Separate – Wahrheit (Review)

Separate hat wohl fast die vollständige Palette an Erlebnissen durch, die man in der HipHop-Welt haben kann. Ob Wegbereiter bzw. -begleiter für MCs, die bereits mehr als ein Mal die Chartspitze für sich beanspruchten, eine 14 Alben, EPs und Mixtapes umfassende Diskografie, Props von den ganz Großen und zumindest gefühlt kurz vor dem Optik Records-Vertrag oder als Inhaber eines eigenen Labels  – Seppo trägt 15 Jahre Rapgame mit und in sich. Und das hört man seinem fünften Soloalbum „Wahrheit“ an.

Textlich beschränkt „Wahrheit“ sich Großteils auf Representer- und Battleraps sowie Rückblicke auf die eigene Chronik – wobei natürlich auch der ein oder andere Themensong einstreut wird. Sonderlich innovativ ist das alles zwar nicht, aber Separate ist einfach ein verdammt guter MC mit einer präganten Stimme, dem man gerne zuhört. Technisch versiert, aber trotzdem rough und mit noch immer hörbarem Hunger spittet Seppo tonnenweise Punchlines, referiert auf „Mein Ding“ über Rap, resümiert auf dem zweiteiligen Titelsong „Wahrheit“ seine Historie oder schildert seine „Träume“ mit einem Olli Banjo in Topform. Der druckvolle Flow gepaart mit Separates inbrünstiger Delivery und den kompromisslos ehrlichen Texten verleiht „Wahrheit“ Ernsthaftigkeit und Glaubwürdigkeit.

Für die insgesamt hervorragende Instrumentalisierung waren bis auf drei Ausnahmen Monroe und PCP verantwortlich. Die Produktionen bewegen sich zwischen gefälligem Bummtschack, gespickt mit gepitchten Vocalsamples oder orchestralen Synthies und schleichenden, düsteren oder wahlweise melancholischen Beats. Etwa „Was weisst du darüber„, bei dem ein brillantes Deathnote-Sample zum Einsatz kommt und so eine beklemmende Atmosphäre erzeugt. „Katar“ und „Untergrundking“ kommen minimalistischer daher. Auf denen packt Seppo die interessantesten Flows und Rhymepattern aus.

Wahrheit“ krankt leider an einem häufigen Symptom: Features. Und zwar viel zu vielen Features. Acht von 15 Songs kommen nicht ohne Gastbeiträge aus, was ja per se auch nicht schlecht sein muss. Hier hätte man aber getrost auf einige der neun befreundeten MCs verzichten können – nicht nur, weil Separate hervorragend alleine auskommt, sondern auch, weil ein Großteil einfach hinein gezwängt wird. Es handelt sich bei den Gast-Rappern um Freunde und Idole des Mainzers und die will er anscheinend um jeden Preis auf seinem Album haben. Den kanadischen Battlerapper Corey Charron etwa, dessen Anwesenheit Separate nicht ohne Stolz mehrfach in der Hook erwähnt, obwohl der doch gerade seinen Verse gekickt hat. Nicht, dass die losgelösten Parts nicht durch die Bank weg gut wären, aber sie nehmen Separate zu viel Raum weg und reißen einen des Öfteren aus dem Hörfluss. Schade. Auch auf die seltenen Ausflüge in poppigere Gefilde hätte man lieber komplett verzichten sollen.

Wahrheit“ ist ein rundes Album, das musikalisch abwechslungsreich und dennoch homogen daher kommt. Die Battletracks klingen allesamt hervorragend, sind sicher nicht sonderlich originell, aber einfach grundsolider Rap in seiner Reinstform. Die retrospektiven, gehaltvolleren Songs, allen voran der Titelsong „Wahrheit„, wirken aber etwas verbittert. Insbesondere der erste Teil kommt fast schon weinerlich rüber – der zweite tröstet dann aber mit einer gehörigen Portion Selbstreflexion darüber hinweg. Und Separate ist nun mal ein offenherziger Typ, das wird ihm, im Gegensatz zu einem seiner Weichteile, auch niemand absprechen wollen. „Wahrheit“ ist ein Album, dem man das Herzblut in jeder Zeile anhört, aber auch den Frust und die Enttäuschungen, die sich über all die Jahre angestaut haben. Das Rad wird nicht neu erfunden, stattdessen bleibt Separate sich selber vollkommen treu, setzt auf seine Stärken und liefert trotz kleiner Mängel das wohl beste Album seiner Karriere ab.

VÖ Datum: 2015-01-16
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