Hiob

rap.de: Ist ja für einen berufstätigen Mann ja auch kaum zu stemmen.

Hiob: Nee. Und ich habe auch einfach nicht Lust, mir irgendwelche Sachen aus den Fingern zu saugen. Soviel passiert ja jetzt auch nicht, ich werde nicht jeden Tag angeschossen oder so.

rap.de: War es für dich auch inspirierend, in Morlockk einen musikalisch Gleichgesinnten zu finden?

Hiob: Natürlich. Als wir angefangen haben, uns Beats zu schicken, hatte ich aus einer tschechischen Krankenhaus-Serie, die nachts im MDR lief, ein Sample verwendet. Den Beat habe ich ihm geschickt. Und er schickt mir am nächsten Tag den Beat zurück, den er gebaut hatte – mit demselben Sample. Wir haben immer dieselbe Musik gefeiert. Obwohl er noch wesentlich düsterere Sachen feiert als ich. Auch raptechnisch orientieren wir uns an denselben Sachen. Manche meinen ja zu uns, ihr hört euch voll nach Non Phixion an, aber natürlich orientiert man sich an solchen Sachen. Das wird uns immer vorgeworfen, aber für mich ist es gar kein Problem, das auf Deutsch umzusetzen zu versuchen. Nicht eins zu eins kopieren natürlich. Jeder hat doch irgendwelche Vorbilder, alles andere wäre gelogen.

rap.de: Wie bist du produktionstechnisch an "Drama Konkret" herangegangen?

Hiob: Ich habe eine Menge Musik aus der Zeit Mitte der 70er bis Anfang der 80er gesamplet. Auch ältere Sachen. Generell da, wo die frühen Experimente mit Synthesizern stattfanden, die Experimentierphase, als Leute versucht haben, ein Instrument mit dem Moog zu ersetzen. Das war der Sound, den ich haben wollte. Auch dieses Heimorgelding, das hat mich zu der Zeit sehr inspiriert. Im Unterschied zu früher habe ich keine Drumloops mehr benutzt. Dieses Mal habe ich die Drums komplett aus Drumkits zusammengebaut. Die Bässe sind auch eine andere Geschichte, wir haben viel mit Subbässen gearbeitet. Das haben wir früher nicht gemacht, da haben wir bloß den Bass aus dem Sample verstärkt, was bei einem Sample aus dem Fernsehen schwierig ist. Der Sound ist dadurch jetzt satter. Und auch sauberer. Ich habe gekuckt, dass die Quellen nicht ganz so dreckig waren wie früher. Ich wollte, dass es der Stimme genug Raum lässt, denn wenn du nur Rauschen und knacken hast, wird's halt schwierig. Und dazu dann auch noch ein Drumloop, das auch scheppert wie nichts und blechern klingt. Ich wollte auf jeden Fall ein besseres Soundbild und mehr Bässe.

rap.de: Aber das analog Knackende ist schon noch drin.

Hiob: Natürlich, die Samples sind ja original von Platte. Ich habe auch darauf geachtet, dass es alles ziemlich rare Sachen sind, dementsprechend war dann auch die Qualität oft. Das Plattenknacken macht ein Sample attraktiver. Knacken ja, rauschen nein.

rap.de: Wie muss man sich deinen Alltag eigentlich vorstellen?

Hiob: Ich bin Handwerker. Da ich selbstständig bin, habe ich keinen Alltag in dem Sinne, weil ich natürlich mal drei Wochen durchackere und dann mal einen Monat nicht. Wenn man mal ein halbes Jahr jeden Morgen um sieben aufsteht, um acht Uhr morgens auf Arbeit ist und um acht Uhr abends nach Hause kommt, ist es natürlich schwierig, kreativ zu sein. Aber das habe ich in der Produktionsphase auch zurückgefahren, da habe ich geguckt, dass ich genug Zeit für Musik habe. Was natürlich auch finanzielle Einschnitte bedeutet, weil man auch Aufträge ablehnt.

rap.de: Andere machen mit ihrer Musik Geld, du musst wegen der Musik auf Geld verzichten.

Hiob: Eigentlich ja. Wenn ich in der Zeit, als ich "Drama Konkret" aufgenommen habe, gearbeitet hätte, wäre ich auf jeden Fall besser raus als mit der Musik. Aber ich will auch kein Leben führen, wo ich nur arbeite, nur für die Asche arbeite, die ich wieder ausgebe. Ich will ein Leben führen, das Sinn ergibt. Mir macht meine Arbeit Spaß, aber an der Musik habe ich wesentlich mehr Spaß. Die mache ich für mich. Der Geldschein, den ich verdiene, der ist schnell ausgegeben und längst vergessen.

rap.de: Du lebst quasi diesen kommunistischen Urgedanken: Morgens bist du Arbeiter, nachmittags Künstler..

Hiob:  Und abends Kneipenphilosoph. Ich weiß nicht, ob das ein kommunistischer Gedanke ist.

rap.de: So hat Marx sich das vorgestellt: Jeder kann alles.

Hiob: Naja, so leicht ist es auch nicht. Man muss schon immer abwägen, ist alles nicht so einfach. Man muss immer hustlen und gucken, wo man bleibt. Aber ich habe es mir so ausgesucht und mache das gerne. Ich kann mir keinen Nine-to-five-Job vorstellen, ganz ehrlich. Wüsste nicht, wie ich das machen sollte, da könnte ich mich auch gleich abknallen. Neulich habe ich ein Sprichwort gelesen: Ein Leben, in dem man das selbige nicht riskiert, wird dem Tode immer ähnlicher. Dieses sich komplett in Sicherheit wiegende, diese Selbstzufriedenheit, das möchte ich nicht. Da kann man sich gleich begraben lassen. 

rap.de: Der alte Rebell in dir lebt also immer noch.

Hiob: Ja, aber es muss schon produktive Folgen haben. Nicht einfach nur Scheiße bauen, es muss schon was dabei herausspringen – nicht unbedingt finanziell. Aber man arbeitet auf ein Ergebnis hin – bei der Arbeit wie bei der Musik.

rap.de: Du sprichst ja mit einer relativ tiefen oder zumindest normalen Stimme. Wenn du rappst, tust du das aber mit einer sehr schneidenden, hohen Stimme.

Hiob: Ja? Ich nehme eben immer sehr laut auf. Für mich ist Rap nicht sprechen, sondern eher Richtung brüllen, wütend sein. Das war die Musik, die ich immer gefeiert habe. Ich weiß, dass Onyx lyrisch nicht der Gipfel war. Aber zum Beispiel KRS-One war auch immer unglaublich laut. Wenn ich was zu sagen habe, sage ich das laut. Warum flüstern, warum sprechen? Was ich sage, meine ich so, das ist wie ein Ausbruch, ein auf den Tisch hauen. Deswegen rappe ich laut. Bei vielen Leuten fällt mir auch auf, dass sie ihre Stimme künstlich nach unten verstellen, was extrem peinlich kommt. Das klingt außerdem extrem dumm, als ob sie als Kind mit dem Kopf auf einen Stein gefallen wären.