Noch vor kurzem wäre ein Kollabo-Album von Kurdo und Majoe noch völlig undenkbar gewesen. Hier der stets grimmig blickende Emmertsgrunder mit den düsteren, harten Zeilen und den erstaunlich greifbaren und knapp-präzisen Sprachbildern. Dort der etwas unbeholfene, muskelstrotzende Sidekick von Kolle, der vor allem mit Schunkel-Hits à la „Vom Salat schrumpft der Bizeps“ sowie mehr oder weniger lustigen Videoblogs bekannt wurde.
Vergleicht man die jeweiligen Debütalben der beiden, also „Slum Dog Millionaer“ und „Breiter als der Türsteher“, so schienen 2014 noch Welten zwischen den Künstlern zu liegen. Doch seitdem ist viel Wasser den Neckar hinuntergeflossen – Kurdo und Majoe haben sich entwickelt. Und zwar antizyklisch: Während Majoe mit seinem dritten Album „Auge des Tigers“ einige Fortschritte als Rapper machte, ging Kurdo nach seinem grandiosen Debütalbum „SDM“ leider etwas die Luft aus. Das Ergebnis dieser beiden umgekehrten Entwicklungen ist „Blanco“. Ein im Vergleich zu seinen Anfängen vor allem stimmlich verbesserter Majoe trifft auf einen Kurdo, der deutlich unter seinen Möglichkeiten bleibt.
„Blanco“ heißt bekanntlich weiß. Wenn ich den Titeltrack richtig interpretiere, soll es im Falle dieses Albumtitels für Luxus und Reichtum, für eine Art Reinheit stehen. Weiß steht aber noch für etwas anderes: Für Farblosigkeit. Und das trifft es leider ziemlich genau.
Das fängt schon bei den Beats an. „Blanco“ ist von einem Soundbild geprägt, das keine Fehler oder Schnitzer aufweist, aber eben auch keine neuen Standards setzt. Vorhersehbar, nah am Zeitgeist, absolut nicht schlecht, aber ohne jede Überraschung. Natürlich kann man nicht ständig das Rad neu erfinden, aber hier klingt einfach nichts zwingend – eine Vision oder auch nur ein roter Faden ist nicht auszumachen.
Und diese Beliebigkeit setzt sich in den Texten fort. Klar geht es bei einem Kollabo-Album nicht um deepes Storytelling – was aber eben eine der großen Stärken Kurdos ist, die er hier leider gar nicht ausspielen kann. Es geht um Attitüde und Selbstvergewisserung, wir beide hier, dort der Rest der Welt, und der ist scheiße und soll die Fresse halten.
Das ist ja auch alles gut so. Nur: Auch hier ist keine Leidenschaft herauszuhören, kein Hunger, kein Funken Wahnsinn oder Genie. Klar, von Majoe erwartet sowas niemand, da ist man froh, dass er inzwischen den Takt trifft. Aber von Kurdo war man doch eindeutig mehr gewohnt. Mindestens einen unverkennbar eigenen Stil, eine unverwechselbare Herangehensweise, einprägsame und markante Zeilen. Davon ist kaum etwas geblieben. Statt dessen viel erwartbares und belangloses.
„Scarface, Scarface – Al Pacino
Schiefer Blick, so wie Quasimodo
Und mein Passfoto sieht aus wie ein Knastfoto“
rappt Kurdo da etwa auf dem Titeltrack. Hm. Verglichen mit den Gänsehautmomenten, die seine früheren Texte aufboten, ist das blass und, genau, farblos. Der Anteil an unlustigen frauenverachtenden Lines ist zudem auch höher als dass man das achselzuckend abtun könnte.
Im Grunde bleibt nur eine Hoffnung: Dass Kurdo mit diesem Kollabo-Album so richtig viel Asche macht – vielleicht gibt ihm das dann die Freiheit und Unbekümmertheit zurück, wieder so kompromisslose und emotional berührende Mucke zu machen wie früher. Falls er das überhaupt noch will. Und vielleicht schafft Majoe es in Zukunft ja sogar, seine mittlerweile tatsächlich vorzeigbaren technischen Skills in ein wirklich eigenständiges Profil fließen zu lassen – die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
- Audio-CD – Hörbuch
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
- Banger Musik (Warner) (Herausgeber)