Da sind sie wieder, der Kannibalen in Zivil. Nach knapp zweijähriger Abstinenz melden sich die 4 Berliner mit einem neuen Mixtape zurück. Schon das Snippet ließ erahnen, dass man den vorher eingeschlagenen Weg von „Urlaub fürs Gehin“ und „Sexismus gegen Rechts“ nicht weiter geht, sondern abgedrehter, verrückter und wieder zu Werke geht, also mehr an die Releases von 2005 anknüpft. Schon das Intro macht deutlich: Das hier ist keine Musik für Weicheier, sondern Kopf-und-Hirn-aus-Mucke, die den Nachbarn stresst und Kinder zum Weinen bringt.
Mit „Ein Affe und ein Pferd“ geht es dann auch gleich richtig los. Auf einem abgedrehten Beat mit Pipi Langstrumpf-Sample rappen Tarek, Maxim und Nico wieder befreit auf und überschreiten mit K.I.Z.-typischen Humor ein ums andere Mal die vermeintliche Grenze des guten Geschmacks.
„Wir sind Taka-Tuka Ultras, scheißen auf Disneyland/ Ich trag die Nike Shox mit eingenähter Kinderhand/ In der Schule hatte ich eine 1 im Tiere quäl’n/ Nach meinem Uppercut kannst du dein Arsch schon im Spiegel seh’n.„
Simpel, provokant und schwarzhumorig – da kommt Freude auf. Das trifft im übrigen auf das gesamte Tape zu. Der als Video bereits vorab ausgekoppelte Track „Ich bin Adolf Hitler“ hat das ganze ja schon angedeutet, dabei ist der Track noch fast der harmloseste. Wenn man von harmlos überhaupt bei diesem Tape reden kann. Mit „Da geht was“ erwartet den geneigten Hörer und Hobby-Psychopathen der perfekte Feiertrack. Mit drückendem Beat und gekonnt eingesetztem Autotune-Part in der Hook wird der Track auf Live und auf Partys garantiert ohne Ende abreißen.
Mit „Ich steh auf Frauen (Ich schwör)“ gibt es dann auch sogleich den stärksten Track des Albums. Herrlich ironisch und 100% pro Hetero könnte der Track textlich auch ein wunderbares „Doitschland schafft sich ab“ Teil 2 bilden. So und nicht anders thematisiert man die immer noch grassierende Homophobie im Deutschrap. Witzig, unverkrampft, Spiegel vorhaltend. Was anschließend folgt, ist dann selbst für K.I.Z.-Verhältnisse absurd und geil durchgedreht. „Unfall auf der Achterbahn“ ist ein 1:44 Minuten verbaler Amoklauf, der an Verrücktheit kaum mehr zu toppen ist. Der Leierkastenbeat und die eintönige Vortragsweise gepaart mit Textzeilen wie „Unfall auf der Achterbahn/ Kinderarme kreuz und quer/ Ich denk mir nur man o man/ jetzt muss schnell ein Glühwein her/ Frag den Leierkastenmann/ ob er nen Dreier machen kann/ Er sagt ja, können wir machen/ Mit mir und dem Affen“ könnten manche schnell vor den Kopf stoßen. Sollen sie wohl auch.
Auf „Folla me“ gibt es dann sogar einen spanischen Part von Tarek und Niko packt wieder den alltbekannten und immer wieder amüsanten „Durch die Tür Geher„- Flow aus. Dabei passen sich die beiden perfekt an den treibenden Beat an und sorgend durch unterschiedlichen Stimmeinsatz und die ein oder andere lustige Floskel „Ich zeig dir gleich mal, wie ein Bier von außen schmeckt“ für ein weiteres Highlight auf ganz oben.
Das die Jungs gerne mal ihre sexuelle Identität spielen ist bekannt, mit „Ich könnte deine Mutter oder Schwester sein“ wird dem Gender-Gedanken dann endlich auch in Form eines Tracks gehuldigt. Gender-Mainstreaming? War gestern. Auch der Fledermausmann darf auf dem Mixtape einen Track abliefern. Leider einen Track, den man zum Teil schon kennt. „Fledermausmann Remix“ ist nämlich genau das, was der Titel besonders aufgeweckte Zeitgenossen bereits vermuten lässt: Ein Remix.
Klar gibt es auch ein paar Schwachstellen. Alles andere als Unterhaltsam ist etwa „Ficki Ficki„, der besonders durch seinen etwas anstrengenden Beat und den langweiligen Text auffällt – oder eben nicht auffällt. Und ob der extrem Antifa-lastige Bonustrack voller stumpfer antikapitalistischer Parolen, scheinbar ohne jede ironische Brechung, echt hätte sein müssen, sei dahingestellt. Aber das tut dem Vergnügen letztlich keinen Abbruch, der kleine Ausrutscher wird schnell wieder wettgemacht. Besonders, da nun der letzte Teil und vor allem beste Teil des Tapes angeführt wird. „Oskar, der Elefant“ ist ruhiger, fast schon melancholisch angehaucht und lässt den Hörer noch mal kurz durchatmen. Mit feinster Singstimme präsentiert Maxim, dass er nicht nur rappen kann, sondern auch ein gutes Händchen für Kinderlieder besitzt. Der Inhalt ist allerdings alles andere als kinderfreundlich.
Die beiden Tracks „Jimi Blue“ und „Verpisst euch aus Berlin“ liefert man gelungene Persiflagen des Zeitgeists ab. Zum einen eine ironische Lobeshymne auf den Ochsenknecht-Balg, der als Liverversion beim Soundclash gegen Kraftklub letzten Dezember allerdings um einiges druckvoller und aggressiver rüberkam. Und zum anderen mit der Antwort auf den Kraftklub-Hit „Ich will nicht nach Berlin„, in dem die kleinbürgerlich-spießige Dimension des Lokalpatriotismus durchaus treffend auf den Punkt gebracht wird. Leider ist der Track mit einer Spielzeit von 1:45 Minuten doch arg kurz geraten.
Mit „Stirb wenn du kannst“ erreichen wir dann auch schon das Ende dieses abgedrehten, schwarzhumorigen und durchgeknallten Stücks Musiks und bekommen noch mal ein kleines Paradestück der vermeintlichen Ignoranz, mit der die Jungs mehr als gesegnet sind. Das hier ist feinste Amokläufer-Mukke, Käfern die Beine ausreißen-Mukke, Mit den Kumpels in den Puff gehen und die eigene Mutter treffen-Mucke. Keine Grenzen. Kein Vergeben, kein Vergessen. Und ganz bestimmt kein hundertmal durchgekauter Scheiß.