Interview mit Lena Stoehrfaktor: „Die kapitalistischen Strukturen kritisieren“

Lena Stoehrfaktor besetzt mit ihrem Rap ganz klar eine Nische. Sie und ihre Mitstreiter von Rauhfaser Records passen partout nicht ins derzeit gängige Schema F von Deutschrap. Politisch engagiert legt sie gerne den Finger in die Wunde – das tut oft weh, geht aber stets mit treffender Kritik einher, sei es an den herrschenden Zuständen oder kleinen Übeln. Das große Ganze und das vermeintlich unwichtige Kleine – hier rückt alles ins Visier. Lange galt es als ausgemacht, dass sich linker, politischer Rap per se scheiße anhören muss. Das ist längst nicht mehr so. Lena hat nicht nur eine Message, sondern auch Skills, Attitude und Flow. In einem interessanten Gespräch befragten wir sie zu ihrer Haltung, ihrer Positionierung in der Deutschrap-Szene und ihrem Leben mit und ohne Rap.

Ich hattte beim Hören von „Blei“ ein richtiges Retrofeeling. Es hat mich sehr an den alten Westberlin-Style erinnert – von der Attitüde.

Das kann sein, in dem Zeitraum habe ich auch angefangen, HipHop zu hören. Daher vielleicht die Ähnlichkeit. Bei dem Album habenAsi-Es und ich uns auch was überlegt. Als wir angefangen haben mit rappen, haben alles immer sehr direkt gesagt. Das wurde dann immer reflektierter. Dieses Mal haben wir uns gesagt, dass wir Bock haben, wieder Dinge direkt anzusprechen ohne zu überlegen. Bei den letzten Alben habe ich, wenn der Reim zu einfach war, nochmal überlegt, damit es nicht zu billig ist. Dieses Mal war es eher so, okay, ich nehme das, eher einfach runtergeschrieben.

Aber wenn du sagst, du hast so um 2000 angefangen, Rap zu hören, dann waren M.O.R. und Co sicher auf deinem Zettel?

Ja, das haben wir natürlich gehört, wie alle damals. Aber auch alle anderen Sachen, die es damals gab, Beginner, Freundeskreis, Creutzfeld Jakob.

Hast du den Westberliner Battlerap damals schon kritisch reflektiert?

Nee, ich fand das gut. Aber ein bisschen hat es mich schon gestört, aber eher so undefiniert. Ich habe schon gespürt, dass irgendwas nicht richtig ist, aber trotzdem fand ich die Energie und die Aggressivität gut. Manche Inhalte waren mir schon damals zu pervers, aber dass ich richtig reflektiert habe, dass das Sexismus ist, habe ich erst später.

Wie kam das dann?

Mit 18, 19, als ich Leute kennengelernt habe, die sehr deutlich mit mir geredet haben. Wenn ich bestimmte Sachen gesagt habe, meinten die zu mir, nee, das ist nicht cool. Am Anfang habe ich es verteidigt, und dann nochmal, und nochmal. Aber irgendwann kommt der Punkt – ich wurde immer widerlegt, mit Argumenten, irgendwann konnte ich darauf nichts mehr sagen. Und irgendwann habe ich es verstanden. Die haben einfach recht, es ist einfach nicht cool, dass zu sagen. Auch wenn etwas witzig formuliert ist und man drüber lachen muss – es ist einfach nicht korrekt, so über andere Leute zu sprechen.

Verstehe, also wurdest du durch Argumente überzeugt.

Ja, ich hatte zum Beispiel auch einen Kumpel, der Spastiker war. Und immer, wenn wir „du Spast“ gesagt haben, meinte er, nee, das finde ich scheiße. Wir waren dann immer so: wir meinen das doch nicht so, das ist doch nur im übertragenen Sinne. Er meinte dann aber, es fühlt sich für ihn trotzdem scheiße an. Und irgendwann habe ich es auch gecheckt.