MC Bogy – MC Bogy – Die DVD

MC Bogy spricht eine ganz spezielle Art von HipHop-Lifestyle an.

Es darf gekifft werden, aber nicht aus spirituellen Hippiegründen, sondern um den eigenen Körper möglichst hart an die Grenzen zu fahren. Graffiti spielt eine Rolle, aber weniger als Hornbrillen-Streetart-Hipster, sondern eher in Form von Unterhemd tragenden Glatzköpfen. Sport treiben ist erwünscht, aber nicht auf dem Basketballplatz, sondern im ABC-Sportstudio in Berlin-Lankwitz. Wer sich mit diesem Lebensgefühl identifizieren kann, ist bei der neuen MC Bogy-DVD genau richtig, hier kann man sich auf den eigenen Atzenfaktor überprüfen lassen und eventuelle Mängel ausbügeln. Aber auch Hatern und Straßenrap-Skeptikern kann diese DVD empfohlen werden, da sie ein interessantes Bild des Atzenkeepers aus dem schönen Lankwitz zeichnet.

Die DVD ist in mehrere Handlungsstränge aufgesplittet, ein Interview, das Nessa von Bogys Vertrieb Fight4Music mit ihm führt, ist dabei, Videos von Auftritten in Halle und dem Berliner Kesselhaus, sowie der obligatorische "Tag im Leben von Künstler XYZ“. Dieser Teil macht jedoch den größten Reiz aus, da Bogy die Chance hat, sich vielseitiger als gedacht zu präsentieren. Zwar ist vieles davon nur als Fanmaterial zu gebrauchen, in den Augenblicken in denen Bogy zwei seiner Atzen (in Problemkinds Fall anscheinend Ex-Atze) gegeneinander boxen lässt, um sich selber dann als "Don King für Sozialhilfeempfänger" zu titulieren – einfach sehr amüsant.
Auch macht MC Bogy den Eindruck, von dem, was man Allgemein als gemütlichen Typen bezeichnet. Zwar wird man immer und immer wieder von Freunden wie MC Basstard, B-Lash oder Isar davor gewarnt, wie gefährlich Bogy sei, in den Augenblicken, in denen er sich auf seine Lammsteaks freut, wirkt er aber einfach nur wie ein glücklicher Junge (Übrigens: Bei sexueller Frustration empfiehlt der Atzenkeeper himself das Verspeisen von Rinderhüfte, das scheint Wunder zu wirken.)
Um diesen gemütlichen, für einen Gangsterrapper eher schädlichen Ruf nicht zu festigen, gibt es dann natürlich einen kleinen Abstecher zum Bewährungshelfer. Die Kameras dürfen zwar nicht mit rein, aber das macht gar nichts: Höchst eindrucksvoll werden die Überwachungskameras und das pittoreske Gebäude gefilmt, dabei läuft dramatische Musik im Hintergrund. Das Problem an solchen Tageseinblicken ist allerdings auch, dass das normale Leben eines Rappers leider nicht nur aus Bitches und Crystal-Duschen besteht, sondern aus recht alltäglichen Dingen: Tiernahrung kaufen (Mäuse für die Schlangen), Menschennahrung kaufen (gefühlte 10 Kilogramm Lammsteaks)  Arbeiten (im Studio mit Deso Dogg) und Menschennahrung vertilgen (Ohne Kohlenhydrate, dafür viel Protein! Das macht sexuell aktiv!) Das unterstreicht zwar die "Ich bin auf dem Boden geblieben“-Haltung sehr schön, ist aber eigentlich nichts anderes, als das was die meisten Menschen Tag für Tag machen.

 

Aufregender wird es dann bei den Interviews, in denen Bogy allerhand über seine bewegte Vergangenheit und Gegenwart ausplaudert. Angenehm dabei ist, das Bogy sich an keiner Stelle aufspielt oder produziert. Sehr abgeklärt und auch bedauernd spricht er über Psychosen, Gefängnisaufenthalte und Drogensucht. Hier stört leider die etwas aufdringliche Art von Nessa, die das Interview führt. Diese berlinert zwischendurch, gerne wenn es um besonders atzige Aussagen geht und man wird das blöde Gefühl nicht los, dass sie dieses nur tut um den eigenen Atzenfaktor zu erhöhen. Da Bogy aber nicht nur hohle Phrasen drischt, ist es interessant zu hören, was Atze Bogy der Welt mitzuteilen hat: Wo andere Rapper sich oft kläglich verrennen, das Geldsystem stürzen wollen oder die Verrohtheit einer traurigen Gesellschaft anprangern, hat MC Bogy einen schönen Lösungsansatz für gewalttätige Jugendliche:

Sport, Boxen und Kampfsport.

 

Eindeutig nur Fanmaterial sind dagegen die Konzertmitschnitte. Zwar sind diese in sehr guter Qualität aufgenommen worden, aber als Nicht-Fan ist es nicht so wahnsinnig interessant, den Atzenkeeper und seine Freunde bei einem Live-Gig in Berlin sowie in Halle zu beobachten. Interessant wird es für den unparteiischen Beobachter nur, wenn sich der Fokus der Kameras den Fans und dem Backstagebereich widmet. MC Bogy scheint über die Jahre hinweg eine treue Schar von Anhängern gesammelt zu haben, die ihr Idol weit über die Grenzen Berlins hinaus feiern. Leicht bekleidete Mädchen sind dabei, hochrote Glatzköpfe mit einer "Deutschland“-Tätowierung auf der Brust sowie ein extrem fanatisierter Bogy-Anhänger, der optisch zwar eher an einen Sozialpädagogikstudenten erinnert, bei Bogys Tracks den Arm aber Auf und Ab reißt, als würde er in einem Bergwerk schuften. Im Backstagebereich tummeln sich derweil Personen wie der etwas schüchterne Engin, der nicht besonders viel Erfahrung mit Kameras und Mikrophonen hat, aber trotzdem sein bestes gibt oder der leicht psychopathische Pablo SOK. Dem ist das Rampenlicht überhaupt nicht unangenehm, er brüllt etwas von "AK’s, die jeden ficken". Als er Bogy dann auf die Bühne begleitet, ist er gekleidet wie Sisqo in seinen besten Zeiten. Komplett in weiß (mit passendem  Durag!!) schwenkt er eine Flasche Wein und aalt sich im Scheinwerferlicht. Das geht dann ja doch noch in Richtung Crystal-Dusche.

Neben diesen drei großen Abschnitten gibt es noch einen Haufen mehr oder weniger interessantes Zusatzmaterial. Freunde von NMK oder Bassboxxx werden bei Shoutouts von MC Basstard oder Mach One auf ihre Kosten kommen. Auch der Kameramann scheint sich darüber sehr zu freuen, er kommentiert jede Line mit einem euphorischen "Ah!“ oder "Yüah!“.

Ansonsten gibt es neben Ausschnitten aus MC Bogys Musikvideos einen Bericht vom Set zu einem NMK-Allstartrack. Auch hier lässt sich feststellen, das viele Rapper bzw. deren Umfeld einer bürgerlichen Existenz verhaftet sind: Während die Männer in die Kamera boxen, bräunen sich deren Lebensabschnittpartnerinnen und spielen mit den Kindern.

 

Rein technisch ist die DVD auf einen hohen Standard, saubere Bildqualität und klarer Sound sorgen dafür, dass man sich nicht fühlt, als würde man mit B-Ware abgespeist werden. Das einzige Manko ist, das zwischen den knapp 50 Kapiteln jedes Mal eine kurze Sequenz abgespielt wird, die mit einem Bogy Track unterlegt ist. Das wird selbst bei gefestigten Curse-Fans dafür sorgen, dass sie spätestens nach dem 20. Kapitel "Diese Stadt ist unantastbar, Hustler machen hier Zaster“ mitgrummeln.

Inhaltlich steht das solide Fanmaterial im Vordergrund, als NMK– oder Bogy-Fan dürfte allerdings nur wenig Überraschendes dabei sein. Überrascht werden hier vielmehr alle Straßenrap-Hasser, die Gangstarap mit Testosteron voll gepumpten Analphabeten assoziieren. MC Bogy zeigt sich selbstkritisch, feilt unermüdlich an seinen technischen Möglichkeiten und ist wirklich darum bemüht, seiner Art von Gangstarap die nötige Authentizität zu verleihen.

Und mit Testosteron voll gepumpt ist er natürlich auch.