KRS-One

Journalist 1: Gerade in Afrika ist Hip Hop eine Kultur, die vielen jungen Menschen Hoffnung gibt und dein Projekt "Temple of Hip Hop" ist dort sehr weit verbreitet. Wie kann der Temple afrikanischen Hip Hop unterstützen?

KRS-One: Zuerst einmal muss ich da hinfahren. Ich wurde schon mehrfach gebeten, in verschiedene afrikanische Länder zu reisen, aber sie wollten, dass ich mit dem Flugzeug komme, aber ich reise nur per Schiff. Aber irgendwie werde ich es schon schaffen.
Aber um auf die Frage zurück zu kommen, wie wir Menschen in Afrika unterstützen können: ich bin Hip Hop in seiner Wesenheit. Ich hoffe, dass die Menschen in Afrika sehen können, was es heißt ZU SEIN, nicht was wir tun. Tun und machen ist ok. Man sieht uns rappen und breaken, das kann man nachmachen, dann kann man auch rappen und breaken, aber kann man zum Beispiel die Regierung sehen, die uns regiert. Wenn man George Bush sieht oder von mir aus auch Barack Obama, aber wenn man George Bush Junior anguckt und dann schaut man sich George Bush Senior an und dann schaut Ihr Euch im Verhältnis dazu uns an – das ist es, was wir Afrika zeigen wollen. Wir wollen denen zeigen, dass wir immer noch sagen: "Fuck The Police!". Jeden Tag, immer wieder.
Wir wollen diesen Leuten zeigen und ihnen ein Beispiel geben, indem wir sagen: Habt keine Angst vor Eurer Regierung. Habt keine Angst vor dem Schulsystem oder der Polizei. Ihr seid stärker als die. Das ist es, was Hip Hop erreicht hat, das ist das, was Hip Hop in den Vereinigten Staaten geschafft hat.

Die Musik war nur ein Zeichen unserer Freude über den Sieg, den wir errungen haben. Das ist das, was dann alle mitbekommen haben: Rap, Breakdance. Aber davor war es eben die Bürgerrechtsbewegung in den 60er Jahren in den Vereinigten Staaten. Hip Hop geht los mit Malcolm X, mit der Black Panther Party. Da fängt es an. Jamaikaner, die in die USA auswandern. Jamaika hat erst 1962 seine Unabhängigkeit erreicht und schon 1967 kam Kool Herc aus Kingston, Jamaika in die Bronx nach New York. Die Familie von Afrika Bambaataa kommt aus Kingston. Grandmaster Flash: Aus Jamaika in die Bronx. Wenn man sich das anschaut, das sind afrikanische Menschen von überall auf der Welt, die an einem Punkt zusammenkommen, um den Geist von Afrika, der gesamten Menschheit, zu präsentieren.
Hip Hop ist afrikanisches Erbe. In Afrika gab es früher die Tradition der Griots und Djèlis, das waren Storyteller, die von Dorf zu Dorf gezogen sind und gefreestyled haben. Lasst uns das mal dick unterstreichen: Die haben gefreestyled!!! Und den Leuten etwas über ihre Geschichte und ihre Kultur erzählt. Die sind mit Tamas, den Talking Drums herumgezogen: DAS IST ALLES HIP HOP! Capoeira hat sich als Tanz der Sklaven aus Angola entwickelt und hat die Moves beim Breaken beeinflusst. Das ist alles afrikanisch und ich hoffe ganz einfach, dass Afrika sich selbst erkennen kann.

Journalist 1: Eine andere Frage ist, ob und wie die Leute aus den USA mal afrikanischen Hip Hop hören können? Hast Du da mal an eine Art Kulturaustausch gedacht?

KRS-One: Zuerst einmal müssen sie trotzdem dran glauben, dass sie Hip Hop sind. Ich stelle oft fest und das gilt für alle Künstler, die nicht aus Amerika kommen, dass diese Künstler sagen: Amerikaner sind Hip Hop und wir versuchen es nur. Das ist falsch. Das ist nicht das, wie Hip Hop wirklich ist. Wenn man sich nur vorstellt, wie es in der Bronx ist. Da gibt es Afrikaner in der Bronx, aus ganz unterschiedlichen Teilen von Afrika, da gibt es Puerto Ricaner und Latinos, Griechen, Deutsche, Iren, Holländer. Alles in der Bronx. Christen, Moslems, Juden, Hindus, alles in der Bronx. Wir sehen alle Menschen der Welt in New York. Jede einzelne Kultur der Welt lebt in New York. Wenn wir also feiern und auflegen und all das, dann rocken wir sowieso schon China, Italien, Afrika, Australien, Brasilien, alles in einem einzigen kleinen Club.
Nehmt zum Beispiel Slick Rick, er kommt aus London. Slick Rick ist einer der größten Rapper aller Zeiten, das Album "The Adventures Of Slick Rick“ ist unfassbar. Das ist der Wahnsinn. Aber wenn Du nach London gehst, dann sagen die Leute, dass sie Jay-Z brauchen, dass sie 50 Cent brauchen, oder damals zu der Zeit, dass sie Public Enemy bräuchten oder KRS-One. Die haben nie an Slick Rick gedacht, der aus London stammt. Und darum geht es: Vergesst Amerika! Amerika ist eine Illusion. Es gibt kein Amerika. Menschen aus der ganzen Welt kommen in dieses eine Land und behaupten, dass sie Amerikaner seien.
Es gibt keine Amerikaner. Die einzigen Amerikaner, die es wirklich gibt, das sind die amerikanischen Indianer. Das sind die ersten Völker, die dort gelebt haben. Cherokees, Irokesen, diese Stämme, das sind Amerikaner. Alle anderen kommen von hier oder aus einem anderen Land und jetzt behaupten die Leute, Hip Hop sei amerikanisch? Das stimmt nicht. Hip Hop wurde von der ganzen Welt erfunden. Vielleicht wurde es in der Bronx erfunden, aber von der ganzen Welt.

Wenn die Leute also sagen: "Hip Hop war in der Bronx", na gut. Aber da gab es auch Juden, die zu Hip Hop abgegangen sind. Da gab es Italiener. Da gab es einen Typen, der hieß Sal. Er war einer der ersten, der Hip Hop irgendwie finanziert hat. Dem gehörte ein Club, der sich Disko Fever nannte und das Disko Fever ist einer der bekanntesten Clubs in New York, wenn es um Hip Hop geht. Das war einer der ersten Orte, wo Hip Hop Parties stattgefunden haben. Cold Crush, Busy Bee, alles waren sie da und haben ihre Routines gekickt im Disko Fever.
Das war der Beginn von Elektro. Das habt ihr alle mitbegründet. Ihr habt diese Kultur gestartet. Das ist wichtig. Das müsst ihr wissen. Wenn ihr denkt, Neapel, Mailand, Berlin, Paris, das ist ja nicht die Bronx, dann müsst ihr wissen, dass er aus Neapel oder so gekommen ist und die Bronx das gestartet, oder ermöglicht hat.
Irgendwann habe ich mal gehört und es wurde behauptet, Reggae wäre in Spanien erfunden worden. Reggae? Wie soll das gehen, aber genau darum geht es. Schaut nicht auf die Musik. Schaut auf die Kultur. Wenn ihr auf die Kultur schaut, dann entdeckt ihr, dass da alle möglichen Leute drin stecken und mitarbeiten. Dann seht ihr den echten Hip Hop. Dann seht ihr, wie Hip Hop wirklich ist. Hip Hop ist die Vereinigung der Weltkulturen, weil genau das war es, wie es 1973 mit Kool Herc angefangen hat.  Jeder war dabei und jeder hat was dazu beigetragen und am Schluss wurde es Hip Hop. Und deshalb gibt es Hip Hop eben nicht nur in der Bronx sondern auch hier. Hip Hop ist genau hier in diesem Raum.