Okay, folgende Situation: Der Chef der Softwarefirma kommt herein zum Meeting, knallt eine Akte auf den Tisch mit der Bilanz des letzten Jahres und schaut verärgert in die Gesichter der vor Angst zitternden Programmierer. Es müssen neue Ideen her, etwas, das noch nie jemand gemacht hat! Schüchtern, in der letzten Reihe, hebt einer den Arm und sagt: Warum machen wir denn nicht ein Rennspiel, kombiniert mit einem Prügelspiel? So oder so ähnlich müssen die Arbeiten zu Microids neuestem Game angefangen haben. Nun, was dabei rausgekommen ist, war wirklich in dieser Form noch nicht da: Als wackerer Römer, Grieche, Kelte oder Ägypter sitzt ihr an den Zügeln eines von 21 Streitwagen und versucht, eure Gegner entweder per Waffengewalt und Zaubern zu… naja, töten halt, oder aber, ihr versucht euch mit den übrigens unterschiedlich starken Pferd-Wagen-Reifen Kombinationen legal an die Spitze zu setzen. Wobei es hier beim Versuchen bleibt, denn die rohe Gewalt ist wie so oft effektiver. Genug Sozialkritik, kritisier ich mal lieber das Spiel.
Das erste, was auffällt, bevor man einmal ein Pferd geschweige denn einen Römer gesehen hat, ist die feine 60Hz-Anpassung seitens Microids. Voller Freude stürzt man sich also auf das erste schnelle Arcaderennen. Man wählt sich einen Fahrer aus, wobei alle Fahrer aufgrund von Statur und Vorgeschichte anders mit ihren Wagen umgehen können, dann einen beliebigen Kurs gewonnen und gebannt auf den Start des Rennens gewartet. Und spätestens jetzt ist die erste Enttäuschung sichtbar. Die Streckengrafik ist wahrlich recht arm ausgefallen (im Gegensatz zur Umgebungsgrafik, die nicht mit schönen Sonnenuntergänge und ähnlichem geizt), und kann sich meines Erachtens nur selten von den grafisch besten PS1-Spielen absetzen. Insgesamt wirkt alles zu klobig und nur aus Blöcken gefertigt, irgendwie konnte mein Auge nicht eine Kurve geschweige denn irgendetwas Rundes sehen (Hey – sogar die Kurven sind nicht rund…) Okay, die Animationen der Fahrer sind ganz gut…
Naja, gerade Rennspiele leben und sterben mit ihrer Steuerung. Beispiel Colin McRae 3: Die Autos haben verschiedene Kollisionszonen, die Fahrphysik wurde mit Rallyefahrern zusammen entwickelt.
Ben Hur: Okay, ich gebe zu, dass ich auch keinen noch aktiven Streitwagenrennfahrer kenne, aber drehen sich Streitwagen wirklich abrupt in die entgegengesetzte Richtung, sobald man eine Mauer berührt?? Kein Wunder, dass die Römer so kläglich untergegangen sind…
Jetzt mal ehrlich, die Kollisionsabfrage ist schon ne Frechheit.Wenn man eine Kurve auch nur ein wenig an der Innenecke streift, dreht man sich unwillkürlich in die entgegengesetzte Richtung und kann, wenn man das Pech hat, nicht wieder automatisch gedreht zu werden, wertvolle Sekunden damit vergeuden zu wenden. Komischerweise passiert fast das Gleiche, wenn man einen gegnerischen Wagen berührt, nur dass man dann einfach direkt stehen bleibt anstatt sich auch noch zu drehen. Vor allem in der letzten Runde mit einer Zeit von 6 Minuten (die Kurse sind alle extrem lang) sich auf den ersten Platz vorgekämpft zu haben, nur um dann Angstattacken zu erleiden beim Gedanken an die letzte Kurve, weil man es schon 4 Mal versucht hat und immer wieder an einer Kurve scheiterte…
Wichtiger Punkt im Spiel und bis jetzt noch gar nicht richtig erwähnt sind die vielen verschiedenen Waffen und Zauber, mit denen ihr eure Gegner zu Otternasen verarbeiten könnt. Da gibt es alles, was das altertümliche Herz begehrt: Äxte, Schwerter, Piken, Wurfspeere, Flammenschwerter, Speed Ups etc. Mit Schilden, die einen vor gegnerischen Attacken schützen, macht das dann Summa Summarum 28 Waffen sowie 64 verschiedene (Verschieden? Ist eher so wie mit Bonuskostümen, andere Farbe, gleicher Inhalt) Zaubersprüche. All diese müsst ihr jedoch erstmal bei eurem Local Dealer vor den Rennen für bare Münze kaufen, genauso wie die verschiedenen Pferderassen, einen der 21 Streitwagen sowie eines von vielen, vielen Rädern. Also an „Tuning“-Optionen und Masse fehlt es dem ganzen Spiel sicher nicht, nur hätten diese tollen Sachen auch toll umgesetzt werden sollen. Die Kämpfe steuern sich wie eine Mumie auf Downern, halt viel zu langsam für das an sich schnelle Renngeschehen. Zwar wird nur mit jeweils einer Taste geschlagen/gezaubert/geblockt, die Aktionen selber sind aber dermaßen träge, dass die Gegener eher an Altersschwäche als an unserem Schwerthieb dahinsiechen. Zu allem Überfluss blendet das Spiel, wenn es eine Kampfsituation erkennt (wenn zwei Streitwagen sich nahe kommen, wobei das eigentlich recht willkürlich entschieden wird und man sowieso die ganze Zeit schlagen kann) ein dickes fettes FIGHT ein, verlangsamt den Wagen (ja, alle anderen ziehen an einem vorbei..), und man kann sich nicht dagegen wehren. Man kann noch nicht einmal Wegfahren vom Gegner, zumindest klappt das fast nie. Und so wird man dann auch gerne mal in einen Kampf gegen einen Überrundeten verwickelt, obwohl ihr Erster seid und dann alle Verfolger an euch vorbeiziehen, weil ihr fast stillsteht..
Der Karrieremodus ist mit Sicherheit das Interressanteste am ganzen Spiel: Hier durchlebt ihr die gesamt Laufbahn eines Rennfahrers und müsst euch zu Anfang erst mal das Kapital zusammensparen, um an eine der besseren Waffen oder an ein Tier heranzukommen, was den Namen Pferd eher verdient als die zwei Ackergäule, die ihr anfangs vor eurem Ochsenkarren habt. Macht euch auf jeden Fall auf einiges gefasst, der Schwierigkeitsgrad liegt auch hier aufgrund oben genannter Schönheitsfehler sehr hoch (nein, ich bin nicht zu schlecht, ich sage nur: Fürchte die Mauern…
Alles in allem: Ähem… Finger weg. Es gibt wirklich tausend bessere Rennspiele, die NICHT so schweineunfair sind. Wer unbedingt das authentische Gladiatorfeeling haben will, sollte sich lieber nackt in den Zoo stellen, auf dieses Spiel kann er wirklich verzichten.Pro:
– Umgebungsgrafik der Strecken zum Teil exzellent
– Viele unterschiedliche Fahrer, Streitwagen, Waffen, Räder, Pferde und Zauber
– Gut gemachter Karrieremodus
– Guter Sound und atmosphärisch passende (aber definitiv vom Gladiator-OST gebitete) Mucke
– Frisches Konzept
Contra:
– Kollisionsverhalten
– Die Streckengrafik und die Modelle (Charaktere und Pferde etc.) entsprechen nicht dem PS2-Standard
– Es ist übermässig schwer (aufgrund der spieltechnischen Mängel, nicht aufgrund der KI… die übrigens in der letzten Runde immer aufholt)
– Ben Hur kommt gar nicht im Spiel vor…
– Wer hat bitteschön auf ein Renn-Querstrich-Prügelspiel gewartet? Vor allem in Zeiten von DTM und Gran Turismo.
– Warum im Multiplayer kein Coop-Modus? Ein Spieler fährt, der andere prügelt auf die Gegner ein. Leider nur Standard-Versus-Modus..
Singleplayer: 2
Multiplayer: 2Developer: Microids
Publisher: Vivendi Universal Games
Spieler: 1-2
USK: 12 Jahre