Nach seinem Debütalbum „Memo“ wollte Pimf sich etwas locker machen. Das hört man dem formatlosen Release „Justus Jonas“ deutlich an. Darüber, sich zu entlasten sowie über Smartphones, die Einstellung zur Musik und mehr sprachen wir im Interview.
Dein „Wunderkind-Status“ und der Welpenschutz sind ja mittlerweile Vergangenheit. Ist der Leistungsdruck dadurch höher geworden?
Weniger als je zuvor gerade, weil ich mir über das erste Album viele Gedanken gemacht habe. Ich bin auch der Meinung, die neue Platte ist wesentlich lockerer und losgelöster als die davor. Ich fühle mich so frei wie noch nie. Die ganze platte ist in meinem fucking Kinderzimmer aufgenommen und selbst gemischt. Ich hab einfach alles gemacht, worauf ich Bock habe und das fühlt sich gut an. Und genau dieses Feeling nimmt halt jeglichen Druck einfach weg, weil es sich so richtig anfühlt.
Wie man raushört, ist es wahrscheinlich auch für dich das wichtigste an der Musik, dass du da einfach mit einer gewissen Leichtigkeit rangehen kannst?
Ja also so vor dem ersten Album hatte ich auch voll oft so Schreibblockaden und so’n Scheiß. Das hab ich gerade gar nicht, weil ich schreib‘ einfach und wenn ich’s halt hinterher kacke finde, dann nehme ich das nicht auf oder dann liegt es halt rum. Ich hab auch 30 Skizzen in Müll geschmissen, einfach weil ich keinen Stress oder Deadlines hab. Das sind dann so die Skizzen, die wahrscheinlich bei normalen Releases auf der Bonus-EP in der Box gelandet wären oder irgendwie so.
In „So weit so gut“ sagst du, dass du gedacht hast, du wirst ein Star. Hast du damit abgeschlossen? Es wirkt nicht so, als hättest du deine Ambitionen abgelegt, aber als hättest du irgendwie dieses „Auf ein bestimmtes Ziel hinarbeiten“ ad acta gelegt, oder?
Also generell ist das vielleicht auch ein bisschen überspitzt gesagt. Ich hab jetzt nicht gedacht, dass ich das nächste große Ding werde oder so, aber natürlich erhofft man sich Dinger. Es ist ja dann auch wirklich viel passiert. Also wie gesagt, ich war mit dem ganzen Verlauf mega zufrieden. Ich hab auf dem Splash! gezockt, ne geile ausverkaufte Releaseparty gehabt. Einfach gute Resonanzen bekommen. Also ich war damit mega zufrieden, aber ich musste mich dann schon erstmal ein bisschen lockerer machen, weil dadurch dass ich – du nennst es halt „Wunderkind-Status“ – hattee, hab’ ich schon ein paar Erwartungen gespürt und auch n’ paar Vorschusslorbeeren gekriegt. Die haben mich schon ein bisschen belastet. Der Druck ist jetzt einfach nicht mehr da und dadurch bin ich halt völlig unbefangen von diesem: „Ey werd’ ich jetzt n Star?“. Interessiert keinen Schwanz, es ist mir scheißegal alter. Ich kann’s einfach machen und sofern ich das noch mache und sich das selbst irgendwie finanziert, sodass ich am Ende auf Null komme und was zu Essen habe, ist das für mich geil und deswegen hab ich da kein Stress. Was darauf dann passiert, das liegt nicht in meiner Hand und das will ich auch gar nicht so krass mit irgendwie so Marketing-Moves oder sowas beeinflussen. Ich will einfach die Mucke für sich sprechen lassen und entweder es wird größer oder halt nicht.
Auf „Einfach wieder Mucke hören“ geht es ja darum, dass nur die Musik für sich sprechen soll. Hat dich dieses ganze Drumherum nie gejuckt?
Das interessiert mich schon, so in meinem Kosmos auf jeden Fall, aber ich bin halt einfach nicht so. Also ich hab jetzt auch nicht so viel Kontakt mit der Szene oder anderen. Ich sitze in meinem Kaff mit meinen Jungs, die haben alle nichts mit Mucke zu tun. Das sind alles ganz normale Dudes und ich finde halt, in diesem Szene-Bereich sind alle so cool. Der eine kann das und der andere erfindet das. Das ist halt alles nicht meine Welt. Man muss das auch nicht immer alles so an die große Glocke hängen, mach doch einfach so: Sag nicht wie krass das ist, sondern mach einfach und lass es einfach krass sein. Ich nehme daran schon alles wahr und ich bin auch gerne irgendwie bereit, für meine Musik ein bisschen Teil davon zu sein, aber jetzt nicht auf Teufel komm raus und nicht um jeden Preis der Welt. Das wird halt alles vollkommen überbewertet. Sei es jetzt das Interview-Game, Promo-Game und Facebook-Game, das ist halt einfach alles so: „ja ok du postest jetzt ein Drittel der Tracklist alter und morgen das nächste Drittel“. Postet einfach die Tracklist alter. Und dann „Noch ein Feature – Fragezeichen“ und „Heute verrate ich einen Boxinhalt“. Ok die Instrumentals sind mit dabei alter, boom. Da denke ich so, fuck you alter. Das ist halt einfach nichts für mich. Ich sehe das, ich nehme das wahr, ich finde das auch ok, ich kann das nachvollziehen, aber es ist nicht meins.
Du bist 22, aber hast eine ausgeprägte Grown-Man-Attitude. Du wirkst einfach sehr erwachsen und reflektiert. Woher hast du diese Reife?
Ich weiß gar nicht, ob das so ist. Also ich probiere schon sehr viel, ich bin auch ein bisschen Stubenhocker und verbringe gerne viel Zeit mit mir selber und zerdenke einfach furchtbar viel. Das ist vielleicht in der Hinsicht dann irgendwie ganz positiv, dass ich Dinge reflektiere. Das hat aber auch mega seine Nachteile, weil ich mir halt einfach viel zu viel Kopf mache und manchmal an Selbstzweifeln total ersticke. Ist schwer zu sagen, also ich würde es von mir selbst nicht behaupten, dass ich jetzt so großartig der erwachsene Dude bin oder so. Für mich ist es halt voll normal, so hinterfragend sich selbst gegenüber zu sein. Aber ich bin schon auch so ein bisschen der Spießer, also auch wenn ich mit meinen Jungs so unterwegs bin auf Konzerten, Festivals und so. Dann bin ich die Mutti vom Laden, die dann sagt: „Ey Jungs benehmt euch mal, trinkt mal jetzt nicht mehr so viel, lass mal aufs’ Hotel“.
Vorhin hast du ja gesagt, dass du dich viel mit dir beschäftigst. Du sagst auch, du hast Zeit mit Selbstfindung verschwendet. Siehst du das wirklich als verschwendete Zeit? Ebenso in „So weit so gut“, wo du sagst, dass du bist ein Wrack bist. Das finde ich für 22 ein bisschen voreilig, sich da direkt so ein Statement reinzudrücken, als hätte man sein ganzes Leben verschenkt. Meiner Meinung nach ist das doch sehr gut, sich so früh an sich selbst heranzutasten und dann eben freie Bahn zu haben.
Ja, das soll auch kein Abschluss sein, das sind viel mehr so Gedanken, die man halt hat. Ich mach halt Mucke, wo soll es hingehen? Ich werds‘ nicht vorhersehen können. Ich hab keinen Job, ich weiß nicht, wo ich in zehn Jahren stehe. Ich mache halt einfach Mucke und das sind Gedanken, die ich mir dann mache. Selbstzweifel halt: wo bist du, wo führt dich dein Weg hin? Ich hab nichts in der Hand. Gerade am Anfang von dem Song sind es dann eher so die Dinger, die mich in so Negativ-Phasen einfach ficken, wo ich denke: Alter, du hast voll verschissen. Aber die Quintessenz von dem Ding ist ja dann doch, dass eigentlich alles ganz cool so ist, weil du fühlst dich dabei wohl und genau das solltest du machen. Es sind also einfach nur so momentane Gedanken, die ich da aufgeschrieben habe, die ich mir dann aber in dem Track selbst wieder ein bisschen zerrede und erkläre, aber die Gedanken sind halt trotzdem da, klar. Manchmal denke ich dann einfach, ich hätte was krasseres machen können oder könnte woanders viel mehr Geld verdienen. Man hat ja einfach solche Gedanken.
Aber gerade als Musiker kann man doch immer nach etwas streben. Es gibt doch eigentlich gar nicht diese Sackgasse, die du eben so ein bisschen herbeigeredet hast.
Naja, wahrscheinlich ne finanzielle Sackgasse. Ne, also für mich in meiner Kreativität fühle ich mich da voll unbeschränkt und frei – da ist noch ganz viel Luft nach oben. Aber dann denke ich mir halt so: Ey kannst du davon wirklich irgendwann deine Kinder ernähren? Solltest du nicht lieber jetzt in die Uni gehen und so? Das limitiert mich in meinen Gedanken halt schon ein bisschen, weil ich mir teilweise denke, das kann ich jetzt noch drei Jahre so machen, aber dann muss ich gucken. Das ist halt die einzige Limitierung, die ich in meinem Kopf immer mal habe. Und ich glaube, die haben auch andere Künstler. Viele wollen sich das auch glaube ich einfach nicht so eingestehen und es wird ja auch sehr vieles aufgebauscht und groß gemacht, was halt eigentlich nicht groß ist. Für mich ist der Status, den ich habe, völlig ok und ich sehe andere Leute, die vom Status vielleicht gleich oder vielleicht sogar noch kleiner sind als ich, die aber voll zu so einem Hype-Thema gemacht werden und sich dann irgendwas davon versprechen. Die sehen das dann eine Zeit lang unlimitiert, aber dann kommt halt irgendwann der Punkt, wo dir der Boden weggerissen wird und du fällst. Ich will diese Fallhöhe nicht haben.
Der Gesamteindruck, den mir das Release vermittelt hat, ist, dass du gerade in einer krassen Schwebephase bist. Du schaust viel zurück in deine Kindheit aber du schaust auch fragend nach vorne. Würdest du das unterschrieben?
Ja, also ich würde schon auch sagen, dass ich auf der Platte Momentaufnahmen habe, aber die gehen ja auch irgendwann damit einher. Was war gestern, wo soll es hingehen und sowas. Daran knüpft ja der Moment immer an. Dieses: Ey ich leb’ nur in der Gegenwart und so – Das ist ja auch Bullshit alter. Jeder macht sich ein Kopf über seine Zukunft und jeder flasht irgendwie auf die Vergangenheit.
Das knüpft für mich ziemlich an dein vorheriges Album „Memo“ an.
Ja finde ich auch. Also von den Gedanken her auf jeden Fall. Ich finde halt, es ist alles ein bisschen lockerer. Zum Beispiel hab ich auf „Memo“ ja nicht eine Äußerung, die so Rapbezug oder Szenebezug oder sowas hat. „Memo“ bin halt ich, das ist einfach nur eine Autobiographie, also ein Stück davon. Und jetzt hatte ich auch irgendwie das Bedürfnis, einfach mal so ein bisschen Statements zu anderen Dingen abzugeben und nicht nur immer so: Okay bei mir ist das so und so. Sondern ich hatte auch das Bedürfnis, mal zu sagen: Ey bei dir – voll scheiße. Ohne jetzt irgendwie so fiktive Disstracks zu machen oder Namen zu droppen oder so.
Auf „Chatten zuviel, reden zuwenig“ hast du einen beeindruckend unverklärten Blick auf diese ganze Smartphone-Internet-Geschichte, obwohl du ja auch eigentlich Teil dieser Generation bist – zumindest altersmäßig. Wie sehr steckst du da drin und was unternimmst du dagegen, in diesem Strudel zu versinken?
Leider zeitweise viel zu wenig, also ich steck da schon auch drin, ich nehme mich da auch selbst nicht raus, ganz im Gegenteil, das ist halt auch wirklich sehr viel Kritik an mir selbst. Ich hatte aber tatsächlich so für ein halbes bis dreiviertel Jahr WhatsApp gelöscht, einfach weil es mir auf den Piss ging. Ich wurde dann einfach sozial ausgegrenzt alter. Meine Jungs waren Fußball und Basketball spielen und ich wusste nicht mal davon. Du bist einfach gefickt. Irgendwann hatte ich dann die Schnauze voll und wollte auch wieder mitbolzen, dann hab ich mir das wieder installiert. Ohne geht’s leider heutzutage nicht mehr. Wir würden wahrscheinlich auch nicht hier zusammen sitzen, wenn nicht wir nicht unsere Social-Medias auf dem Handy hätten. Ich würde dir mit Sicherheit keinen Brief schreiben und dir mir auch keinen zurück.