Ich gestehe es: Als ich das neue Album von Alligatoah endlich vor mir hatte, spürte ich noch vor dem Durchhören ein mulmiges Gefühl in meinem Bauch. Sein letztes Album „Triebwerke“ hatte mich enttäuscht. Ich konnte mich einfach nicht damit abfinden, dass mein guter, alter, kritischer Terrorist Kalliba 69 auf einmal massen- und radiotaugliche Tracks über die Liebe macht – wenn auch mit doppeltem Boden.
Auf „Musik ist keine Lösung“ ist davon zum Glück wenig zu hören. Alligatoah fährt auf seinem vierten Solo-Album wieder härtere Geschütze auf und das steht ihm deutlich besser. Themen wie die durch die Menschheit verursachte Umweltverschmutzung oder Stars, die versuchen ihr Image verzweifelt und zynisch zugleich mit Charity-Aktionen aufzupolieren schafft der Trailerpark-Künstler sehr gelungen charmant, intelligent und sarkastisch in seine Lieder zu verpacken.
Auf „Teamgeist“ versetzt sich das Lyrische Ich in die Führungsposition von verschiedenen Gruppen. „Du kommst mit Leine und Hund, dann bist du einer von uns, Mach den Hundegruß und verstärke den Gemeinschaftsverbund/ Schon Caesar hatte Hunde laut der Legenden, wir sind quasi seine Erben – Wir sind Herrchenmenschen“ Unschwer zu erkennen handelt es sich nicht um einen flachen Spaßtrack über Hunde, sondern um eine kritischen Abrechnung mit dem Faschismus.
Wie bereits von seinen früheren Werken gewohnt versetzt sich Alligatoah auf „Musik ist keine Lösung“ in verschiedene Rollen statt mit dem belehrend erhobenen Zeigefinger herumzufuchteln. Auch sich selbst nimmt er von seiner ätzenden Kritik nicht aus – besonders im Titeltrack, der den Abschluss des Albums bildet. Hier befasst sich der Trailerparker selbstkritisch mit seiner Protest-Attitüde und merkt an, John Lennon habe ja schon erfolglos Lieder gegen den Krieg geschrieben, seine Hörer stritten sich heute aber lieber darum, wer ihn länger kenne statt sich mit seinen Texten zu befassen. Ergo: „Musik ist keine Lösung“ .
Neben der Lyrik kann Alligatoah auch mit seinem musikalischen Schaffen überzeugen, denn neben Rap- hat er nach wie vor auch seine Gesangs-Skills im Petto. So gut wie jeder Song hat eine Hook mit Ohrwurm-Faktor. Das Schema wird nur durch den klassischen, trockeneren Rapsong „Das bedeutet Krieg“ mit dem einzigen Feature Morlockk Dilemma aufgebrochen:
„Neulich rief jemand auf der Street: Schnappt ihn euch den Dieb/
alle rasten aus und zappeln wie ein Lachs am Räucherspieß/
sie holen Hubschrauber, denn der Handtaschenräuber flieht/
und ich verpass das Deutschland Spiel – Das bedeutet Krieg“
…ein kleiner Auschnitt aus einer nicht enden wollenden Reimkette.
„Musik ist keine Lösung“ überzeugt im Gegensatz zum Vorgänger wieder in vielen Punkten. Starke Texte, gelungene und abwechslungsreiche Delivery und sarkastisch und intelligent verpackte Themen, die sich kritisch mit der Gesellschaft und der Kunstfigur selbst auseinandersetzen. Bisher das stärkste Werk aus dem Trailerpark-Haus. Musik ist vielleicht keine Lösung – keine Musik aber definitiv auch nicht.