Nach dem katastrophalen Debüt „Engel mit der AK“ wagt Seyed einen zweiten Versuch. Mit „Cold Summer“ ist es ihm zumindest gelungen, die meteorologische Entwicklung zu prophezeihen – aber konnte er sich auch selbst entwickeln?
Zumindest in Sachen Präsenz und Delivery hat der junge Wiesbadener einiges dazugelernt. Der „Engel mit der AK“ war eine kaum wahrnehmbare Fistelstimme, die gewollt desinteressiert irgendwas von Schlangen und Fame auf langweiligen Beats brabbelte. Auf „Cold Summer“ hingegen, kann Seyed sich durchaus behaupten. Die eigentlich recht angenehme Stimme hat nun deutlich mehr Druck vorzuweisen und die Betonungen klingen weit weniger verkrampft und unbeholfen als noch vor einem Jahr.
In Sachen Flow hat sich leider nicht viel getan. Noch immer leiert Seyed mantraartig Line für Line herunter und beweist dabei weiterhin ein mehr als mäßiges Timing und noch immer kein Verständnis fürs absolute Basics wie das Versmaß.
Es gibt durchaus Rapper, denen man das ohne weiteres verzeihen kann, da ihre Qualitäten in anderen Bereichen liegen. „Cold Summer“ präsentiert sich aber als technisch glattes Hochglanz-Album, das durch Perfektion punkten will. Wenn der Protagonist dann dreist ein paar Silben zu viel in die Zeile packt, die er hastig runterschluckt – der Satz „24/7 am strugglen“ findet in „Sean Combs“ auf einem einzigen Taktschlag statt – dann ist das schlichtweg peinlich.
Dabei sind die gewählten Beats wirklich nicht anspruchsvoll zu berappen. Die 808-Suppe, die mit belanglosen Synthies gespickt absolut unspektakulär, wenn auch alles andere als schlecht produziert, daherkommt, hat noch weniger Ausstrahlung als Seyed selbst. Lediglich der Memphis-inspirierte „10/10“-Beat und das sture „Everyday“ können überzeugen. Den restlichen Produktionen mangelt es an Schwung, am gewissen Etwas.
Auch die Reime wirken wie Platzhalter. Den ein oder anderen Filler mag man verzeihen können, aber wenn fast das ganze Album aus gehaltlosen Anglizismen zusammengebastelt ist, dann hat man nicht genug Augen zum zudrücken im Kopf. „Ich visier das Ziel an wie beim Lasertag / Niemand in dem Game, der so streetsmart ist wie Seyed fresh“ – so kann man sich das gesamte Album vorstellen. Die belanglose Lasertag-Zeile bereitet hier nicht die eigentliche Punchline vor – sie ist es selbst. Die einzige Variation liegt darin, dass die unkreative Selbstbeweihräucherung wahlweise austauschbar gegen Schilderungen von Seyeds unzähligen Frauengeschichten oder seinem neugewonnenen Reichtum ist.
Dennoch: Dass Seyed nun ausschließlich sich selbst und seinen Lifestyle representet, statt zu versuchen, irgendwie Gehalt oder Songkonzepte zu transportieren, ist keine schlechte Entwicklung. Derartige Songs waren nämlich die grottigsten auf dem Vorgängeralbum. Also immerhin ein weiterer Schritt in die richtige Richtung.
Es sind aber noch viele Schritte, bis das bisher einzige Alpha Music Empire-Signing vielleicht eines Tages passables Album an den Mann bringen kann. Zu uninspiriert die Texte, von denen wirklich überhaupt nichts außer absurd herben Schnitzern hängenbleibt. Zu langweilig der Leierkasten-Flow, der stets nach vorhersehbarem Schema-F abgewickelt wird. Zu langweilig ist Seyeds musikalisches Gespür für Hooks und Beatpicks, die zum einen Ohr rein und zum anderen raus gehen. Da können auch mittelprächtige Kollegah-Featureparts und das Gastspiel des untalentierten Homies Blaxx nichts dran ändern.
- Audio-CD – Hörbuch
- Zielgruppen-Bewertung: Freigegeben ab 12 Jahren
- Alpha Music Empire (Warner) (Herausgeber)
Seyed – Bubble Butt [Video]
Es geht rund. Sehr rund.