Viele werden wohl einen Freund haben, mit dessen Art sie anfangs überhaupt nichts anfangen konnten und mit dem sich die Freundschaft erst langsam, aber dafür umso intensiver entwickeln konnte. Ähnlich verhält es sich hin und wieder mit Songs.
Im Fall von „Teenager Forever“, dem Debütalbum von reezy, habe ich diese Erfahrung sogar auf Albumlänge gemacht. Nachdem ich vom Album nach dem ersten Hören recht enttäuscht war, bin ich inzwischen absolut begeistert vom Longplayer. Wie konnte es zu diesem Sinneswandel kommen? Und was schätze ich an dem Album besonders? Bleibt dran!
Produktion auf Ami-Niveau
Das Album zeichnet sich nicht zuletzt durch einen melodischen Sound aus, der gut mit den verwendeten Trap-Beats harmoniert. Zugegebenermaßen wirkten die Beats anfangs alle sehr ähnlich – zu ähnlich. Aber das ist Quatsch. Das Trap-Grundgerüst ist unverzichtbarer Teil des roten Fadens, der sich beim Album ohne Zweifel erkennen lässt.
Natürlich sind sämtliche Beats deshalb irgendwo im Trap-Sortiment einzuordnen, aber gleichzeitig haben sie allesamt Eigenheiten und Alleinstellungsmerkmale. Überhaupt gelingt es dem Rapper einen kreativen Trap-Sound zu kreieren, der sich vom 08/15-Trap der letzten Monate und Jahre absetzt.
Dazu beweist reezy auch beim Cover des Albums und in seinen Musikvideos Mut zur Eigenwilligkeit. Das Album ist hochwertig produziert und zwar so hochklassig, dass es sich gar vor amerikanischen Produktionen nicht verstecken muss. Hinzu kommt die bemerkenswerte Tatsache, dass der Frankfurter Rapper seine Werke in weiten Teilen selbst produziert. Überhaupt lässt sich der Rapper als Musiker durch und durch bezeichnen. So ist er beispielsweise ebenso wie sein Freund und Förderer Bausa ein begnadeter Klavierspieler, wie er im Musikvideo zu „Paranoia 2“ demonstriert.
Thematische Engstirnigkeit?
Wenn man sich das Album zum ersten Mal anhört, wird einem schnell klar, dass es auf der Platte in erster Linie um Frauen und Partys geht. Es ist keineswegs so, dass man dem Youngster den Lebensstil eines ewigen Jugendlichen nicht abnimmt. Dennoch ist man schnell dazu geneigt, die Themenauswahl als oberflächlich und inhaltlos zu kritisieren. Zudem stellt man sich die Frage, warum ein talentierter Lyriker wie der Newcomer auf solch austauschbare und in den letzten Jahren viel zu oft gehörte Themen setzt.
Hört man sich den Longplayer im Anschluss an die erste Ernüchterung allerdings noch einmal an und fokussiert sich dabei noch intensiver auf die Texte der Songs, stellt man fest, dass der Frankfurter weitaus mehr bietet. Das Album mag zwar vordergründig vom Highlife handeln, aber es gibt so viele tiefgründige Gedanken, die beiläufig zwischen den Zeilen eingestreut werden und deshalb fast untergehen.
Es geht um Identitätslosigkeit, Verlustgefühle, Unsicherheiten, Misstrauen, Sucht, Stress, Erfolg, die Schattenseiten des Erfolgs und so weiter. Hinter vielen der den Exzess feiernden Lines steckt ein nachdenklicher Hintergedanke. Das ist es, was die Brillanz des Albums ausmacht und den Newcomer dann eben doch von so vielen Rap-Kollegen unterscheidet.
Hits und insgesamt ein richtig starkes Debütalbum
Außerdem lassen sich auf dem Album einige Tracks mit echtem Hitpotenzial finden. Zu nennen sind hier nicht zuletzt die vorveröffentlichten und klug ausgewählten Singles („Frankfurt City Blues“, „PMW“, „Gefühl für die Zeit“ und „Paranoia 2“ mit Bausa) sowie die Feature-Songs mit Eno und Yung Hurn. Diese Songs vereinen allesamt die bereits erwähnten Qualitäten: erstklassige Trap-Beats, Highlife-Vibes, aber eben auch Tiefgründigkeit. Die übrigen Tracks des Albums fallen im Vergleich dazu fast ein wenig ab. Aber es ist keineswegs so, dass sie schlecht sind. Vielmehr wurde die Messlatte durch die ersteren Songs wahnsinnig hochgelegt. Überhaupt legt der Rapper die Messlatte mit „Teenager Forever“ enorm hoch und liefert ein verdammt starkes Debütalbum, auch wenn man dies unter Umständen nicht direkt erkennt. Aber Liebe auf den zweiten Blick ist ja bekanntermaßen mindestens genauso schön. Vielleicht sogar noch schöner.