Mit einem Wort. Das neue EMINEM Album ist großartig. Alles da. Das Gespür für die richtigen Hooks, die Technik, die aberwitzigen Wortspielereien, die Melodien und nicht zuletzt die Beats von einem Dr. Dre Produktionsteam in Höchstform. Und dann ist da noch etwas. Hinter all dem Klamauk, den Stylefeuerwerken und dem verrückten Prominentengedisse steht ein kleiner Mann, der, wenn man seiner Platte zuhört, ein paar sehr dunkle Stunden erlebt haben muss. Die letzten Jahre scheinen hart gewesen zu sein für Marshall Mathers. Er sagt es nicht explizit, aber der Tod seines Freundes Proof hat ihn wohl stark aus der Bahn geworfen. Hinten auf dem Booklet gibt es denn auch einen Shoutout an den toten Homie, in dem sich EMINEM erklärt, dass er gerne einen Song für Proof geschrieben hätte, dass aber nichts gut genug war. Und so widme er eben alle Songs seinem 2006 getöteten Freund. Versehen ist das Ganze mit einem PS: "Übrigens. Ich bin jetzt clean. Ich weiß Du wärst stolz auf mich.“
Wobei wir beim großen und alles bestimmenden Themenkomplex von Relapse wären: Beim Drogenkonsum. Dieses Thema kommt in allen erdenklichen Variationen vor. Von der Lobpreisung des Ganjas und seiner belebenden Wirkung auf Dre und ihn, über Erlebnisse auf Pillen, deren Namen und Wirkstoffe ich auf diesem Album zum ersten mal gehört haber, bis hin zur psychoanalytischen Erklärung, dass bereits seine Mutter drogenabhängig und er deshalb gar keine andere Chance hatte, weil "I’m on, what I’m on cause I am my Mom“ Das ist systemische Psychoanalyse 2.0 oder Familienaufstellung in sich selbst.
In diesem Zusammenhang darf der obligatorische Steve Skit natürlich nicht fehlen, mit der Aussage von EMINEM erhabe halt ein Drogenproblem gehabt und deshalb die lange Pause worauf Steve ungehalten reagiert, wer in dieser verdammten Stadt denn kein Drogenproblem habe.
Eine Frage, die durchaus berechtigt ist, geht man davon aus dass Steve sich in gewissen Kreisen aka die Unterhaltungsbranche bewegt und natürlich gehört ein EMINEM da auch dazu. Während sich andere Stars aber immerzu einzureden versuchen, dass sie doch ganz natürlich und auf dem Boden geblieben seien, stellt sich Slim Shady ofensiv in das Schaufenster der öffentlichen Wachsfiguren.
Wenn EMINEM Geschichten aus der realen Welt erzählen will, dann ist das eben genau die Welt der A und B Prominenten, die seine Songs bevölkern und die in seiner Welt vorkommen als würden sie auf seiner Couch sitzen oder in seinem Keller angekettet sein. Jessica Alba, Mariah Carrey, Kim Kardashians und natürlich Britney oder die seelenverwandte Amy, mit der er vom fiktiven gemeinsamen Aufenthalt in der Entziehungskur träumt. Warum er aber wieder und wieder einen todkranken Menschen wie Christopher Reeves verarschen muss? Natürlich weil sich so viele sachen auf seinen Namen reimen, aber ansonsten weiß man es nicht und vermutet einen obszönen Hang zur blinden Provokation und muss dann trotzdem lachen, wenn es heißt: "Mister Christopher Reeves won’t you break it down form e and just spit the verse please“ Worauf der ehemalige Superman-Darsteller mit einer abgehackten Computerstimme zu sprechen beginnt: "EMINEM I’m comming to kill you.“ aber das muss man wahrscheinlich selbst hören.
Ebenfalls ohne Sinn und Verstand und ein bisschen gewollt provokant sind die sexuellen Gewaltphantasien gegenüber Frauen, die immer mit Kellerverliesen, Fesselungen Blut und aufgeschnittenen Brustwarzen zu tun haben, wobei der Ausdruck "In the bed with 2 braindead lesbian vegetables“ wiederum wahnsinnig witzig ist, weil ich mir dann 2 überlebensgroße, etwas dumme, lesbische Auberginen vorstelle die Marshall Mathers in ihre Mitte nehmen und zerquetschen, so dass nur noch seine Beine, seine Arme und seitlich sein Hodensack hervorquellen. Das stelle ich mir dann vor.
Von diesen Bildern, brillant in Reimform gepackt, wimmelt es auf Relapse und man kann froh sein, dass irgendein Praktikant bei Universal die ganzen Texte hat abtippen müssen, so dass wir sie nach und nach auch entschlüsseln können. Warum "Bagpipes from Baghdad" tatsächlich so heißt wie es heißt, obwohl der Song nichts mit Baghdad zu tun hat und warum EMINEM manchmal mit einem künstlichen englischen Akzent spricht, das sind Sachen, die sich mit Sicherheit erst nach dem 10. Hören erschließen aber glücklicherweise ist Relapse so gemacht, dass man die 10 mal auch mühelos durchstehen kann.
Auch wenn es vielleicht die ewige Fortsetzung der EMINEM Show ist und Relapse Hip Hop nicht so demontiert und neu erfindet, wie es damals The Slim Shady LP getan hat, so ist Relapse definitiv das bisherige Highlight in diesem Hip Hop Jahr, oder wie heißt es so schön in Old Time’s Sake "So one time for old time’s sake/Dre drop that beat and scratch that break“
Yo! Und wir freuen uns schon auf den zweiten Teil des Albums oder als was auch immer die zweite CD auf den Markt kommen wird.
ps: Relapse erscheint, entgegen ersten ankündigungen, tatsächlich schon eine Woche früher am 15.05.2009