Kommentar: Warum der Klickkauf-Skandal auch sein Gutes hat

Deutschrap diskutiert eifrig über Klickkauf. Ein schrecklicher Verdacht steht im Raum: Sind die Charts etwa manipuliert? Ja, natürlich sind sie das. Aber das ist überhaupt nichts Neues. Und vor allem: Es braucht niemanden zu interessieren.

Aber von vorne: Seitdem das Y-Kollektiv die handwerklich gut gemachte, inhaltlich aber sehr dünne Doku über einen angeblichen Hacker veröffentlicht hat, in dem dieser ohne namentliche Nennung „den fünf größten Rappern“ unterstellt, im großen Stile Klicks auf Spotify und YouTube zu kaufen, wird in Kommentarspalten über nichts anderes mehr geredet.

Dabei ist natürlich sehr praktisch, dass der anonyme Hacker keine konkreten Namen nennt (bzw. diese ausgepiept werden), die Doku den Verdacht aber – ohne konkrete Beweise – in eine bestimmte Richtung lenkt. Die Newcomer-Fraktion um Mero, Sero el Mero und wie sie alle heißen soll es vor allem sein, wird insinuiert.

Alles gekauft?

Das kommt der nicht kleinen Zahl an Hatern dieser Künstler gerade recht. Endlich haben sie vermeintlich greifbare Belege für ihren Hass, den sie sonst nur mit dem zwar gängigen, aber inhaltlich natürlich eher dünnen Argument: „Das ist schlechte Musik!“ begründen können. Jetzt ist also auf einmal alles, was einem nicht gefällt, gekauft. Ein Irrtum, der in einer Welt, die Zahlen für etwas absolutes, essentielles und objektives hält, kein Wunder ist, aber darum geht es hier nicht.

Es geht nicht mal darum, dass die konkreten Vorwürfe gegen die Künstler nicht oder nur sehr schlecht belegt sind. Nein, das ist mir auch egal. Hater bestimmter Künstler*innen werden immer scheinbar logische, vernünftige Gründe finden, warum sie den oder jene nicht mögen.

Was mich daran interessiert, ist etwas ganz anderes. „So lange es Charts gibt, hat die Musikindustrie versucht, sie zu manipulieren“, wird Maik Hausmann, Chartermittler bei GfK Entertainment, in einem Artikel vom Deutschlandfunk zitiert. Und das ist genau der springende Punkt: Charts haben noch nie etwas über die Musik ausgesagt. Zumindest nichts interessantes.

Malen nach Zahlen

Charts verraten, wie gut die Musik als Produkt vermarktet wird – mit oder ohne unsaubere Tricks und Manipulationen. Nicht mehr und nicht weniger. Sich damit zu beschäftigen, war schon immer überflüssig. Ein Umstand, dem wir bei rap.de bereits vor vier Jahren Rechnung getragen haben. In sehr, sehr, sehr ausführlicher Art und Weise.

Wenn also die Klickkauf-Hacker-Doku vom Y-Kollektiv etwas Gutes bewirkt hat, dann das: Dass alle einsehen, dass Musik über Zahlen beurteilen und einordnen zu wollen, Quatsch ist. An dieser Stelle dafür ein großes Danke. Und jetzt befassen wir uns wieder mit dem, um das es eigentlich geht: Musik, Texte, Aussagen, Gefühle und Messages. Zahlen überlassen wir den BWL-Student*innen, Informatiker*innen und Mathematiker*innen. Bitte, gerne.