Review: Luciano – Millies

Im Jahreszyklus Alben rauszukloppen, ist immer so eine Sache: Klar, es gibt immer neues Futter für die Fans, aber irgendwann erschöpft sich das eigene Rezept halt – vor allem, wenn es an neuem Input fehlt. Lucianos „L.O.C.O.“ zeigte bereits letztes Jahr diese Ermüdungserscheinungen – jetzt legt der Berliner direkt den nächsten Langspieler nach.

Endlich kein Beat-Einheitsbrei mehr!

Einen großen Kritikpunkt hat der Locosquad-Kopf sich aber offenbar zu Herzen genommen: Die Beats sind deutlich ausgefeilter und facettenreicher ausgefallen als es zuletzt der Fall war. Statt einfallslosem Reißbrett-Trap und Marimba-Abziehbildchen sind die Produktionen durchzogen von cleveren Einfällen und originellen Elementen. Das Gesamtbild hinterlässt zwar trotzdem einen recht formelhaften Eindruck. Das liegt aber nicht an den filigranen Produktionen des breit aufgestellten Produzenten-Kaders, sondern an Lucianos uninspirierten Song-Strukturen.

Wo ist der Charakter?

War der „Banditorinho“-Luciano noch ein spannender Charakter, dessen greifbare Wesenszüge und gefährliche Ausstrahlung einen in den Bann zogen und der auf „Eiskalt“ sogar seine verwundbare Seite zeigte, dreht sich auf „Millies“ alles nur noch um die Hooks. Die soll eingängig sein, der Part dient gefühlt nur als Streckmittel. Auf inhaltlichen Tiefgang wartet man leider vergeblich. Wo einst Hoodstories, die eigene Historie und düstere Bilder waren, sind heute Markennamen und abgedroschene Floskeln. Die einzige Überraschung ist, dass Luciano neuerdings von der italienischen Edelmarke Fendi besessen zu sein scheint, statt die sonst übliche Gucci-Louis-Prada-Palette herunterzubeten. Mehr Alleinstellungsmerkmale als die markanten Adlibs weist „Millies“ in der schier endlosen Wohlfühl-Straßenrap-Landschaft leider kaum noch auf.

Luciano braucht neuen Input.

Klar, „Millies“ will überhaupt nicht gehaltvoll sein, sondern einfach nur nett klingen. Das tut es auch durchaus – Lucianos voluminöse Stimme und die schiere Präsenz auf dem Beat sind noch immer beeindruckend, die Produktionen sind vielseitig und spannend und die Hook-Melodien zum Großteil sogar wirklich eingängig. Auch die angenehm schlanke Gästeliste schindet Eindruck. Allerdings sollte Luciano sich vielleicht einfach mal wieder neuen Reizen aussetzen. Ob man sich über 17 Songs hinweg dieselbe langweilige Alibi-Themenpalette reinziehen möchte, muss halt jeder selber wissen – aber für etwas frische Soundästhetik im Shishacafe wird „Millies“ sicherlich sorgen.

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