„Ausnahmekünstler“ ist ein großes Wort. Ein großes Wort, mit dem die HipHop-Journaille dennoch geradezu inflationär um sich wirft. Es gibt allerdings einen, den man unstreitbar als solchen bezeichnen kann: Cr7z, der seine Rolle als Ausnahmekünstler mit dem neuen Album „Sieben Weltmeere“ wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt. Wie schwerelos die gleitet die kraftvolle Stimme des Rosenheimers über jeden Beat und stellt die verworrene, einzigartige Reimtechnik noch in den Schatten der kompromisslos ehrlichen Texte, die in ihrer Vielschichtigkeit durch die ergreifende Wortwahl zum leben erwachen. Das war ein Versuch, Cr7zs Musik in einem Satz zusammenzufassen – ein unmögliches, vielleicht auch anmaßendes Unterfangen. „Sieben Weltmeere“ mit Worten gerecht zu werden, ist ohnehin ein Kampf gegen Windmühlen – zu eigen und doch auf seine Weise griffig ist der Stil, den Cr7z sich in seiner 15-Jährigen Laufbahn angeeignet hat. Also auf in die Schlacht!
Ein Ausnahmekünstler mit eigenem Stil also? Das klingt, als wäre es Geschmackssache, oder zumindest gewöhnungsbedürftig. Ist es aber nicht. Cr7z durch und durch ein MC, nur eben komplexer, als man es gewohnt ist. Ob er nun auf „Zurück an den Anfang“ mit Xavier Naidoo in Impressionen die Grauen des Krieges, den Niedergang und daraus resultierenden Neuanfang unserer Welt schildert und dabei die Brücke zum inneren Krieg eines jeden schlägt, oder auf „Im Sog“ mit spielerischer Leichtigkeit Rapszene und Industrie Beine macht – Cr7z flowt die Scheiße aus jedem Beat, den man ihm vorsetzt – ohne gegen ihn anzukämpfen. Er geht eine Symbiose ein. Dabei ist ihm auch die komplexe Reimtechnik zuträglich, die vollständig auf die Phonetik ausgelegt ist, statt auf dem Papier mit möglichst vielen Reimsilben beeindrucken zu wollen.
„Ist immer der Sinn der selbe, wenn ich die selben Silben verwende? Das definitiv nicht, bitte verbesser mich – aber erst wenn du ohne die Worte „du“ und „ich“ zurecht kommst, da die bereits in einigen deiner Tracks existent sind“ („Im Sog“)
Liest sich komisch, klingt aber unfassbar fresh. Das war jetzt auch genug des analytischen, mit einer Detail-Analyse wird man „Sieben Weltmeere“ nicht gerecht, denn, wie das gesamte Schaffen des 58Muzik-Künstlers, ist das Album sehr gefühlsbetont. Das sindviele Werke – so packend ist aber kaum eines. Jedes Wort wiegt schwer, jedes Wort klingt von Grund auf ehrlich, jedes Wort scheint bedeutsam für Cr7z selbst. „Es war so schön und ich fürchte mich vor dem Alter“ – ich bin absolut kein gefühlsduseliger Mensch, ganz im Gegenteil. Doch mit solchen Sätzen schnürt Cr7z mir die Kehle zu – nicht weil dieser einzelne Satz so poetisch ist, es ist ein Satz im Gesamtgebilde, es ist Cr7zs emotionale, authentische Vortragsweise, es ist die unverhohlene Intimität, die er mit jedem einzelnen Hörer teilt. So viel Gefühl passt kaum in eine Booth – Cr7z scheint sich bei jedem Song in eine Situation hineinzuversetzen, so authentisch, dass eben jeder Song so intensiv und packend, wie überhaupt möglich wird.
Dennoch: „Sieben Weltmeere“ ist weniger persönlich, als es das Debüt „An7ma“ war. Außerdem ist es konfuser, selten gibt es nur ein Thema pro Song. Konfus heißt in diesem Fall aber nicht unschlüssig, die Songs sind einfach komplexer und vielseitiger. Alles zu dechiffrieren wäre ein Mammutprojekt. Cr7z schlägt elegante Haken, etwa auf „Bis auf den Grund des Ozeans“, wenn er beginnt über Leben, Tod und Reinkarnation zu philosophieren, um einen Bogen zu gefühlskaltem Fakerap zu ziehen, der ihn zur ungerechten Verteilung der Güter und dem Welthunger führt. Klingt verrückt? Ist es gewissermaßen auch, doch die Gedankengänge sind stets nachvollziehbar verwoben und fällt erst auf, wenn man zurückdenkt und merkt, dass es doch vor acht Zeilen noch um Kritik an Verschwörungstheorien ging, während er plötzlich eine Person mit Suizidgedanken ermutigend anspricht. Das ist dieses Prinzip, das man aus längeren Gesprächen kennt, die sich flüssig von Thema zu Thema bewegen, so dass ein Gespräch über Eminems Reimtechnik irgendwann bei Winterreifen, Kängurus oder Nine-Eleven landet.
Im Kontrast dazu steht die homogene Instrumentalisierung, für deren Großteil 58-Haus- und Hofproduzent DJ Eule sich hinter die Maschinen gesetzt hat. Die sind zwar ebenfalls sehr komplex und facettenreich aufgebaut, machen „Sieben Weltmeere“ aber auch zu dem in sich geschlossenen Album, das es ist. Die glasklaren, detailverliebt ausproduzierten Beats flirren mal bunt umher, mal legen sie sich wie ein düsterer Nebel über Cr7zs Raps, mal zucken sie nervös, mal wabern sie sanft umher. Sie bieten Cr7z aber keine Bühne, sie werden ein Teil von ihm. Er rappt nicht über die Instrumentale, sondern verschmilzt mit ihnen. An dieser Stelle sollte man anmerken, dass Cr7z Synästhetiker ist, die Musik also nicht nur hört, sondern auch mit anderen Sinnen wahrnimmt (für mehr Infos – Google oder unser bald erscheinendes Interview).
Das schlägt sich in der Musik hörbar nieder – Cr7z betont geradlinig, aber doch stets variabel. Er flowt genau so, wie der Beat es anbietet, nie aber, wie er es diktiert. Es ist schwer, „Sieben Weltmeere“ zu beschreiben, ohne in Phrasendrescherei zu verfallen, aber: Es nimmt einen mit auf eine Reise. Es nimmt einen mit auf eine Gefühlsachterbahn. Im Gegensatz zu dieser Review schlägt das Album aber zu keiner Zeit in Kitsch um – Cr7z schafft es, intime Gefühle entwaffnend ehrlich und unpeinlich offenzulegen. Es nimmt einen mit ins tiefste Innere des Protagonisten. Das sind Phrasen, aber wer das Album gehört hat, muss an dieser Stelle einfach mal Phrasen Phrasen sein lassen und beipflichten. Ein Meilenstein von einem Ausnahmekünstler.