rap.de: Was hält dich dann trotzdem immer noch am Rap fest?
Hiob: Es war ja nie so, dass das mich an Rap gehalten hätte. Ich wollte nie alle mit meinen Armen umschließen. Es war einfach die Musik. Die ganze HipHop-Philosophie hat für mich nie so eine große Rolle gespielt. Zu Breakdance hatte ich nie einen Draht. Das fand ich immer suspekt, die haben nicht getrunken, haben nie ordentlich Party gemacht. Nichts gegen Breakdance, ich hatte immer Respekt vor denen, aber mit meinem Leben hatte das nichts zu tun. Gesprüht habe ich auch, aber da ging es vor allem um Vandalismus und Adrenalin. Was mir aber immer am wichtigsten war, war die Mucke.
rap.de: Nervt es dich eigentlich, immer auf deine 90er Jahre Vergangenheit angesprochen zu werden?
Hiob: Manchmal schon. Ich werde ja oft darauf reduziert, ich würde 90es Rap machen. Wo ich einfach sagen muss, der Rap, den ihr heutzutage bringt, ist 80es Rap, technisch. Ist wirklich so. Gab es alles schon mal. Genauso, wie manche denken, ihr Synthiesound wäre jetzt das neueste – der Synthie war noch vor dem Sampler. Die große Electrowelle im Rap war ’83, ’84, da konnte man gar nicht in dieser Art und Weise samplen wie später. Der Sampler kam ja erst ’87, ’88, erst da konnte man größere Songschnipsel verarbeiten. Musik entwickelt sich nämlich nicht immer nur in eine Richtung. Das wiederholt sich alles immer wieder. Gut, anhand des vorhandenen Equipments entwickelt sich das natürlich immer weiter. Aber die Musik von heute ist für mich nicht relevanter als Musik, die vor 15 Jahren rausgekommen ist. Es ist für mich ein Fehler, Musik an ihrer Aktualität zu messen. Deswegen ist der Rap aus den Neunzigern aber auch nicht besser als der aus 2011.
rap.de: Zumal es das Genre ja weiter gibt, siehe die letzten Veröffentlichungen von Edo G. und Co.
Hiob: Ja, wobei ich sagen muss, gerade, was diese alten Helden angeht, das sind zwar alles schöne Platten, aber das stagniert. Da höre ich mir lieber einen Roc Marciano an, wo es wirklich radikal durchgezogen wird. Ich muss schon irgendwie noch den Hunger spüren. Ein Rapper muss mich auch von seiner Stimme und von seiner Intonation her überzeugen, ich muss merken, okay, der ist das, was er da gerade sagt. Der meint das auch so, der nimmt nicht nur einfach irgendein Album auf. Nicht, dass ich hier Zustände wie in den USA will, aber der Umstand, dass es da halt kein Hartz IV gibt, schafft eine andere Voraussetzung. Das Risiko, wenn es nicht klappt, ist eben viel höher. Deswegen ist auch der Hunger ein anderer.
rap.de: Du meintest vorhin, du hättest mit deiner Vergangenheit abgeschlossen. Äußerlich deutlich wurde das ja durch deinen Namenswechsel von V-Mann zu Hiob. Warum eigentlich gerade eine Gestalt aus der Bibel?
Hiob: Eine Zeitlang ist mir viel Scheiße passiert. Übrigens erst dann, als ich selber recht straight war. Irgendjemand hat mal den Spruch rausgehauen von wegen "Hey, Hiob". Die Story fand ich auch schon immer cool, jetzt weniger dieses religiösen Elements, aber Hiob ist eben jemand, der einfach sagt, ich glaube trotzdem weiter an etwas, obwohl mir alles wegbricht und genommen wird. Eisern daran festhalten und am Ende das Happy End. Außerdem: V-Mann kann man auch extrem schlecht taggen. Hiob ist schon von den Buchstaben her wesentlich schöner. Und ich habe dieses V-Mann-Leben nicht mehr gelebt, dieses ’Wir rennen durch die Stadt und bauen nur Scheiße jeden Tag, machen Stress wo's geht, sprengen diese und jene Party’. Damit konnte ich mich nicht mehr identifizieren. Ich bin ein sehr ruhiger Mensch geworden. Hab natürlich hin und wieder meine Ausbrüche, was auch sehr gesund ist, wenn man kein Magengeschwür möchte.
rap.de: Hat die Zusammenarbeit mit Morlockk Dilemma dich motiviert, mehr zu machen?
Hiob: Definitiv. 2004 habe ich "Fragmente" herausgebracht, da war ich kaum noch in der ganzen HipHop-Szene unterwegs, die Musik hat mich eher abgestoßen, mit wenigen Ausnahmen. Dass ich Dilemma kennen gelernt habe, hat mir viel neues beigebracht: Dass man ein Konzept macht und sich eine Deadline setzt und solche Sachen. So was gab es früher bei mir ja nicht. Da habe ich einfach einen Text geschrieben und ihn weggelegt, ihn nach einem Jahr noch mal umgeschrieben – es war nie so, dass man auf ein Ergebnis, ein Produkt hingearbeitet hat. Das hat sich also auf jeden Fall verändert. Man muss sich ja auch aufeinander verlassen können. Dadurch hat sich die Arbeitsweise verändert. Alleine, wenn man meine Releaseliste anguckt: Von 1999 bis 2004 sind es zehn Zentimeter, von 2004 bis 2011 ist es ein Meter. Ich habe meinen Output definitiv gesteigert, viele sagen mir, es wäre immer noch zuwenig, aber viel mehr möchte ich gar nicht machen.