Ich war anfangs skeptisch, ob man den ursprünglichen Release stoppen sollte. Ebenfalls war ich skeptisch, ob man die "kritischen" Tracks herunternehmen sollte. Zu ausgeprägt ist mein Verständnis von Meinungsfreiheit. Allerdings haben KAAS, dem der Amoklauf von Winnenden wirklich persönlich nahe ging, und auch Chimperator alles richtig gemacht.
Zwar muss man nun auf das Gänsehautintro von Vasee und dem ursprünglich Titeltrack verzichten, aber das tut dem Album keinen Abbruch. Im Gegenteil. Ich kenne die ursprüngliche Amok Zahltag đ-Version und nachdem ich den Titeltrack nach einiger Zeit wieder gehört habe, war auch mir klar, warum der Track nicht erscheinen durfte. Aber was interessiert uns gestern. Heute ist T.A.F.K.A.Z. đ und "Amok Nachtrag" spricht Wahrheit! Wer den Track noch nicht gecheckt hat, möge am besten die Ausgabe #12 von Aggro TV checken. Oder noch besser: Das Album kaufen, das bietet nämlich von bunten Einhörnern über eine Liebeserklärung an die Welt an sich ("Wunderschöne Welt") bis hin zu tiefen Gefühlen alles, was man von einem Album erwarten kann. Produktionen von Tua und Dr. Christyle (Respekt!!!) inklusive!
Da wäre z.B. "Über Sie/An Dich", auf dem sich KAAS über ungewollte Schwangerschaft und Abtreibung Gedanken macht. Hatten wir dieses Thema nicht bereits bei Tua? Wer nun deepere Lines geschrieben hat, mögen die Internerds und Blogsportler klären, ich für meinen Teil hatte bei beiden Tunes einen Klos im Hals. Denselben hatte ich auch bei "Haruki", in dem K Doppel über ein Mädchen spricht, das zu früh gehen musste. Zwar wird die Krankheit nicht genauer erklärt, das braucht man aber auch nicht, wenn man den Schmerz des Vaters in jeder Zeile spürt. "Haruki" mündet direkt in das inhaltlich zumindest verwandte "Für Uwe". Letzterer weilt nun an einem besseren Ort und in der Erinnerung seiner Lieben, während KAAS Autotune für sich entdeckt.
Umso erstaunlicher ist, dass PiKAASo, trotz der schweren Kost, das Leben und die Menschen liebt. "Liebe deine Feinde und liebe dich selbst", dann darfst du mit KAAS feiern und mit Schneewitchen und Dornröschen tanzen, weil "des isch a richtig guats Fescht" und wer das nicht versteht, der möge mal in Reutlingen vorsprechen. Egal – "Das große Fest" ist eine Sause, endlich Weekend-Style und ob es am Genuss von Alokoholika oder sonstigen bewusstseinsverändernden Stoffen lag, sie endet irgendwo im Märchenwald, wo KAAS mit silbernen Drachen kämpft, nur um sich nach dem Kampf vor Ehrfurcht zu verbeugen – man kennt sich ja schließlich seit der Schulzeit. Zu Abstrakt? Zu kitschig? Ich bitte euch – wo ist eure Fantasie? Auch die Muttis von Gangster- und Streetrappern haben ihren Bengels Märchen vorgelesen. Warum also nicht direkt eine eigene Märchenwelt schaffen? The Lovemovementstyle. Apropos Lovemovementstyle:
"Ich bin so verliebt in mein Baby, denn sie ist so ein Sonnenschein" – Ufuk dürfte diesen "Sam Cooke und so" mit "Eeeeeeeekelhaft – Schnitt" beschreiben. Vielen anderen dürfte er ebenfalls ein Stück zu cheesy sein. Nicht verneinen kann man allerdings den ekelhaft guten Ohrwurmcharakter, inklusive "Gute Laune"-Garantie der Liebeserklärung an seine Herzensdame. Zumindest ist jeder, der in den letzten Wochen aus meinem Auto ausgestiegen ist, mit der Melodie auf den Lippen gegangen und dürfte zu Hause angekommen, seiner Lady wohl auch noch die Hook vorgeträllert haben. Ohrwurmcharakter haben auch "Geister der Liebe" – den Song darf ich als der Vater aller Ghostbuster sowieso nicht haten, allerdings muss ich das auch nicht. "Geister der Liebe" ist großes Champions-League-Finale und leider "nur" als Bonustrack zu finden. Anschließend ist Feierabend – nach 12 Skipstationen und viel zu kurzen 50 Minuten.
Der Vollständigkeit halber seien auch der "Ich hasse meinen Job"-Tune "Nichtsnutz 09" und "Straßenrap ist sexuell erregt dank" Kool Savas, der da ebenfalls drauf zu finden ist, erwähnt. Ob KAAS das Game verändern wird, wie es einst Savas tat? Hat er das nicht bereits?
Man möge mir hier "homeybusiness" vorwerfen. Allerdings wäre ich der erste gewesen, der KAAS von der Reutlinger Marienkirche getreten hätte, wenn dieses Album miserabel geworden wäre. Natürlich muss man sich als Hörer frei machen und die harten Jungs müssen sich locker machen. Natürlich mag "Sam Cooke und so" etwas zu klebrig sein und ich weiß, dass Rap und Einhörner bis dato keine engen Freunde waren. Aber abgesehen von der Laufzeit, die ich – auch wenn der Trend zu kürzeren Spielzeiten geht – definitiv zu kurz finde, habe ich an T.A.F.K.A.Z. đ meine erhebliche Freude und nicht wirklich viel zu mäkeln.