Deutschrap-Gossip hat einen neuen Helden. Ein nicht mehr ganz junger Mann, der in den USA lebt, bringt das Ansagen-Level auf ein ungeahntes Niveau – und ungeahnte Länge. Doch wer ist dieser Charnell eigentlich? Außer, dass er in sehr ausführlichen Videos gegen u.a. gegen Fler und die 187 Strassenbande schießt, dürften die meisten nicht mehr viel über den Berliner wissen.
Das liegt wohl vor allem daran, dass Charnell schon lange nicht mehr musikalisch aktiv ist. Zumindest nicht so, dass die Öffentlichkeit das mitbekommt. Er ist aber ein echtes Berliner Rap-Urgestein. Man kann sogar guten Gewissens sagen: Er hat Gangsta Rap auf Deutsch erfunden.
Denn es war gerade mal 1997, als er mit seiner Crew 44 Da Mess die EP „Mein Leben“ veröffentlichte. Hier der Titeltrack daraus:
Die Mischung aus amilastigen Beats und Texten über das Streetlife war damals in Deutschland ein absolutes Novum. Wir erinnern uns: 1997 wurde Deutschrap beherrscht von Protagonisten wie den Massiven Tönen, 5 Sterne Deluxe oder den Beginnern. Kurzum, von der gutbürgerlichen Mittelschicht.
Pioniere des Straßenrap
Charnell passte da nicht wirklich rein. So wurde „Mein Leben“ auch trotz Viva-Rotation sträflich ignoriert. Und bis heute bleiben 44 Da Mess oft unerwähnt, wenn es um die Entwicklung von Straßenrap in Deutschland geht. Völlig zu unrecht – sie waren die absoluten Pioniere.
Nach der Auflösung von 44 Da Mess machte Charnell mit TMO als Duo weiter. Da Fource wurden 2001 bei Sony gesignt und veröffentlichten dort ihr Debütalbum „Überlegen“. Nach Streitigkeiten gingen die beiden aber wieder eigene Wege. Und Spoiler: Streitigkeiten sollten auch seinen weiteren Weg prägen.
Ausgerechnet Hamburg
Charnells Weg führte ihn ausgerechnet nach Hamburg – damals so etwas wie die Vorhölle für jeden Berliner. Ausgerechnet zur Hochphase des Konflikts zwischen Berlin und Hamburg unterschrieb er 2003 bei Eimsbush. Das Hamburger Label ging allerdings 2004 pleite.
Es folgte der vierte und vorerst letzte Akt seiner musikalischen Karriere: Wieder zurück in Berlin rief er die 030 Gangxta Clicc ins Leben. Zusammen mit Jasha (nein, nicht dem von „Lila Wolken“), Deso Dogg (ja, genau der) und Riad veröffentlichte er ein Album namens „Kriminelle Akustik“ und fünf Mixtapes. Allerdings hielt die Konstellation nicht lange – sondern endete im Streit.
Beef mit Aggro Berlin
Charnell und sein Label PX Records lieferten sich zwischen 2004 und 2005 einen der ersten größeren Rap-Beefs in Deutschland. Ihre Gegner waren das gerade gegründete Aggro Berlin um Bushido und Sido. Charnell war der Meinung, dass diese ihr hartes Straßen-Image von ihm geklaut hätten.
Öffentlicher Höhepunkt der Auseinandersetzung war im April 2005, als Charnell beim Radiosender Jam FM anrief, als dort gerade Bushido live auf Sendung war:
Das was war
2006 zog Charnell schließlich für längere Zeit in die USA. Dort lebt er auch heute – als MMA-Kämpfer und neuerdings als Gossip-Größe. Musikalisch hört man von ihm nur noch sporadisch. So veröffentlichte er 2010 den Song „Das was war (Entschuldigung)“, in dem er sich bei u.a. bei Bushido, Fler, Eko Fresh und Kool Savas entschuldigte. Im Februar 2019 erschien sechs Jahre nach dem zweiten Teil „Underdog 3“. Ob er nochmal Fuß im Rapgame fassen kann, ist mehr als fraglich. Für seine Pionierleistung aber gebührt ihm definitiv Respekt.
Edit: Ein User hat mich darauf aufmerksam gemacht, dass Charnell in seinen Videoansagen antimuslimischen bzw. antiarabischen Rassismus verbreitet. Das soll definitiv nicht unerwähnt bleiben.