Eine EP? Was ich hier vor mir habe, ist ein achtteiliger Audio-Softporno. Yenjunge aka Sexy Ice in Zukunft John on a Mission und Faileezy haben gemeinsam einige sexuelle Praktiken vertont. Die Atmosphäre ist angemessen schummrig: Sexy Ice haucht seine sinnlichen Texte über ein dunstiges Soundgewebe.
Die „YouPorn EP“ ist ein unverblümtes Sextagebuch und nimmt einen auf eine verwegene Reise in feuchte Träume mit und stößt dabei gewiss an Grenzen, unseres doch noch vergleichsweise prüden Selbstverständnis. Blowjobs, Analsex, Nacktfotos und homosexuelle Fantasien füllen die EP thematisch aus.
Deutschrap und Sextalk ist nichts Neues? Stimmt. Ihren Charme gewinnt die Platte aber dadurch, dass es nicht die selben alten Floskeln sind, von Mädels die „doggy“ genommen werden oder dem Besuch bei der Prostituierten. Stattdessen werden die intimen Momente zwischen zwei Menschen beleuchtet, wie der, in dem man den PArtner bittet, die Hose zu öffnen („Verliebt“) oder der, in dem man der Angebeteten den Mund abwischt („Blas 1“). Damit arrangiert Sexy Ice seinen Dirtytalk sensibel und ohne hohles Machogehabe.
An vielen Stellen dieses musikalischen Gürtelinienlimbo muss ich grinsen, nachdem ich es geschafft habe, mich auf diesen wolkigen R’n’B-Rap einzulassen. Sexy Ice trinkt „Viagra Piñata“ und Mädels sind „Süß wie ein Hamster und schenken ihm ihre Tangas“ außerdem bekommt die Angebetete vom ihm „eine Rose bei Knuddels“. Mit Humor und Charme werde ich von Sexy eingelullt und ausgezogen. „M oder W – sag, bist du erregt“ – herrlich.
Alles ist hier wie aus einem Guss, weder melodisch, harmonisch noch thematisch gibt es Ausreißer. Der dogmatischen Rapfan stößt sich eventuell an den mehr gesungenen, als gerappten Lyrics. Zwar ist Sexy Ice „kein Mann zum streicheln“, aber wohl eher ein sanfter Typ – es gibt keinen harten Rap, keine alles zerberstenden Punchlines. Die Stärke dieses Rappers liegt definitiv darin, der deutschen Sprache gebührend Geltung zu verleihen und bei den ganzen Schweinereien gute Manieren groß zu schreiben:„Sei doch nicht so streng zu dir selbst“ und „Du darfst alles sagen, aber mit vollem Mund spricht man nicht“ – so der Artist in dem Track „Blas 1“.
Die Beats und Produktion dieser dreckigen, aber stilvollen Fantasien sind von dem jungen Künstler Faileezy. Die ebenso kitschigen wie atmosphärischen Sounds, die über den 808 Hats und Claps liegen, unterstreichen die Skurrilität des ganzen Konzepts wunderbar. Ob tagsüber oder mitten in der Nacht – gevögelt wird immer, aber bei erotischer Stimmung kommt den meisten wohl eher ein nächtliches Szenario in den Kopf. Genau dieses Bild kreieren die nebulösen Harmonien von Faileezy. Die Musik zaubert ein galaktisches Nachtdunkel, wobei dem Hörer genug Raum für eigene Assoziationen bleibt.
Die Features geben der „YouPorn EP“ zusätzlich sexuellen Charakter: Jonas Platin, ÉsMaticx aka Mighty Marine und Juicy Gay geben unverblümte Sexstorys preis, wobei der Track mit Juicy Gay besonders provoziert. Zwei männliche Rapper die im Dialog miteinander über ihre sexuelle Zweisamkeit rappen – das gab es bis dato im Deutschrap nicht. Genau wie beim Fußball sind Schwule im Rap ein weiterhin totgeschwiegenes Tabuthema. Sexy Ice und Juicy tragen also einen wichtigen Teil zu mehr gesellschaftlicher Toleranz und Akzeptanz bei, wenn man so will. Der Titel „Jung Brutal Anal“ nimmt nebenbei den Zweiteiler „Jung Brutal Gutaussehend“ der Alpha-Kerle Farid Bang und Kollegah auf die Schippe. No homo. Pro homo. Alles Homo sapiens.
Jungs/innen (alles schön durchgendern s/o Jennifer Rostock), die auf harten Rap stehen, werden (oder haben, Twitter-Lingo) hier vielleicht nicht steif, aber alle die auf intimen R’n’B stehen, können sich das Projekt bedenkenlos zu Gemühte führen. Sexy Ice und Faileezy haben den Stand von Sexualität im Jahr 2016 dokumentiert, womit die EP fast schon als wissenschaftliche Arbeit durchgehen könnte.
Hier kannst du die „YouPorn EP“ kostenlos runterladen.