Milonair schreibt das nächste Kapitel seiner ganz persönlichen Erfolgsgeschichte. Als Flüchtling aus dem Teheran gekommen und in Hamburg-Bergedorf aufgewachsen, gilt der gebürtige Iraner mittlerweile als fester Bestandteil der Rapszene. Erste überregionale Bekanntheit erreichte er an der Seite von Haftbefehl bei dessen Über-Hit „Chabos wissen wer der Babo ist“ – von da an ging’s steil bergauf: Signing bei den Azzlacks, Debüt-Soloalbum „AMG“ releast 2014; und nun kommt sein zweites Werk „Milominati“ an den Start – das wahrscheinlich am stärksten mit Featureparts durchzogene Album des Jahres, zumindest bis heute, also Ende Mai.
Als erstes fällt mir die gute Produktion des Langspielers auf. Das ist aber auch keine Überraschung bei den Azzlacks, da die Jungs grundsätzlich für ausbalancierten, hochwertigen Sound stehen und hier u.a. Abaz, Darko Beats & Melbeatz mitgewirkt haben – hohes Niveau ist quasi garantiert. Soundtechnisch kann man also schon mal den ersten Haken hinter machen – produktionstechnisch ein sehr ansehnliches Gesamtergebnis .
Der berüchtigte rote Faden von „Milominati“ ist auch durchaus erkennbar, aber nicht besonders überraschend. Milo fickt deine und meine Freunde problemlos weg, dealt auf Kilomaß, macht lila Scheine und natürlich erliegt ihm auch jede Bitch. Und dabei ist völlig egal, um wessen Schwester, Tante oder Mutter es sich handelt, der Perser klärt sie alle. Ja, wirklich alle. Ach ja, und wenn’s mit der Musik nicht klappt, werden halt wieder Beutel im Park vertickt. Natürlich sind das vollkommen legitime Straßenrap-Inhalte – keine Kritik an dieser Stelle dafür – eine durchaus gängige und solide Spur, die man durchaus fahren kann. Man kann auch gute Mucke machen, ohne das Rad a la RAF Camora fast neu erfinden zu müssen. Und jetzt kommt das Aber – irgendwie wirkt die Thematik auf „Milominati“ zu wenig plastisch. Alles ordentlich rough, aber sticht halt nicht aus dem mittlerweile riesigen Pool dieses Subgenres hervor. Textlich ist „Milominati“ durch seine Plattheit also weniger überzeugend.
Seit Bekanntgabe der Tracklist weiß man, dass der Langspieler ungewöhnlich viele Features beinhaltet. Das bringt natürlich ordentlich Abwechslung rein, was hier auch meist funktioniert. In der Gesamtheit aber verliert „Milominati“ durch die Überfülle an Features ein bisschen die persönliche Note. Manche Featurparts werten die Tracks dafür immerhin nicht zu knapp auf.
„Dieses Dasein“ ist einer der stärksten Tracks auf dem Album, was aber auch keine Überraschung ist, da Labelboss Haftbefehl höchstperönlich hier als Feature in Erscheinung tritt und niemand geringeres als Melbeatz als Produzentin verantwortlich zeichnet. Neben der starken Produktion und dem stabilen Hafti-Part überzeugt auch Milo hier auf ganzer Linie und bringt einen etwas persönlicheren Flair rein, der absolut authentisch und nicht überspitzt rüberkommt, wenn er von seiner Jugend erzählt: „Mir fiel auf, dass nich´ nur Bullen zu uns anders sind/ mir wurde klar, es wird nicht leicht als Asylantenkind.“
Selbiges gilt hier natürlich auch für den Offenbacher. Dazu kommt eine Hook, die einfach im Ohr bleibt, obwohl sie von einem Kinderchor gesungen wird; muss also nicht zwangsläufig unpassend wirken. Hier wurde auch der Zeitgeist – Stichwort Flüchtlinge – gut getroffen, was Milo ja aus erster Hand erzählen kann. Allerdings hätte man da mehr draus machen können, was schon etwas schade ist, da hier inhaltliches Potential vorhanden war und gerade dieses Manko im Album etwas revidieren hätte können.
Natürlich darf auf dem Album auch ein Kiffertrack nicht fehlen. Den bringt das Weed-Affine Azzlack-Signing passenderweise zusammen mit Mosh36 und Olexesh auf die Platte. Auch hier fällt die nahezu perfekte Produktion auf. S/o an Darko Beats an dieser Stelle, der einige Bretter geliefert hat, die das Album ordentlich aufwerten (siehe auch „Alle spucken Töne“ mit Manuellsen). Insgesamt gehört die Anspielstation „Knolle für Knolle“ mit Mosh und Olex auch zu den stärkeren Tracks auf „Milominati“. Dazu tragen aber auch einfach straighte Lines wie „Check die Crip-Walk-Melodie/ das ist die Big-Bong-Theorie“ bei.
„Fake Rap“ gilt es auch nochmal hervorzuheben. Der Savas-Part ist einfach nur einnehmend und doppelt zu unterstreichen. Das ist der King of Rap himself in Spieltagform. Die Features sind insgesamt trotz ihrer Fülle eine Bereicherung für „Milominati“, was erstmal nicht für Milo selbst spricht. Auch Sido, der die letzten Jahre ja gerne mal mittelmäßige Featureparts abliefert, überzeugt in „Hungrig“.
Insgesamt macht das Album einen akzeptablen Eindruck, ist aber kein Werk, dass mir länger in Erinnerung bleiben wird. Produktion und einige starke Features stehen auf der Pro-Seite – Milos Solotracks kommen dagegen nicht überzeugend daher. Dazu kommt eine fehlende Message bzw. irgendeine greifbare Kernaussage. Mehr als Mittelmaß bleibt so unterm Strich nicht.