Das erste ist Rap mit stark hessischem Akzent. Ich weiß, dass sich viel vom Hessisch babbeln und hessischen Slangausdrücken tatsächlich in den Sprachgebrauch von deutschem Rap geschlichen haben, trotzdem habe ich immer so ein bisschen Berührungsängste, wenn ich einen der Kollegen mit dem notorischen "Gude“ am Telefon oder im CD Player liegen habe. Schön aber, dass mir Mädness diese Angst nehmen kann und das auch noch mit der vollen Breitseite "Gude“, das als Bonustrack und Liveversion auf diesem Album ist und dem einen oder anderen vielleicht schon ein Begriff sein könnte.
Das andere ist der typische Anfängerfehler, 17 Tracks und zwar "full length tracks“ auf ein Album zu packen. Das ist meiner Meinung nach einfach vier bis fünf Tracks zu viel und auch hier hätte sich der ein oder andere Song durchaus besser als Myspace-Jamba-odersonstwas-Exclusive gemacht und nicht weil da der eine oder andere Track zu schlecht wäre, sondern weil eben alle 17 von guter bis sehr guter Qualität sind und so etwas einen einfach erschlägt. Verständlich?
Fangen wir andersherum an. Mädness ist ein Rapper, der wirklich hervorragend rappen kann, sprich er versteht es mit Flow, Tempo, Betonung und Reimstruktur so perfekt umzugehen, dass er eine unterhaltsame und hochwertige Extra-Rhythmusspur auf den Beat legt. Sozusagen, selbst, wenn ich kein Wort verstehe, was beim Hessichen ab und zu sogar der Fall ist, kommt das Ganze sehr gut rüber. Knallt.
Das Besondere an Mädness ist, dass er bei all dem Silbengewitter auch noch etwas erzählt. Mädness ist neben aller Technikverliebtheit auch noch ein genialer Storyteller, der mit ein zwei skizzierten Strichen, ganze Szenerien erschafft. Mit anderen Worten: Der komplette MC.
Warum ist uns dieses Wunderkind denn nicht schon früher aufgefallen. Warum finden wir ihn dann nicht auf der Bestenliste der deutschen MCs. Meiner Meinung nach, weil er ähnlich wie Olli Banjo, der übrigens auch auf dem Album gefeatured ist, eine gewisse Abschlussschwäche vor dem Tor anhaftet. Sprich, die große Hook. Der allumfassende Song, der ein Album wie "Zuckerbrot Und Peitsche" nach vorne treiben würde, dorthin, wo es vielleicht tatsächlich hingehört, in die Top Platzierungen der Charts. Dieser Song fehlt dem Album und auch wenn "Cool“ zum Beispiel sehr cool war, dann war es eben auf der anderen Seite auch nur cool.
Das ist bedauerlich denn so werden die meisten der kleinen Perlen auf Zuckerbrot und Peitsche wohl von den meisten unentdeckt bleiben. Als da wären "Querfeldein“ mit der Zeile "Früher hab ich aus meinem Leben nichts gemacht/jeden Tag gehatet, wie viele mich heut, weil ich was mach/ Irgendwann nahm ich mir einfach statt nem Paper mal ein Blatt und seitdem bring ich, den Kaff-Flavour in die Stadt“ oder das etwas eklige "Schurz", in der Frauen auftauchen, die das tun, was Frauen nie tun, sie lassen einen "Schurz“, was die unglückselige Verbindung aus Scheiße mit einem Furz ist.
Unentdeckt leider auch der Weltklasse-Song "Schöne Menschen“ featuring Morlockk Dilemma in dem es um Menschen geht, die übers Wochenende mal nach London fliegen und …well… wie heißt diese Wort noch mal auf Deutsch? Ach ja, die können dann kein german mehr sprecken. So ganz andere Kreise halt. Das ist wirklich weltklasse genauso wie "Sucht“, wo es einfache aber bitter heißt: "Früher war das alles noch cool/ heute ist die Hälfte von den Coolen aus Entzug.“ Word.
Die Beats von Kollege Schnürschuh, Dirty Dasmo, Stützpunkt.643, und Rocko rumpeln und knarzen, bollern, fauchen und kreischen. Das geht auf jeden Fall gut nach vorne und hört sich durchaus der Zukunft zugewandt an und eines hat ein Album mit 17 Songs auf der anderen Seite wiederum für sich. Man hat auf jeden Fall lange was zu entdecken.
Hoffen wir mal, dass noch genügend Leute zu dieser Aufmerksamkeitsleistung imstande sind. Steht auf, wenn ihr Rap noch mögt. Steht auf und kauft!