Vermutlich kennen die meisten Ercandize heute von seiner Zeit bei der Optik-Army. Doch die Vorgeschichte des Mannes aus dem Pott reicht noch viel weiter zurück. Als Teil der ABS-Crew schrieb er bereits zur Jahrtausendwende Rapgeschichte, mit Acts Creutzfeld & Jakob, Too Strong oder RAG prägte man seinerzeit den klassischen Ruhrgebiets-Stil, trocken, souverän, durchdacht. Nach der Auflösung von Optik Records war es ein paar Jahre lang still geworden um Erc. Doch die Schonzeit ist vorbei. Mit einem "Uppercut" (VÖ 1. Juni) meldet sich der Ex-Optik-Leutnant wieder an Bord zurück – und offenbar hat sich einiges bei ihm angestaut. Aber das soll er am besten selbst erzählen.
rap.de: Nach ca. viereinhalb Jahren Sendepause bist du wieder zurück. Was ist alles in der Zwischenzeit passiert?
Ercandize: Im Grunde habe ich mich dazu durchgerungen, selbst wieder an den Start zu gehen und das Rapding bzw. meine Rapkarriere wieder in die Hand zu nehmen und mit eigenen Werken um die ecke zu kommen. Ich hab in den letzten vier Jahren nicht stillgestanden, ich war immer am Ball, hab viel mitgekriegt und mich immer informiert. Und fleißig Texte geschrieben und Beats produziert. Das liegt halt in meiner Natur. Ich bin ein großer Freund von Features, aber jetzt ist es einfach wieder Zeit, mit etwas eigenem um die Ecke zu kommen. Und dafür bietet sich "Uppercut" perfekt an
rap.de: "Uppercut" ist ein straightes In-die-Fresse-Album. Du bist eigentlich eher für ruhigere, nachdenklichere Tracks bekannt.
Ercandize: Ja, auch. Aber schau mal, es wäre naiv jetzt zu denken, dass ich ein 18-Track-Album machen kann mit einem Song für die Freundin, einem Song für die Straßen und die Leute das sofort peilen, nachvollziehen und mich durchgehend auf dem Schirm haben. Das Album ist gerade in der Mische und wir haben viele gute Leute im Boot und alle, die daran mitarbeiten, verstehen ihr Handwerk. ich will mich nicht in fremde Gefilde wagen, sondern sondern ein erstes Statement setzen und sagen, hier bin ich, für auch die Leute, die erst seit vier Jahren oder so Rap hören, die die mich nur von alten Optik-Videos oder als Featuregast von Savas kennen. Ich will zeigen, hier, der bin ich. Ich bin ein battlelastiger Rapper und das schon seit ABS-Zeiten. Ich will den neueren Hörern zeigen, hier ist einer, der das Rapding beherrscht. Zu der sache mit den deeperen Songs: Man kennt mich auch von den deeperen Sachen, aber ich hab im Gegensatz zu anderen Rappern auch viel Gewicht in meinen Aussagen und man kauft mir das auch ab. Ich kann sowohl einen Battletrack machen, als auch einen tiefgründigen Song und die Leute kaufen mir das ab, weil ich kein Schauspieler bin. Viele Leute, die meine älteren Sachen kennen, möchten mich gerne in die deepe Ecke schieben, aber wenn man sich meine Releases anschaut, vom ABS-Album über "Verbrannte Erde" bis zu meinen ganzen Mixtapes, dann wird man schon sehen, dass ich eher der Rapsportler bin und viel battle.
rap.de: Hast du das neue Album nach viereinhalb Jahren Pause auch als Druckabbau genutzt?
Ercandize: Eine gute Frage, ich hatte teilweise wirklich das Gefühl. Ich bin ja in erster Linie auch Rapkonsument und ein Fan von Deutschrap – es gibt wirklich sehr viele Rapper in Deutschland, die ich feier und gerne höre. Und hier und da hab ich das Gefühl, ey krass, das hättst du genauso gut gerappt wie er oder das hättest du so krass nie hinbekommen und dann gab es auch eine gewisse Zeit bei mir, die ich durchgehend ohne was zu Schreiben verbracht habe. Dadurch, dass ich weniger Output hatte, bleibt schon mehr drin, was man dann kombinieren und zu Songs umsetzen kann. Gerade diese Mit-dem-Kopf-durch-die-Wand-Mentalität ist auf "Uppercut" teilweise schon auch Druckabbau, alles andere wäre gelogen.
rap.de: Im deutschen Rap gibt es momentan viel fröhlich-harmloseeres Zeug. Setzt du "Uppercut" bewusst dagegen und versuchst, dich mit deinem Release von dieser Sparte abzusetzen?
Ercandize: Was heißt bewusst dagegensetzen? Ich mach nix anderes als das, was ich früher auch schon gemacht habe. Meine Musik ist dokumentiert, jeder kann es sich bestellen und nachprüfen das ich mich nie dadurch ausgezeichnet habe, auf neue Trends aufzuspringen. Man würde es mir eh nicht abkaufen, wenn ich auf einmal wie ein Landstreicher aussehen würde wie Rockstah oder mir einen ungepflegten Bart wachsen würde wie Casper und dann auf Herzschmerz machen. Das ist nicht mein Film, das ist deren Film. Einen casper kauf ich das auch ab, dieses Schranzige. Es ist auch schön, dass er erfolgreich ist und dass Leute sowas hören, aber es ist eben nicht meins und hat mit dem Rap, den ich feier, sehr wenig zu tun. Die Leute bauen sich ein Image auf, ein schönes und positives. Aber auch wehleidiges und leicht suizidgefährdetes. (lacht) Aber das bin nicht ich, ich bin straight, geh gern nach vorne. ich brauch nur ein Mic in der Hand, einen DJ, der auflegt und ein Publikum, das mir zuhört, mehr brauch ich nicht. Ich will keine Bilder verkaufen. Caspers Hörerschaft sind Leute, die eher Angst vor mir hätten, obwohl ich gar kein Gangster bin, sondern einfach nur ich.