Schon im Intro wird die neue Familienbezogenheit des Herrn Sorge deutlich, sein Sohn spricht nämlich die ersten Worte des Albums. Er wird uns später noch desöfteren auf diesem Werk begegnen, unter anderem ist ihm einer der gewöhnungsbedürftigsten, zugleich aber auch besten Tracks gewidmet: "Superheld" nämlich. Hierbei wird der Wunsch thematisiert, in einer hauptsächlich weißen Gesellschaft nicht Schwarz zu sein. Samy quäkt sich zwar auf so enervierende Art und Weise durch seine Parts, dass man das dringende Gefühl verspürt, den Schrank aufzureissen, um nach zu sehen, ob sich T-Pain hinter den Winterjacken versteckt hat. Trotzdem ist das alles inhaltlich durchaus ansprechend und nachvollziehbar verpackt und der Song bleibt schon beim ersten flüchtigen Durchhören im Ohr. Richtiggehend beeindruckend ist hingegen "Vatertag", eine Abrechnung mit dem permanent abwesenden Erzeuger, allerdings wieder einmal nur auf textlicher Ebene. Vielleicht liegt es an mir, aber ich weiß einfach nicht, ob ich dieses Jan Delay meets… Ach, ich weiß noch nicht einmal, wie ich es beschreiben soll. Vielleicht nehme ich die gewöhnungsbedürftigen Klangteppiche einfach kommentarlos hin und beschäftige mich mit der Stimme, die, statt wie gewohnt darüber zu tänzeln, gewollt lustlos und pseudo laid back über die musikalische Auslegware schlurft.
Es kann ein durchaus interessantes Stilmittel sein, so zu klingen, als wäre man unsagbar gelangweilt. Nach spätestens fünf Songs steht man in Gedanken allerdings schon mit fünf Litern Kaffee und ordentlich Speed vor Samys Haustür und brüllt "Lass mich rein, ich will doch nur dein Bestes!". "Erster" ist vielleicht das Lied, das noch am Ehesten an den alten Samsemilia erinnert, plattenintern aber nichtsdestotrotz nur im soliden Mittelfeld anzuordnen. Besonders raptypisch erscheint hierbei die immer etwas nebulös anmutende Aussage, "sie" wollten einen unterkriegen und unten sehen, ohne das jemals wirklich klar wird, wer zur Hölle "sie" eigentlich sind. Die Gesellschaft? Die Politiker? Vielleicht auch die Verfasser mehr oder weniger prominenter Blogs, die dem Wickeda MC politische Beschränktheit und seine abgebrochene Schulausbildung vorwerfen. Genau das passierte nämlich, nachdem das Video zu "Dis Wo Ich Herkomm", die B-Seite der ersten Single "Bis Die Sonne Rauskommt" (mein Hasslied Nummero Uno auf diesem Album) veröffentlicht wurde. Diesbezüglich muss ich übrigens mal Partei ergreifen: das Lied mag zwar in manchen Dingen etwas naiv und unreflektiert wirken, grundsätzlich ist eine positive Einstellung gegenüber Deutschland, die sich beim hier verantwortlichen Künstler wohl auch erst im Laufe seiner Karriere bildete, nichts verkehrtes. In sich wirkt der Track absolut rund und auch wenn der ein oder andere hierbei von "FDP-Rap" spricht und damit im Bezug auf die Gesamt-LP wahrscheinlich auch nicht Unrecht hat – es gefällt.
Im Allgemeinen wird viel über Missstände, aber auch die positiven Seiten des Lebens gesprochen. Ins Detail gehen möchte ich dabei nicht zu sehr, ab einem gewissen Punkt gestaltet sich das Ganze nämlich auch etwas anstrengend und das will ich dem verehrten Leser weiß Gott ersparen. Nur auf den "Oma Song" möchte ich, bezugnehmend auf die Familienalbum-Metapher, noch eingehen. Was ist da los? Es ist ja schön, sich bei seinen Verwandten für seelische Unterstützung und Stärkung in allen Lebenslagen zu bedanken, aber muss das auf eine derart unangenehme bis unfreiwillig komische Art und Weise ablaufen? "Dies hier ist ein Lied für meine Ooooooo-ooooooooo-oooooooooomahaaaa!!", "Meine Oma hieß Emma. Ich weiß, es klingt merkwürdig, doch meine Oma hieß Emma!" (tut es das?) und "auch Mama ist jetzt Oma. Ich hab sie zur Oma gemacht, weil ich seit acht Jahren ’nen Sohn hab. Jetzt ist sie für meinen Sohn da, wie für mich damals Oma, doch sie ist auch immer noch ’ne Mama und für ihren eigenen Sohn da und ihre Tochter ist wiederum die Tante von meinem Sohn…" – tut mir Leid, das kann ich nicht ernst nehmen. Wie soll das weiter gehen? "Und der Schwippschwager meiner Cousine dritten Grades hat eine Tochter, welche wiederum auch eine Oma hat, mit einer Katze, die den Nachbarshund nicht mag"?
Nun gut, eine Zusammenfassung. Mal mehr, mal weniger ausgelutschte sozialkritische Ansagen, jede Menge Sonne, Gesang und Familie, wenig bis gar keine göttlichen Raps von Herrn Deluxe. Kann man mögen, kann einen aber auch wahnsinnig enttäuschen. Extrem gut verkaufen wird sich das Teil sowieso, diese Erkenntnis kam mir allerdings schon, als ich auf dem exklusiven Presse-Konzert in Berlin eine Frau mittleren Alters im geblümten Rock direkt vor der Bühne tanzen und alles mitsingen sah. Vielleicht sollten wir den alten Zeiten, in denen es niemanden gab, der dem schnodderigen Hamburger in seinem Metier das Wasser reichen konnte, nicht nachtrauern. Vielleicht musste er diesen Schritt machen, um sich nach Jahren des musikalischen Schaffens endlich einmal selbst zu verwirklichen. Vielleicht ist Samy Deluxe auch einfach zu erwachsen geworden für die deutsche Hip Hop Szene. Schade eigentlich.