Xavier Naidoo, Kool Savas und Freunde
"Rest in Peace" von Nina
Auch wenn uns von Xavier Naidoo und Kool Savas angeraten wurde, nicht zurückzuschauen, müssen wir es tun, denn schließlich hieß es in ihrem Song auch, wenn man es täte, fände man Glück. Womit wir auch ohne Umschweife zum Problem des Abends kommen: Ausschweifende Glücksbotschaften und eine übergroße Portion Liebe, die aus den Zeilen der Künstler quillt.
Tatsächlich war es ein sehr kurzweiliger Abend, wobei er auch länger hätte sein können – zu viele Stars für knappe drei Stunden. Einige kamen zu kurz und andere zu lang. Während auf den Plakaten angekündigte Künstler wie sido nur einen einzigen Song zum Besten gaben, fühlte sich das gesamte Konzert, selbst wenn Xavier Naidoo mal nicht auf der Bühne stand, wie von ihm durchtränkt an.
So spielten alle Künstler nur Titel, die Liebe und Glück zum Thema hatten oder Botschaften wie "du kannst alles erreichen" parolierten. Wenn das Performte ausnahmsweise nicht in diese Sparte passte, so kann es sicher unter der Rubrik "leichtfüßiges Entertainment" unterkommen. Es war alles sehr einheitlich, eine sehr poplastige, homogene Musikmasse.
Das ließ das Line-Up nicht unbedingt erahnen: Seit wann ähneln die Texte von Savas denen von Naidoo? Seit wann können Rapper so gut mit fundamentalistischen Christen? Seit wann spielt Lokalpatriotismus im Rap keine Rolle mehr? Und seit wann sind überhaupt alle Freunde?
Fakt ist: Seitdem alle Freunde sind, ist die o2 World in Berlin Mitte ausverkauft. 15 000 junge Menschen, erstaunlicherweise ähnlich viele weibliche wie männliche Fans, fanden sich am Samstag ein und feierten bei allen Acts mit ähnlich viel Enthusiasmus. Gut moderiert war die Show, Kool Savas war sowohl bei der Moderation als auch in der Auftrittskette hervorstechend gut und man wird ihm auch den Titel "Sky is the Limit" verzeihen können, wenn man betrachtet, dass dieser im Rahmen eines Jugendprojekts entstanden ist.
Marteria spielte drei Songs und ließ leider nicht ansatzweise soviel Stimmung aufkommen wie Savas. Was vielleicht an der Wahl der Titel lag – es hätte gern ein pöbelndes "Du willst streiten" oder etwas sozialkritisches wie "Kate Moskau" sein dürfen – schlussendlich spielte er jedoch "Verstrahlt", "Endboss" und "Sekundenschlaf" und Peter Fox war bei letztgenanntem einer der prominenten Überraschungsgäste, der hoch gefeiert wurde.
Einer der wenigen, die ganz nach alter Manier performten, war Jan Delay. Bei "Türlich Türlich" trat ein weiterer Überraschungsgast auf die Bühne: Das Bo. Für die Zugabe waren schlussendlich – wen überrascht es – Xavier Naidoo und Die Söhne Mannheims zuständig. Gottseidank sprachen sie nicht allzuoft von Gott.
Es war nicht alles schlecht an diesem Abend. Im Grunde genommen war es sogar ein sehr schönes Konzert, nur ein bisschen zu gefühlsduselig und zu poppig. Eingefleischte Rapfans kamen aber sicher nicht auf ihre Kosten. Für diese könnte leicht der Eindruck entstehen, es gehe mit dem deutschen HipHop unaufhaltsam bergab. Oder wurde der Sarg bereits ins Grab gelassen, während Naidoo die Andacht hält?
"Alle MCs sind schwul in Deutschland" von Micha
Nachdem im letzten Jahr einige katastrophale Veranstaltungen organisiert wurden, wie zum Beispiel der Help Music Award in Berlin, hätte ich meinen Allerwertesten darauf verwettet, dass auch bei einem so groß angekündigten Event wie "Wir beaten mehr" die Künstler nur vor einem Publikum von 300 Personen auftreten würden.
Zum Erstaunen aller Skeptiker war die o2 World jedoch bis auf die letzten Plätze ausverkauft. Mehrere tausend Fans warfen sich für diesen besonderen Abend in Schale und erwarteten spannungsgeladen ihre Lieblingskünstler.
Kool Savas und Xavier Naidoo besannen sich auf ein harmonisches Miteinander und führten als Moderatoren durch das Programm. Dabei versuchten sie den Zuschauern immer wieder aufzuzeigen, dass anwesende Musiker ihre persönlichen Differenzen endgültig hinter sich gelassen haben und nun gemeinsam in Richtung Zukunft blicken.
Nach der sich ständig wiederholenden Phrase "Berlin könnt ihr mich hören? Dann hebt eure Hände!", mutierte die Veranstaltung zu einem regelrechten Schlagerfest, bei dem das Publikum zum Rhythmus in die Hände klatschte und dargebotene Texte inhaltlich stark an Songs von Peter Maffay erinnerten.
Neben bekannten Popmusikern wurde die Crème de la Crème der deutschen Rap-Elite (Money Boy war nicht anwesend) überraschend positiv vom Publikum empfangen. Als Kool Savas erklärte, dass der nächste Song, den er performen wird, einer der bedeutendsten Songs seiner musikalischen Laufbahn sei, wünschte sich wohl jeder Hip Hop-Fan in der Halle, dass der 35-jährige Rapper den Klassiker "LMS" auspacken würde. Leider vergebens.
Da so viel Harmonie zwischen Battle- und Gangsta-Rappern schon glatt gekünstelt wirkte, bleibt nicht mehr viel zu sagen als: "Was geht mit euch? Alle MCs sind schwul in Deutschland!"