Mena zerschlägt die Depression: Review zu „PFL“

Mena will endlich an die Spitze. Deshalb droppt der Wahl-Hamburger mit „PFL“ dieses Jahr bereits sein zweites Tape. Durch den hohen Output erhofft sich der Rapper aus dem hohen Norden, mit seiner Kunst, welche sich zwischen hart-ignoranten-Trap-Brechern und gefühlvollen RnB-Songs bewegt, den nächsten Level zu erreichen. Menas letztes Release – „Lindsay Circus“ – wurde in unserer Review im Mai positiv rezensiert. Ob Mena mit „Plug for Love“ qualitativ noch eine Schippe drauflegen kann und welche Wermutstropfen wir ankreiden, erfährst du in dieser Review.

24/7 im Studio

Wir trafen Mena im August zum Interview. Während des Gesprächs betonte er, dass es besonders als Newcomer wichtig sei, ständig Musik zu veröffentlichen. So sei eine hohe Veröffentlichungsfrequenz für das Standing eines Rappers essentiell. Nur so wachse die Fanbase. Bei der Menge an Releases, mit welchen die Bundesrepublik jede Woche überflutet wird, ein nachvollziehbarer Gedanke.

Keine Ermüdungserscheinungen

Bei Mena führt dieses Credo glücklicherweise nicht zu einem Qualitätsverlust. Im Gegenteil: Seine Flow- und Gesangspassagen wirken auf „PFL“ noch ausgereifter und sicherer. Seine hervorragende Delivery stellt eine weitere große Stärken dar. Er verfügt über einen flexiblen Flow, welchen er lockerleicht aus der Hüfte rappt, ohne dabei an Durchschlagskraft zu verlieren.

So spuckt Mena desinteressiert und mit einem Ruhepuls von 60 das großartige „Lil Newport“ ins Mic. Der Lonely Hearts-Boss performed seinen Rappart, als sei es für ihn eine lockerleichte Atemübung. Simultan zelebriert er gekonnt die pointierten Lyrics über Groupie Hoes und den täglichen Drip.

Alles Love

Doch neben dem Flexen widmet sich Mena seiner zweiten Liebe – gefühlvollen Tracks über verlorene Liebesmühen und Herzschmerz. Was bereits bei „Lindsay Circus“ einen Großteil seiner kreativen Aufmerksamkeit auf sich zog, erfährt auf „Plug for Love“ eine Renaissance. Ob sich Mena wie auf Swipe“ dem täglichen Tinder-Trubel widmet, auf „Komm vorbei“ zur nächtlichen Studio-Session lädt oder auf „Wham!“ verliebt nach Zeilen ringt – auf „Plug for Love“ ist ein Thema omnipräsent – das schöne Geschlecht.

Next Level

Die Texte wirken nicht kitschig oder konstruiert. Mena fühlt, was er sagt und weiß es charmant zu verpacken, ohne corny zu wirken. Außerdem beweist er auf Songs wie „Film“, „Big Mad“, „Whipe“ und „Komm vorbei“ sein Gefühl für Melodien. Die Hooks und Bridges überzeugen. Mena hat in dieser Disziplin einen markanten Step nach vorne gemacht.

Jagd auf den König des Vibes

Einen Vergleich mit RIN wird Mena höchstwahrscheinlich nicht als Affront, sondern als Ritterschlag wahrnehmen. Denn der Rapper aus Hamburg hat in der jüngsten Vergangenheit keinen Hehl aus seiner Sympathie für Renato gemacht. Besonders „Wham“ versprüht den typischen RIN-Flavour. Auch wenn Mena seinen eigenen Film fährt, macht er auf der Jagd nach einem der Könige des Vibes einige Meter gut. Es lässt sich beobachten, dass Mena seinen Fokus zunehmend auf das musikalische Gesamtpaket verschiebt. Gefühle sind nicht nur erlaubt, sondern gewollt. Der Vibe hat Priorität.

Deepness? Fehlanzeige

Hier kommen wir zum Kritikpunkt von „Plug for Love“. Durch die oberflächlichen Lyrics verschenkt Mena ordentlich Potential. In ihrer Gesamtheit verlieren die gefühlvollen Songs an Reiz, weil es an lyrischer Substanz fehlt. Man vermisst die eine oder andere Zeile, die den Hörer aufhorchen lässt und emotional packt. Dadurch wirken die letzten zwei Songs, „Number (N)Ine und „Solodolo“, bereits als unnötiges Gepäck und mutieren zu Skip-Kandidaten.

Fans werden „PFL“ lieben

Trotzdem überzeugt „Plug for Love“. Menas musikalisches Talent, sein üppiges raptechnisches Arsenal, sowie sein Gespür für Beats werden seine Fans begeistern. Außerdem wirken die Features, mit einem der stärksten Sierra Kidd-Parts der jüngsten Vergangenheit, als erfrischende Ergänzung.

Entgegen der Depression

Mena bewegt sich auf „Plug for Love“ über den Wolken. Nichts da mit herbstlicher Melancholie oder Winterdepression. Das Release beamt den Hörer zurück zu den Frühlingsgefühlen des zweiten Quartals. Die Tracks verbreiten eine fast durchgehend positive Stimmung und ein optimistisches Weltbild. Diese Atmosphäre, die Mena mit seiner starken Performance und den maßgeschneiderten Instrumentals von Alecto, Gunboi und Co. erschafft, stellt die Stärke von „PFL“ dar. Dabei bleiben deepe Themen und düstere Kontraste auf der Strecke. Auch wenn zur Mitte des Tapes das Tempo zunimmt, hätte ein böser Trap-Banger dem Spannungsbogen gutgetan. Nicht so mit Mena – der „Plug for Love“ schießt dieser Tage kompromisslos mit Blumen statt Bullets und beweist, dass er die gefühlvollen musikalischen Ansätze von „Lindsay Circus“ weiter perfektioniert.