Review: Yung Isvvc – Mood

Sehr, sehr geil – „King Isvvc auf Spotify“ und sämtlichen gängigen Streamingportalen. Damit ist eines der vielversprechendsten deutschen Talente aus den Tiefen von Soundcloud emporgestiegen und endlich auf der nächsten Karrierestufe gelandet.

Kleiner künstlerischer Abriss: Wer ein wenig Werdegang von Isvvc mitnehmen möchte, kann das unter „R€d Color“ in der rba oder über VBT-Reuploads auf YouTube tun. Sein alter YouTube-Channel wurde längst gelöscht, um mit Stil- und Namenswechsel einen Neustart einzuläuten, bei dem Ufo oder Trettmann ein paar stolze Daddytränen auf den Wangen geglitzert hätten.

Als „Yung Isvvc“ wurde seitdem – ganz im Sinne seiner offensichtlichen Einflüsse – vor allem auf Soundcloud released. Mixtape „Ich bin nicht Travis Scott“ oder die „Heat“-EP mit Lichtgang-Member und Uzimob-Drittel Skinny Satan aka James Jetski zählen zu den Highlights. „Manta Ray“ hat es leider nicht auf „Mood“ geschafft – vielleicht zu alt? – hätte für mich aber sogar zur Single getaugt. LGoony-Fans kennen ihn als Produzenten von „Yoko Ono“ oder spätestens als Featuregast seiner aktuellen Single „Flex Up“, die als smarter erster Startschuss für die Promophase von „Mood“ zu lesen ist.

Jetzt, 3018, gibt es mit der Lichtgang samt Aushängeschild LGoony die richtige Plattform, instant Support vom splash! Mag, was Isvvc via Drunterkommi bereits als Auftritt fürs nächste splash! promotet, und mit „Mood“ das mit Abstand schönste Release seiner bisherigen Karriere. Esskeetit:

„MOOD“

Titel und Cover zeichnen ab, was sich durch die Musik bestätigt: „Mood“ vereint ein cloudiges Soundsystem und die zeitgenössische künstlerische Stimmung von Rap, die auch Isvvc durch Mark und Bein zu fließen scheint.

Es ist Musik, die irgendwo zwischen Uzi, Trippie, Lil Skies und den wolkigen Weiten der Galaxie stattfindet, die einst Yung Lean für Europa und anschließend LGoony für Deutschland mit gekonnten Jungfernflügen erkundet haben. Soweit zur Tradition.

Über Isvvc lässt sich ohne Abschweifen sagen: Er ist eine Hitmaschine – vielleicht bei Lil Pump gelernt. Die eher raplastigen Tracks im frühen Mittelteil mögen nicht die Schokoladenseite des Releases sein. Aber sobald Isvvc den Sängerkrieg für eröffnet erklärt und seinen himmlischen Barriton anschmeißt, reißt die Musik die Mainstage ab.

Damit direkt zur großen Klasse des Releases und Isvvcs Potenzial, als Stern seiner Generation zu leuchten: Er macht richtig gute Musik und das auf allen Ebenen der Kunst. Die Instrumentals sind ein kunstvoll gewebter, sphärischer Wolkenteppich mit groovendem Drumming. Die Vocals tönen harmonisch clean, mit ebenso simplen wie catchy Melodien, die durch ihren exzellenten go-to Autotune-Mix so einprägsam sind wie es eben geht. Das gesamte Klangbild ist damit außergewöhnlich homogen, knüpft gekonnt an den state oft the art an und vereint die verschiedenen Übersee-Einflüsse zu einem neuen Ganzen. In Zeiten, in denen Ästhetik und Image oft über Skills geht, eine umso größere Freude.

Aber es ist nicht allein der handwerkliche Aspekt. Isvvc hat ein sensibles Gespür dafür, mit seinen Liedern geschlossene und eigene Vibes zu transportieren (vielleicht bei Uzi gelernt), die etwas von traumhafter Melancholie, Fernweh und kindlicher Heiterkeit tragen. Das kann man bestimmt anders fühlen, für mich ist es aber genau dieser unique und tiefgehende Vibe der Songs, der seine Musik so charismatisch und mitreißend macht. Das sind zum Beispiel „Global Players“, „Rover“, „Coldplay“ oder „Nascar“. Letzteren live zu erleben muss unfassbar schön sein (junger Isvvc, wehe, du lädst mich nicht ein, wenn du mal in Berlin spielst).

All das verdient die beste Rückmeldung, größte Reichweite und künstlerische Hochachtung. All das macht das Album für mich zu einem der schönsten deutschen Releases seit Rap meistens Trap heißt.

Leider zieht sich dieses Niveau nicht über alle zwölf Songs. Während die Dynamik und ausgereifte Produktion von „Global Players“ eine Klasse für sich ist, bleiben andere Stücke gerade durch ihre fehlenden Spannungswechsel oder freestylehafte Vocalaufnahmen unter ihren Möglichkeiten (wie schön könnte „Rover“ sein …), lassen die bereits erwähnten eher raplastigen Songs den für Isvvc typischen Hook vermissen. Hier täten kontrastreichere Flow- bzw. Melodiewechsel gut. Mir persönlich würden auch im Vergleich zur Stimme etwas lauter gemischte Beats gefallen.

Insgesamt: Musikalisch zeichnet sich mit den Highlights des Releases eine künstlerische Spitzenklasse ab, welche auf kompletter Albumlänge ein zukünftiges Release zum Meilenstein des Genres meißeln könnte.

„Eine Frage, Girl, bin ich dein Tüpp?“

Inhaltlich bewegt sich Isvvc in eben jenen Traumwelten, die auf deutschem Territorium mitreißend erstmals 2014 von LGoony besungen wurden und sich mittlerweile landesweit als lyrischer Status Quo installiert haben.

Schön, dass sich auf „Mood“ immer wieder kleine Hintertüren finden, die einen kurzen Ausweg vor der stumpfen Oberflächlichkeit bieten. Das sind vor allem die Liebeslieder. „‘Eine Frage, Girl, bin ich dein Tüpp?“, „Fahr ’ne Runde in ’nem Benza, ich hasse Autos, also frag‘ nicht welcher“ oder „wir fucken zu ’nem Album von Coldplay“ ist so ein schöner, eigener und subtiler Humor, der mich persönlich total abholt. Das ist so ungezwungen lustig, wie ich deutsche Musik nur in Ausnahmen erlebe.

Ironischerweise ist diese verspielte und unbefangene Art genau das, was einst eben jenen Kölner Goon so sympathisch gemacht hat, der jetzt nicht nur Isvvcs Karriere auf die nächste Leitersprosse hievt, sondern in seinen eigenen Liedern für diesen doppelten Boden keinen Platz mehr sieht.

Auch wenn Texte nicht die Essenz dieser Musik bilden: „Deine Gang – anderes Ufer“ ist total unnötig und für mich persönlich auch nicht durch die Willkür und Unwichtigkeit der Lyrics zu rechtfertigen. Was hat Schwulenhass auf einem Album zu suchen, in dem es eigentlich nur um Vibes, Ästhetik, schöne Melodien und hedonistische Traumwelten geht? Nicht nur, dass Homophobie inhaltlich nicht zu rechtfertigen ist, hier ist sie auch ein Kunstbruch, der völlig fehl am Platz ist. Ich glaube wirklich, dass sich Isvvc keine politischen Gedanken bei dieser Zeile gemacht hat, geschweige denn privat etwas gegen Homosexuelle hat. Aber egal: Wenn man etwas sagt (singt oder rappt) und das veröffentlicht, dann hat man auch eine Verantwortung dafür, ganz gleich, wie unwichtig einem der Inhalt selber ist. Alternativ kann man sonst auch einfach ein Instrument spielen. Hoffentlich ein Punkt, für den in Zukunft eine minimal höhere Investition in die Textarbeit betrieben wird. Leider ein Wermutstropfen.

Letzte Gedanken

Deutschrap ist so ein großer und kommerzieller Businessapparat, in dem (im Gegensatz zu den USA) die kommerziell erfolgreichsten Künstler oft nicht unmittelbar der Avantgarde angehören – um es mal schonend zu sagen.  Umso erfreulicher, dass es aus dem Untergrund immer wieder zeitgenössische Nachwuchstalente schaffen, ihren Weg in die Industrie zu finden und mit richtig guter, moderner Musik Massen zu begeistern.

Und das geht raus an alle musikverliebten Jugendlichen mit großen Träumen und kleinen Mitteln: Die Chance ist real! Besorgt euch Fruity Loops, spart ein bisschen Geld für Mic & Interface zusammen und seid emsig. Mehr braucht es nicht, mehr hat Isvvc auch nicht. „Mood“ ist ein 100%iges Kinderzimmer-Erzeugnis; jede Vocalspur, jeder Beat, jeder Mix hat nicht mehr gebraucht, als Talent, Leidenschaft und die Routine des Fleißigen.

Hiermit also das Ende meines Beitrags sowie meine wärmste Empfehlung: Hört euch dieses fantastische Release an, folgt Yung Isvvc im Internetz und genießt die Kunst und den Weg eines absoluten Ausnahmekünstlers. Shoutouts an LGoony und die Lichtgang, die dem verrückten Badener seine längst verdiente Bühne schenken.