Shindy am Wendepunkt: Ein Rückblick auf seine bisherige Karriere

Vom Traum von Perfektion

Doch wer Shindy aufgrund der zwischenzeitlichen Stagnation abgeschrieben hatte, sah sich getäuscht. 2016 veröffentlichte er Dreams“. Mit dem Album belebte Mr. Nice Guy seinen künstlerischen Anspruch. Künstler wie Rin, Laas und Nico Santos wurde in die Produktion des Albums integriert und sorgten für einige der Zutaten, die bei den Alben zuvor gefehlt hatten.

Wie der Titel vermuten lässt, kam Dreams“ sanfter – dafür aber auch musikalischer und stringenter daher. Es erwartete den Raphörer kein Werk aus Plastik und Kommerz. Auf dem Song „31. Dezember“ heißt es: „Noch immer das Gefühl, dass ich mei’m Vater was beweisen muss. Wahrscheinlich treibt mich das in den Perfektionismus.“

Der künstlerische Anspruch, den Shindy seit seinem Debüt erhob, erstrahlte auf beinahe jedem Song. Die beiden Tracks mit Bushido funktionierten, wirkten jedoch lediglich als nettes Beiwerk zum Rest des Albums. Shindy hatte seine Vision beinahe vollendet. Zudem war der Abnabelungsprozess von Bushido geschafft. Fernab des Frönens an Luxusartikel, Modemarken und Topmodelbitches enthüllte Shindy, was als seine größte Liebe fungierte: die Musik.

Wenig Schatten viel Licht

Lediglich die Nebenschauplätze, wie der Inhalt der Dreams“-Box (Rucksack-Gate“) oder die Videos, die zwar qualitativ hochwertig waren, denen es jedoch an einer eigenen Shindy-Ästhetik und Alleinstellungsmerkmalen fehlten, konnte man in dieser Phase seiner Karriere negativ bemängeln.

Und nun?

Shindy verfügt bereits heute über eine qualitativ hochwertige Diskographie. Dabei lässt sich seit den Anfängen bei Macht Rap eine stetige Entwicklung feststellen. Er hat in der letzten Dekade seine eigene künstlerische Vision entwickelt und eine eigenständige Identität gewonnen. Dadurch ist ihm das Kunststück gelungen, sich aus dem Schatten von Bushido zu lösen. Dabei begleitete Shindy sein eigener exorbitanter künstlerischer Anspruch. Ihm gelang es jedoch, diesen Perfektionismus elegant in Pelzmäntel, High-Class-Fashion und Sexfantasien zu hüllen, wodurch er nie angreifbar, selbstverliebt oder streberhaft wirkte.

Shindy ist noch heute, trotz Goldauszeichnungen und ausverkauften Tourstopps ein  Künstler, der über ein Entwicklungspotenzial verfügt. Sollte er nicht an seinem eigenen Qualitäts-Standard oder den Begleiterscheinungen des ArafatBushido-Splits zerbrechen, wird er in der Deutschrap-Hall-Of-Fame Platz nehmen – selbsverständlich perfekt gestylt, mit Kippe und freshem Outfit, das du dir nicht leisten kannst.