mögen.
Besonders unterhaltsam ist es, als er in dem psychedelischen Song “Die Gedanken sind frei“ von seinem (heimlich wohl entsorgten) Zwillingsbruder berichtet: “Mein wegoperierter Zwillingsbruder, lebt unter der Erde und ernährt sich von Würmer[n] /Er hört Christina Stürmer, das sagt alles“.
Wie gewohnt, hält Orgi es für überflüssig, den Hörer durch ausgefeilte Reime oder Wortspiele oder überhaupt Reime von seinen sprachlichen Fähigkeiten zu überzeugen. So kommt es des Öfteren vor, dass sein sinnloses Gebrüll und seine markante Lache in reinem Schwachsinn ausarten. Mach dagegen sorgt mit seinen sprachlichen Formulierungen für ein intellektuelles Gegengewicht und dafür, dass das alles noch einigermaßen verständlich bleibt. Den Part des asozialen und frauenverachtenden Arschlochs überlässt er meistens seinem Kollabo-Partner, obwohl auch er ein paar Zeilen in dieser Richtung drauf hat: “Ich spring nackt aus dem CD-Player und fress deine Kinder / Du siehst nett aus Süße, komm her, ich zerfetz dir den Hintern“.
Für die Aufnahmen des 19-Track starken Albums haben sich die beiden Musiker übrigens im Tonstudio von K.I.Z. einquartiert. Abgeschottet von der Außenwelt frischten sie Beats auf, die zehn Jahre lang auf der Festplatte von Mach eingelagert waren und für viele Rapper heutzutage nur noch einen nostalgischen Wert haben dürften.
Im Vergleich zu tatsächlichem Bassboxxx-Material hat sich die Soundqualität auf “Rap aus Berlin“ allerdings deutlich verbessert. Hooks wirken ausgefeilter und laden aufgrund ihrer melodischen Struktur häufig zum Mitsingen ein.
Eine gelungene Abwechslung erzeugen die Momentaufnahmen während der Produktionsphase, die zwischen den Songs immer wieder eingespielt werden. So rastet Mach zum Beispiel in dem Skit “Zitronensaft“ fast aus, weil sein Tetra Pak während eines Saufgelages als Aschenbecher benutzt wurde. Humor auf Kosten anderer – das ist immer gut.
Mit insgesamt 24 Features hat das ganze fast Compilation-Charakter und so sind Künstler, wie MC Bogy, Bass Sultan Hengzt, Vokalmatador, Akte One, Jack Orsen, Vork und Tony D. auf dem Album vertreten, die maßgeblich daran beteiligt waren, dass sich die Untergrund-Szene in Berlin immer weiter ausbreitete. Neben den Hip Hop-Urgesteinen sind aber auch unter anderem Tarek, Nico und Maxim von K.I.Z. sowie Blokkmonsta und Schwartz von Hirntot Records mit von der Partie, die sich mit ihren unterschiedlichen Styles optimal in das gesamte Album einfügen. Mit JAW ist obendrein ein Rapper auf dem Album vertreten, der ursprünglich nicht aus Berlin kommt.
Nach einer Reihe von überaus fragwürdigen “Imbiss Bronko“-Alben war es längst überfällig, an alte Bassboxxx-Zeiten anzuknüpfen und in gewohnter Härte mal wieder so richtig auf die Kacke zu hauen. Ich hätte mir durchaus gewünscht, dass vor allem Untergrund-Legenden, wie Frauenarzt und MC Basstard, an diesem Revival mitgewirkt hätten, doch auch ohne ihren Support werden Fans von hartem Battle-Rap aus der Hauptstadt auf ihre Kosten kommen. Ein rundum gelungenes Album: Hart, Untergrund, Rap aus Berlin.
Hier übrigens noch zwei Zitate, die ich euch auf keinen Fall vorenthalten wollte:
“Was ist eine Kackwurst mit zwei Augen und ´nem Tanga? / Bianca, Bianca, Bianca“ (Orgi in “Reiten Bei Dir Ein“)
“Ich bin Freigeist, Antichrist, Weltenbummler, der Frauen anpisst / der ohne Vorwarnung Nutten ins Gesicht wichst / Das Beste, was es gibt, sind Kokain und Nutten / Ich spiele Flöte auf den Knochen deiner Mutter“ (Orgi in “In meinem Kopf“)