Review: Hiob & Pierre Sonality – Die Zampanos

„Wir streben nach Anerkennung, Relevanz und nach Ruhm. Und doch schreibt morgen bloß ein Praktikant die Review.“ Gut, dass Hiob und Pierre Sonality schon wissen, wie’s läuft. Aber vielleicht schaffen sie mit ihrem aktuellen Album „Die Zampanos“ den Sprung zum Schreibtisch des Chefredakteurs. Nun aber erstmal die Meinung eines Praktikanten.

Schon das Intro verdeutlicht, welches Bild das Tape „Die Zampanos“ akustisch malen wird: Hiob und Pierre Sonality bringen mit einem hohen Synthesizer-Einsatz den Funk zurück. Das aber natürlich nochmal auf eine eigene Art und Weise. So wie andere Funk-Ansätze kann das ja eh nicht werden, wenn man den markanten Flow, besonders den von Hiob, bedenkt. Wobei das natürlich nicht das erste Mal ist, dass man Hiob in so einem musikalischen Kontext hört, denn auf „Drama Konkret“ gab es auch schon so einige Ausflüge auf Beats mit akzentuiert gesetzten Instrumenten. Und auch Pierre Sonality produziert gerne solche musikalischen Ansätze, wie beispielsweise auf „Olvenstedt“ aus seiner „Magdeburg“-Triologie. Schließlich ist er ja auch ein Funkverteidiger.

Soweit also nichts wahnsinnig Neues, aber doch besonderes. Denn beide zeigen, dass man mit Musik gute Laune erzielen kann, und dabei nicht die Komplexität seiner Lyrics zurückschrauben muss. Sie sind immer noch anspruchsvoller als man es von anderen Sommerhits kennt. Aber anderes würde zu beiden auch nicht passen.

„HipHop am Kabelmic“ wird hier noch groß geschrieben, denn besonders der Track „Mofagang“ bringt einen auf die auditive Reise zu Zeiten von „Rappers Delight“ – vom Flow wie auch vom Beat her. Für die Instrumentals war übrigens von Anfang bis Ende Hieronymuz zuständig, das Produzenten-Alter Ego von Hiob selbst, welches auch schon zahlreich für die Hiob & Morlock Dilemma-Projekte Beats beigetragen hat. Während bei diesen Projekten Hiob vielleicht der für die Allgemeinheit Zugänglichere war, ist es hier wohl eher Pierre Sonality. Dieser bringt zwar einen ähnlich pointierten Flow wie Hiob, aber nochmal eine Nummer „schwächer“ – jedoch nicht negativ. Stattdessen sorgt dies für eine angenehme Vielseitigkeit. Ausnahme bildet da vielleicht der Song „Gläser hoch“, wo beide wahrscheinlich am ähnlichsten flowen. Hiob aber schafft es, seinen wiedererkennbaren Rap-Stil trotzdem noch weiter auszubauen und so auch für Abwechslungsreichtum zu sorgen. So passt er sich auf „Mofagang“ eben auch dem Ende Siebziger/Anfang Achtziger Sound an, bleibt aber als Hiob durch die spezielle Silben-Betonung erkennbar.

Die sommerlichen Beats scheinen fast wie eine Tarnung für die teilweise betrübenden Texte. Liest man sich beispielsweise die Lyrics von „Über uns“ durch, ohne den Beat im Hinterkopf zu haben, bekommt man einen differenzierten Eindruck vom Track. Die Bedeutung der Texte erkennt man natürlich auch beim Hören der Songs, allerdings bekommen sie durch die helle Atmosphäre einen anderen Beigeschmack. Aber wahrscheinlich macht gerade diese Tatsache das Album besonders und abwechslungsreich und sorgt dafür, dass man mit jedem Hören der Tracks Neues entdeckt.

Aber sie erzählen nicht nur über die negativen Seiten ihres Lebens, als Personen hinter Hiob und Pierre Sonality, sondern auch über das Leben der Zampanos. Ihr Luxus wird in „Ein Tag“ mit einem Augenzwinkern thematisiert. Dank des Instrumentals mit Stakkato-Kicks und langgezogenen Synthies fühlt man sich beim Hören des Songs auch, als wäre man auf dem Weg „von den Hochplateaus runter nach Florida“, mit nichts anderem als „rosafarbene Motoryachten im Ozean“ als Gefährt.

Der Begriff Zampano entstammt dem Film „La Strada – Das Lied der Straße“ von 1954 des italienischen Regisseurs Federico Fellini. Zampano ist hier eine der drei Hauptfiguren, sein Name gilt durch die überzogene Prahlerei dieser Figur als negativer Begriff im heutigen Sprachgebrauch. Außerdem werden gegenwärtig vor allem Menschen als Zampano bezeichnet, die alle Fäden in der Hand haben – oder eben nur zu haben scheinen. Oder eben jemand, der durch übertriebenes Gehabe Eindruck schinden will.

Was eher weit hergeholt wäre, wäre zu sagen, Pierre Sonality und Hiob würden in ihren Texten prahlen. Denn selbst wenn sie in „Ein Tag“ oder „Gläser Hoch“ über Wohlstand reden, tun sie dies nie protzend, weil sie selber so leben und damit angeben wollen, sondern immer mit einem gewissen Unterton. Vielleicht nennen sie sich also „Die Zampanos“, weil sie sich als federführend sehen. Oder eben weil sie in genau diese Rolle an einigen Stellen des Albums schlüpfen.

Mit „Ronny“ tauchen sie zwar nicht als lyrisches Ich in verschiedene Charaktere ein, thematisieren aber aus einer anderen Perspektive das Leben eines Dritten. Bei Ronny handelt es sich um einen verstorbenen Schlagersänger. Dessen Leben, vor allem auch seine Bescheidenheit und damit das Antonym vom Verhalten eines Zampanos, thematisieren die beiden mit Unterstützung hinein geschnittener Vocals, die nur Gutes über ihn berichten. Trotzdem wohnt dem Ganzen ein leicht negativer Beigeschmack inne, wahrscheinlich einfach aufgrund der Tatsache, dass ein Toter berappt wird.

Die beiden nehmen einen mit ihrem Soundbild auf eine Reise in die funkige Zeit der 80er, teilweise fühlt man sich durch bestimmten Synthesizer-Einsatz aber auch auf dem Weg ins Weltall. Beides klingt auf jeden Fall vielversprechend. Am Ende lassen sie die Zuhörer, nach dieser „abgefuckten Party“ „Nach Hause“.

Mit „Die Zampanos“ haben Pierre Sonality und Hiob ein gelungenes Kollaborationsprojekt abgeliefert. So gut, dass ich es wage zu behaupten, dass fürs nächste Album der Chefredakteur höchstpersönlich sich für eine Review tätig zeigen kann.