Nach der gefühlt längsten Promphase, die Deutschrap je gesehen hat, veröffentlicht Fler nun sein zweites Frank White-Album innerhalb eines Jahres. „Weil die Straße nicht vergisst“ heißt es, wie jeder, der Internet hat, mitbekommen haben sollte – die Käuferschaft schätzt der Berliner im Gegensatz zur Street offenbar als recht vergesslich ein. Womit er vermutlich recht hat.
Bereits auf dem letzten Album „Keiner kommt klar mit mir“ hatte Fler sich auf seine Wurzeln besonnen und dem klassischen Berlin Rap mit Straßenattitüde zu einer Wiederauferstehung verholfen. Es ist dasselbe Konzept, das auch sein CCN-Partner Bushido seit „Sonny Black“ verfolgt. Während der dritte Aggro-Kollege Sido sich nun endgültig dem oberflächlichen Pop verschrieben hat, haben die beiden Carlo-Cokxxxer eine Formel gefunden, wie man das Feeling von 2001 wieder zurückbringen kann. Düstere, weit besser als damals produzierte Beats treffen auf technisch ausgefeiltere Texte, die den Geist von früher atmen. Zwar muss man in Sachen juveniler Energie, Hunger und Wut ein paar Abstriche machen, die entstehende Lücke kann allerdings durch die größere Übersicht teilweise gefüllt werden.
Daran hat sich auf „Weil die Straße nicht vergisst“ nichts grundlegendes verändert. Fler bringt seinen Frank White nur noch etwas konsequenter auf den Punkt. Lyrisch spielt er auf „Weil die Straße nicht vergisst“ seine Stärken durchaus aus – wie er selbst offen zugibt, hat ihm dabei ein gewisser Laas Unltd. hier und da geholfen. Die Zeiten von gefühlt dreitausendmal wiederholten Phrasen als Hooks sind endgültig vorbei, die Trap-Anteile wurden stark minimiert. Dafür gibt es wieder das solide Reim-Handwerk, das man von Frank gewohnt ist und das weniger von unfassbar ausgefallenen Vergleichen oder Wortspielereien denn von einer gewissen Dreistigkeit lebt.
Große inhaltliche Überraschungen sind dabei erwartbarerweise nicht zu hören. Schüsse gegen die Ex-Maskulin-Signings Silla und Animus, die Banger um Farid, Kollegah oder Sido sind Standard, ebenso wie die Betonung des eigenen kriminellen Lebensstils, der Ablehnung des bürgerlichen Bildungsideals und einer stolz zur Schau getragenen Proleten-Haltung. Das gehört zum Programm, wird aber immerhin ohne hörbare Ermüdung des Protagonisten mit viel Überzeugung vorgetragen. Beim Rezensenten hingegen stellt sich angesichts der vielen Zitate und Anspielungen auf eigene Lines aus früheren Werken mitunter doch ein gewisser Ermüdungseffekt ein.
Richtige Akzente setzen vor allem die hochklassigen Beats. „CCN Kinder“ und „Alles was ich kenne“ sind tiefergelegte Trap-Geschosse vom feinsten, während „Schon von klein auf„, „Ich häng auf den Straßen ab“ oder „Zur selben Zeit“ den bewährten CCN-Sound auf 2015-Level bringen. Iad Aslan war eindeutig die richtige Wahl als Hauptproduzent (13 der 16 Beats stammen von ihm, die anderen drei sind von C-Wash).
Angesichts dieses dichten Soundteppichs, der im Vergleich zu vielen deutschen Alben auch gut abgemischt wurde, muss Fler nicht mehr allzu viel machen. Und das tut er wie gesagt auch nicht. Ein schmerzhaft persönlicher Song wie „Mama ist nicht stolz auf mich“ hätte dem Album sicher gut getan, so gibt es 50 Minuten lang den unbesiegbaren Frank White, der immer recht hat, Real Talk macht, mit dem Schwanz denkt und mit der Faust redet. Die klassische Berlin-Formel eben, ohne ironische Brechung oder allzuviel Selbstreflexion – den innovativeren Straßenrap macht man mittlerweile in Frankfurt, Bonn oder Hamburg. Spannend bleibt vor allem die Frage, ob sich Bushido und Fler beim nächsten Mal wieder zusammentun – und wenn ja, wie das dann klingt.