Interview mit Juse Ju über „Angst & Armor“, Selbstironie & Spasten

Du willst Juse Ju kränken oder etwas gegen ihn sagen? Keine Chance! Das macht der Berliner schon selber. Bissig, zynisch und selbstironisch äußert Juse Ju sich auf seinem neuen Album „Angst & Amor“ zu allem, was nicht niet- und nagelfest ist. Der smarte Anfang-Dreißiger inszeniert sich selbst als sympathischen Loser mit misanthropischen Zügen – er hat einfach keinen Bock auf den ganzen Instagram-Filter-, dem Geld hinterher rennen- und Oberflächlichkeits-Bullshit. Kann man’s ihm verdenken? Wir haben uns mit Juse Ju über sein neues Album, Ironie, seine Gründe zu rappen und vor allem über Spasten unterhalten.

Ich hatte das Gefühl, an „Angst & Armor“ bist du weniger unverkrapft herangegangen, als an deine letzte Veröffentlichung „Übertreibt nicht deine Rolle“. Die Pointen sind weniger erzwungen in Szene gesetzt – du hast dich mehr gehen lassen. Kannst du das bestätigen und hast du es dir das auch zum Ziel gesetzt?

Ich rappe auf „Angst & Armor“ energischer als auf „Übertreib nicht deine Rolle“ . Es ist total wichtig, wie man die Pointen umsetzt – darüber unterhalte ich mich auch viel mit anderen Rappern. Gerade Fatoni und ich reden oft darüber, wie man die Sachen betonen muss und wo die Pause hin muss, um danach den Witz zu reißen. Aus dem Beat herauszugehen und in so einen Sprachmodus zu kommen, finde ich persönlich total geil – wenn man dabei seinen Flow behält. Darüber sprechen wir sehr viel. Also habe ich mir diesbezüglich auf jeden Fall mehr Gedanken gemacht als bei „Übertreib nicht deine Rolle“ . Allgemein habe ich länger an den Songs gearbeitet.

Ein weiterer Schritt ist, dass du keine Features auf dem Album hast.

Das liegt daran, dass mir die Leute immer damit auf den Sack gehen. Ich habe damals „Übertreib nicht deine Rolle“ veröffentlicht und alle haben nur über Edgar Wassers Part geredet. Da habe ich dann doch Rapper-Ego genug, um zu sagen: Ja ey, ich rappe da übrigens auch und nebenbei kam die Songidee von mir, den Beat habe ich auch gepickt und die Hookline war auch von mir. Ich hatte einfach keinen Bock, dass wieder alle Leute das Gegenüber stellen. Fatoni und Edgar Wasser sind halt einfach seeehr gut. Für mich rappen die beiden technisch und inhaltlich besser als 99% der Leute in Deutschland. Dagegen gut auszusehen ist halt schwerer, als wenn ich mir irgendein wacko-Feature darauf hole.

Das war ja auch das Thema in der Juice-Review damals – dass du von deinen Gästen in den Schatten gestellt wirst.

Ja, was ich ehrlich gesagt absolut lächerlich finde. Nichts gegen die Juice, ich lese dir sehr gerne. Aber in der Kritik war das irgendwie grenzwertig. Da waren ja nicht viele Features drauf – drei Features waren drauf. Und dann wurde gesagt, Fatoni und Edgar Wasser stellen mich in den Schatten – bei 11 Tracks mit drei Features. Man kann das zwar sagen, wenn das die Meinung des Autoren ist. Man muss ja dazu sagen: Das hat mit der Juice nichts zu tun, sondern mit der Meinung eines einzelnen Autoren. Wenn der das so gesehen hat – okay. Aber bei einem Album mit so wenig Featureparts erachte ich das nicht für sinnvoll. Von etwa 25 Parts sind vier nicht von mir, dann zu sagen „Ja diese vier stechen krass heraus“ – ja, wenn man halt irgendwas sagen möchte. Hätte er gesagt, er findet, dass ich scheiße rappe, dann hätte ich das noch eher angenommen.

Die dritte Neuerung ist, dass du das Album auf CD pressen lässt.

Die CD und die Vinyl kommen hauptsächlich, um etwas zu verkaufen. „Übertreib nicht deine Rolle“ wurde 13.000 Mal ‚runtergeladen. Das sind genau so viele Downloads wie auf LGoonysSpace Tape„. Wenn 13.000 Leute es herunterladen, dann würden das ja vielleicht 500-1.000 Leute kaufen. Wäre ja dumm, dann auf das Geld zu verzichten. Was viele Leute nicht wissen: Ich mache diese Musik nicht bei mir zuhause und mische das dann selber, sondern ich nehme das im Studio auf und es entstehen Kosten durch Cover-Artworks, Master et cetera. Das sind ja Profis, die das machen – und die möchte ich auch bezahlen. Ich zahle nicht die Marktpreise, sondern Freundschaftspreise, aber ich gebe schon Geld aus. Selbst wenn ich die Tonträger alle verkaufe, komme ich immer noch nicht in den Plus-Bereich. Ich verdiene damit kein Geld, sondern mache Verlust. Das ist in Ordnung, ich habe ja einen Job und kann mir das leisten. Andere Leute fahren mehrmals jährlich in den Urlaub und geben dafür Geld aus – ich mache das nicht. Angeln, Mostertruck Rallyes, Swinger Clubs – alles teuere Hobbies. Mach ich alles nicht. Außer Swingerclubs. (grinst)

Also machst du das aus der berühmten Liebe zum Spiel?

Also, ich mache das schon, weil ich Bock darauf habe und auch weil mein Umfeld mich motiviert. Die werden auch immer besser und erfolgreicher. Wenn man in so einem Freundeskreis ist, in dem alle Basketball spielen, will man ja nicht der Typ sein, der am Rand sitzt und sagt „Hey, schöner Dreier!“, sondern auch aufs Feld. Vor allem aber, mache ich das, um die Menschen zu beleidigen, die mir auf den Sack gehen. Das ist der Hauptgrund aus dem ich rappe. Diese Leute die man trifft und bei denen man nur denkt „Boah seid ihr Spasten!“. Man geht dann ja nicht auf die zu und sagt das – was sollte das auch bringen? Aber trotzdem habe ich den Drang, diesen Hass loszuwerden. Bei mir ist das ja immer irgendwie Battle. Aber halt kein Rapbattle, sondern Battle gegen die Welt.

Wie du selber sagst, bist du hasserfüllt, bissig, battlest du. Gleichzeitig wirkst du aber stets sympathisch. Willst du das überhaupt?

Ich weiß nicht, ist das gut, als Rapper sympathisch zu sein? Ich hab‘ manchmal das Gefühl, ein dummes Arschloch zu sein kommt besser an. Wahrscheinlich machst du diese Sympathie daran fest, dass ich das ein bisschen selbstironisch mache und nicht so ernst nehme. Das ist halt tatsächlich mein Selbstbild. Es gibt Rapper, die haben ganz andere Selbstbilder. Sie sind der Boss und alle andere sind ihre Untertanen. So sehe ich mich selber aber nicht. Ich sehe die auch nicht so. Diese ganzen Rapper, die offenbar keine Fähigkeit zur Selbstkritik haben. Schön, wenn die wirklich so selbstbewusst sind und sich selber so geil finden – dann beneide ich sie darum, dass sie sich so geil finden können. Aber manchmal ist man halt ein Verlierer. Manchmal macht man Frauen an und steht am Ende da wie der letzte Spasti. Das ist halt so. Ich verarbeite das ja nur. Meine Einstellung ist so: Ich bin schon ein ziemlicher Spast. Aber die ganzen anderen Leute sind halt auch Spasten.

Wenn alle Spasten sind, dann ist ja niemand ein Spast.

Die einzigen Leute, die keine Spasten sind, sind die, die wirklich behindert sind und Spasmen haben. Das sind für mich keine Spastis. Der Mensch an sich ist ein Spast. Es gibt sonst noch ein paar Leute, sie sind keine Spasten. Aber das sind sehr wenige. Man kann einfach das Wort „Mensch“ durch „Spast“ ersetzen. Menschen sind primitiv, dumm und machen Scheiße. Wenn sie sich aber selbst darauf feiern, finde ich das witzig. Insgesamt finde ich Menschen sehr witzig, weil sie so unfreiwillige Realsatire produzieren, indem sie sich selber so unfassbar ernst nehmen. Gerade die Musikindustrie allgemein ist ein Haifischbecken der lächerlichen Egos. Ich spreche das ja auf dem Album auch an. Da kommen dann so Leute, die sind in der Musikindustrie, weil sie sich gerne mit Künstlern umgeben möchten, um in deren Schlaglicht zu stehen. Das ist das armseligste, was ich mir vorstellen kann. Entweder du bist ein Künstler und versuchst da mitzumischen, oder du bist es halt nicht. Aber wenn jemand kommt und mir sagt „Ja, ich kenne Casper oder Marteria oder Bushido“ oder „Ich habe Mal das Booking für K.I.Z. gemacht“ , dann denke ich mir: „Ja, das ist halt dein Job. Du bist deshalb nicht K.I.Z. – es färbt auch nicht auf dich ab. Die sind dope, du könntest vielleicht ein sympathischer Mensch sein, wenn du damit nicht hausieren gehen würdest. Das interessiert mich einen Dreck.“ . Das ist einfach das Ding. Da werden Menschen dann lustig und lächerlich. Das ist immer so. Ich bin ja in Japan aufgewachsen und bin mit 11 nach Kirchheim im Schwabenland gezogen. Dort gibt es diesen Prototyp „Zampano“. Das sind halt so Schwaben, die sind dann in der CDU Ortsgruppe und sind halt die Kings auf dem Feuerwehrfest – das ist der Zampano. Die nehmen sich auch wahnsinnig wichtig. Wenn du da so hergehen würdest und sagst: „Du, Gerd, du bisch gar ned so geil“ dann wär das so „Na, was sagscht du? I han mir a Haus ‚baut, drunda in Tübingen“ und so entstehen diese komischen Maschendrahtzaun-Konflikte. Das ist alles sehr lustig. Wenn man die Menschen an sich nicht mit Humor sieht, kann man sich gleich erschießen.

Du selbst hebelst das ja aus, indem du entwaffnend selbstironisch bist.

Ich find‘ mich selbst halt wirklich oft scheiße. Ich habe das auch früher bei Battles oft gemacht, damit hatten viele Gegner große Probleme (lacht). Wenn man erst sich selbst und dann den anderen disst, was will er dann noch sagen? Dieses 8 Mile Ding. Ich hab‘ das aber gar nicht so von ihm übernommen, das ist halt einfach meine Art.

Du hast zwar viele klare Aussagen auf dem Album, aber dein wichtigstes Stilmittel ist diese Ironie, dieser Zynismus. Dadurch kann man dich aber kaum auf irgendwelchen Aussagen, die du triffst, festnageln. Versteckst du dich hinter der Ironie?

Ich würde schon sagen, dass ich Aussagen mache und die so meine. Ich mache die Sachen halt größer oder drehe sie um, aber die Aussage bleibt ja die selbe. Das ist dann auch immer meine echte Meinung. Vieles meine ich halt ernst, obwohl ich selber weiß, dass es dumm ist.

Viel Kritik äußerst du am materialistischen, konsumorientieren Mindstate.

Ich bin in dem Sinne kein Linksautonomer oder so, dass ich sagen würde, wir müssen die Schlüsselindustrien verstaatlichen oder so. Aber gerade in dieser Zeit macht der globale Kapitalismus, wie er jetzt ist, viele Menschen sehr unglücklich. Das kritisiere ich – mich macht es auch unglücklich. Also boxe ich darauf ein. Ich finde es auch schwierig. Die ganzen vermeintlich einfachen Lösungen, die Leute anbieten, sind Bullshit. Jeder, der sich ein bisschen mit Wirtschaft beschäftigt – was ich sehr viel tue – der weiß, dass das wie Schach ist. Jeder Zug bringt einen Gegenzug mit sich, deshalb ist es sehr schwer. Was mich ärgert, ist, dass man mit einer etwas linkeren Haltung, direkt als hängen geblieben verschrieen wird. Ich habe das Gefühl, oft wird dieser Zeigefinger gehoben. Wenn ich jetzt Prinz Pi vorwerfen würde, ein Album über Teenie-Probleme zu machen, um Geld zu verdienen. Dann wird einem sofort Vorgeworfen: Ja, du bist ja so ein hängen gebliebener Realkeeper. Eine Ideologie zu kritisieren und zuu glauben, man würde ohne eine eigene rumlaufen, macht keinen Sinn. Wenn du sagst, mach was du willst, Sellout ist okay, dann bist du quasi neoliberal. Kannst du ja sein, ist ja okay. Aber dann sei konsequent, wählt die FDP oder die AFD und sei damit zufrieden. Kann man ja machen, ich bin ja für freie Meinungsäußerung (lacht). Jeder darf den Bullshit reden, den er will, er muss nur damit rechnen, dass ich dann komme und ihm ins Gesicht scheiße.

Was geht es dich denn an, was die Leute für Bullshit reden oder wo die tätowierten Agentur-Menschen mit ihren schönen Frisuren herumstolzieren?

Ich arbeite ja beim Radio, ich hab also viel mit Menschen zu tun, die mir auf den Sack gehen. Ich muss mit denen arbeiten und denk „Mein Gott, bist du ein Spast.“ Ich hasse die ja auch nicht in dem Sinne, ich finde viele von denen einfach fake. „Die“ – ich sage absichtlich die, also diese stereotypen Agenturen-Label-Menschen – die laufen dann auf irgendwelchen Veranstaltungen rum und haben ihre Prosecco-Welt. Die trinken zwar keinen Prosecco, sondern Mate-Wodka, aber die laufen da rum und verkaufen irgendwelche Künstler, die wirklich ’n Issue haben. K.I.Z. oder Casper oder so – das sind Künstler, die ich krass respektiere. Das ist auch super, dass die auf 1 gehen. Die haben wirklich eine Haltung. Diese Leute, die aber um sie herum sind, denen glaube ich nicht, dass sie das fühlen oder die Haltung verstehen. Diesen BWL-Schlampen glaube ich nicht, dass sie diese Musik fühlen und gerne hören, oder sich nicht nur lieber ins Licht dieses Images stellen wollen. Ich bin gar nicht dagegen, dass man da ein Geschäft draus macht – das muss man ja. So wie ich das mache, Vollzeit zu arbeiten und dann noch Musik, das macht einne kaputt. Ich verstehe jeden, der von der Musik leben will. Da braucht man dann halt auch Leute, die sich um was kümmern. Man kann nicht alles alleine machen. Ich scheitere da ja selber gerade dran. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand mit diesem Business Geld verdient, ich glaube vielen nur nicht, dass sie das Produkt, das sie verkaufen, wirklich gut finden. Wenn Manager sich das wenigstens eingestehen und sagen: „Ich sehe ein Produkt und ich will das verkaufen. Ich sehe da Geld drin.“ ist das wieder korrekt. Die sollen nur nicht auf cool machen. Die sollen nicht tun als wären sie HipHop oder sonstwas.

Viele deiner Referenzen und Punchlines haben einen Bezug zu aktuellen Themen. Gehst du damit nicht das Risiko ein, dass deine Musik eine sehr geringe Halbwertszeit hat?

Heutzutage hat doch nichts mehr eine lange Halbwertszeit. Ich kann mir heute immer noch von „Vom Bordstein bis zur Skyline“ anhören, aber heute halten die Sachen in ihrer Aktualität ja meistens nur ein bist zwei Jahre. Ich bin ein großer Freund davon, aktuelle Sachen anzusprechen und über Dinge zu reden, die nicht jeder versteht. Als ich das erste RAG Album mit 15, 16 gehört habe, habe ich die Hälfte der Sachen, die Aphroe gesagt hat, nicht verstanden. Aber seine Haltung fand ich trotzdem geil. Es ist also gar nicht so wichtig, dass jeder jede Zeile und Referenz versteht. Es geht um Bawrzzz (lacht). Es geht um den Style und die Attitude. Ich habe ja auch nicht vor, jetzt zehn Jahre kein Album mehr rauszubringen, ich bin ja nicht Pink Floyd.