Auf „Aus dem Schoß der Psychose“ forderte Lakmann noch: „runter von meinem Thron!“. Doch der selbstgekrönte König entsagt der Monarchie und schart seine Getreuen Al Kareem, Magic Mess und Beatnerd Rooq um sich, um zu einem fortschrittlicheren politischen System überzugehen. Zum zweiten Mal findet sich der Senat der Unberührbaren zusammen, um die „Republic of Untouchable“ auszurufen.
Die Republik hat das Zeug zur Weltmacht. Jede Feinschraube ist richtig justiert. Die Beats, die allesamt aus Rooqs Maschinen stammen, ballern dermaßen, dass eifrigen Kopfnickern ein Schleudertraume vorprogrammiert ist. Derart starke klassische Sample-BummTschack-Produktionen hat mein hierzulande lange nicht mehr gehört. Die durchweg monumental-bedrohlichen Samples sind abwechslungsreich und mit sicherem Händchen geflippt, zusammenhängend gepickt und verleihen dem Album einen einheitlichen, aber nie repetitiven Sound. Dröhnende Basslines rollen mächtig umher und treiben die Beats an, die Kicks wummern wuchtig durch den Gehörgang, die Snares zwiebeln wie ein Peitschenhieb. All das klingt aber zu keiner Zeit altbacken. Statt anachronistischer Staubfänger-Beats verdienen Rooqs Produktionen sich hier klar das begehrte Prädikat: Zeitlos.
Auch das Trio, das sich hinterm Mic einfindet, verschließt sich aktuellen Hypes, ohne dabei in irgendeiner Weise borniert zu wirken. Es geht einfach um krassen Rap. Und der wird geliefert. Lakmann, Kareem und Mess flowen um die Wette, dass einem Hören und Sehen vergeht. Okay, eigentlich vergeht einem nichts, sondern man hört angespannt zu. Ohne Doubletime-Gewichse oder gebitete Flowpattern wird jeder der Midtempo Beatteppiche von vorne bis hinten zerstückelt. Das passiert aber ohne prolliges Doubletime-Gewichse oder übermütige Chopping-Eskalationen – bei Witten Untouchable funktioniert alles über Timing und Switches. Eine gut gesetzte Pause steigert die Spannung im Flow ins unermessliche, plötzlich wird vollkommen unvorhergesehen der Flow gewechselt, die Spannung wieder aufgefangen, ein ganz neuer Aufbau begonnen. Ganz großes Kino, was da passiert. Besonders bei Kareem lässt sich dieses Prinzip gut beobachten. Mit reduzierten Mitteln erreicht man eben manchmal die durchschlagendste Wirkung.
Wie gewohnt dreht es sich dabei textlich in erster Linie um die eigene Reputation, den Status Quo im deutschen Rap (der selbstverständlich als furchtbar wack empfunden wird) und Punchlines gegen imaginäre Gegner. Man baut also aufs eigene Spezialgebiet. Leider wird dabei oft auf behelfsmäßige Wie-Vergleiche zurückgegriffen. So kommen zwar starke Flows und komplexe Reimketten zusammen, aber einen faden Nachgeschmack hinterlassen einige Zeilen leider. Natürlich gibt es da auch unterhaltsamere, etwa „Die Konkurrenz geht den Bach runter, wie Groupies im 18ten Jahrhundert“ – aber wenige Take zuvor hieß es eben auch „Wir liefern Killershit wie Michael Myers beim Scheißen“. Viele Punchlines wirken behelfsmäßig und dienen eher als Mittel zum Zweck. Viel unterhaltsamer wird es, wenn sich von derartigen Strukturen entfernt wird und Bars wie „Nächsten Tag ich steige aus dem Bett und schleich mich weg / Sie sagt musst du schon los Kareem ich sage Mess ich heiße Mess“ zustande kommen.
Gegen Ende geht es ohnehin etwas gehaltvoller zu. Da wird auf „Wenn ich fall'“ schon mal die eigene Psyche zum Thema, auf Punchlines wird dann weitgehend verzichtet. Das ist aber eher der Bruchteil des 16 Anspielstationen umfassenden Albums, das die gesamte Spieldauer bei Stange hält. Bis auf das Übermaß an Vergleichen und Filler-Lines gibt es an „Republic of Untouchable“ absolut nichts zu meckern – dafür bleibt der Mund das ein oder andere Mal offen stehen, wenn wieder eine völlig unberechenbare Flowpassage über einem brutalen Beatbrett umherfegt. Und das passiert oft.