Timeless – Antiheld [Review]

Fast drei Jahre hat es gedauert, bis Timeless mit „Antiheld“ sein zweites Soloalbum auf den Markt brachte. Sein Debüt „00:00“ hinterließ den ein oder anderen Hörer ratlos. Dass der Kölner ein verdammt guter Rapper ist, war schon lange davor klar. Songs wie das mehr als dubiose „Scheissegal“ ließen jedoch Zweifel am Songwriting des Freund von Niemand aufkommen. Nun ist Timeless also der „Antiheld“ und hat genau das Album gemacht, dass er machen wollte, wie es direkt auf dem Opener heißt.

Und das merkt man der Platte an. Timeless fühlt jeden einzelnen Song auf dieser Platte zu 100%, das hört man. Das beginnt schon beim Beatpicking: Die Instrumentals von u.a. Claptomanik, Brudiloops und Johny Illstrument sind düster, atmosphärisch und bisweilen auch pathetisch – und damit der ideale Nährboden für Style und Stimme des Protagonisten hinter dem Mikrofon. Dennoch hat auch dieses Werk Höhen und Tiefen, genauer „Blaues Blut“ und „Du machst mich reich„. Auf ersterem werden Technik, Inhalt und gekonntes Songwriting gut miteinander kombiniert. Die Hook entwickelt trotz oder gerade wegen Doubletime-Einsatz gepaart mit den Adlibs seiner Freundin Perrine eine Atmosphäre, die unter die Haut geht und zur Betätigung des Repeat-Buttons anregt.

Anders ist es jedoch bei „Du machst mich reich„. Zeilen wie „Ich will fresh klingen für dich, du liebst guten Rap/ Und wenn du eingeschlafen bist, hab ich dich zugedeckt“ oder „Du machst mich reich/ Dich zu lieben ist ein Wolke-Sieben-Flug nach Hawaii“ überspannen den Bogen und lassen den Song leider in Kitsch abdriften. Was aufgrund des schönen Instrumentals doppelt schade ist.

Zwischen diesem Höhe- und Tiefpunkt passiert eigentlich sehr viel, aber leider bleibt zu wenig hängen. Auf „Doktor“ und „Beastmode“ beweist Timeless erneut, was für ein überragender Rapper er ist. Aber eine Technik, die sich vor keinem MC dieses Landes zu verstecken braucht, ist eben nur die halbe Miete. Die Ode an die Heimat, „Colonia„, und „Tischtennisplatte“ laufen irgendwie auch an einem vorbei, ohne wirklich packend zu werden. Dafür wurde einfach schon zu oft über ähnliche Themen geschrieben.

Dass Timeless lyrisch durchaus fesselnd werden kann, beweist er jedoch auf „Casa Mia“ und „Tausend Leben“. Während der erste Track mit präzisen Bildern aus der zweiten Heimat Italien Fernweh verursacht, behandelt letzterer grob gesagt den Sinn des Lebens, jedoch weitestgehend unpeinlich und mit guten Beispielen. Was beide Songs eint: Eine gewöhnungsbedürftige Hook. Der italienische Chorus von La Bestia mag mir aber nach mehrmaligen Durchläufen besser reingehen, als Timeless‚ Gesangshook auf „Tausend Leben“.

Was sich positiv durch das gesamte Album zieht, ist die Variation des Stimmeinsatzes. Mal rappt er mit einer enormen Wut im Bauch, mal klingen die Zeilen abgeklärter, aber dennoch gefühlvoll. Stark ist ebenfalls das in Szene setzen oder auslassen einzelner Wörter. So wird der Satz „Mein Vater gibt mir keinen Ratschlag mehr, mein Vater ist…“ („Abiball“) bewusst nicht beendet, während das mit einer verächtlichen Lache betonte Wort „Blutbad“ auf „Doktor“ der Zeile einen ganz anderen Flair gibt.

Auf „Antiheld“ zeigt sich Timeless somit deutlich verbessert und macht wenig falsch – aber das meiste eben auch noch nicht komplett richtig . Der Freund von Niemand offenbart sehr viele gute Ansätze und zeigt, dass der eingeschlagene Weg offenbar der richtige für ihn ist. Hört man dieses Album, hört man einen Künstler, der auf dem besten Wege ist, sich selbst zu finden. Dementsprechend hat es Timeless geschafft, dass ich seinen nächsten Langspieler mit Spannung statt Skepsis erwarten werde.