Cypress Hill

Sechs Jahre liegt das letzte Album von Cypress Hill nun schon wieder zurück, was in der Zeit von mp3 und mega-uploads eigentlich… nun ja. Wer kennt eigentlich noch Cypress Hill?
Seit sie 1991 ihren ersten Plattenvertrag unterzeichneten sind mittlerweile fast zwei Jahrzehnte vergangen und die JUICE widmete ihnen im letzten Oktober ein sechsseitiges Kings Of Hip Hop Special.
Wenn man sich eine CD mit dem Soundtrack fürs Leben zusammen stellen dürfte – Cypress Hill müssten mit Sicherheit dabei sein – wozu sollte man schließlich sonst kiffen?
Doch damit hat das aktuelle Album "Rise Up“ der Jungs aus Kalifornien herzlich wenig zu tun. Wir hatten die Gelegenheit mit B-Real am Telefon über westcoast Hip Hop, Politik und Veränderung oder nicht zu sprechen.   

rap.de: Es liegen sechs Jahre zwischen "Till Death Do Us Part“ und "Rise Up“. Was habt ihr in der Zeit gemacht?

B-Real: In den ersten drei Jahren haben wir Solo-Sachen releast. Muggs hat diverse Mixtapes gemacht und allgemein viele Projekte am Start gehabt, Sen Dog hat sein Soloalbum "Diary Of A Mad Dog“ veröffentlicht, Bobo hat seine Platte gemacht, ich habe "Smoke N Mirros“ raus gebracht… Es hat also jeder für sich sein Ding gemacht. Außerdem war da die Sache mit Sony. Wir wollten nichts machen, was nicht zu uns, zu Cypress Hill, gepasst hätte. Als wir dann endlich bei Sony raus waren, sind wir sofort wieder ins Studio gegangen und haben angefangen, am Album zu arbeiten. Das ist drei Jahre her. Wir haben also jeweils drei Jahre an einer Sache gearbeitet und diese Zeit brauchen wir einfach. Die ersten drei Jahre waren quasi für unsere Soloprojekte und die anderen drei haben wir die Songs für das Album gemacht.

rap.de: Wie ist das, wenn Ihr Eure Solo-Sachen macht? Habt ihr da Kontakt untereinander und helft Euch gegenseitig, oder seht ihr Euch dann erst mal nicht mehr?

B-Real: Wir sehen uns definitiv trotzdem regelmäßig und versuchen uns gegenseitig zu unterstützen. Ich habe ein paar Songs für Sen Dogs Soloalbum und die The Reyes Brothers-Sachen produziert. Ich habe auch bei den Alben von Muggs und Bobo mitgearbeitet… Es ist nicht so, dass wir uns dann voneinander entfernen und sagen: "Oh nein, ich ertrage es nicht mehr, weiter mit Dir zusammen zu arbeiten!“. Wir sind sehr kreative Menschen und hatten vorher noch nie so unabhängig voneinander gearbeitet. Sony hat uns nie erlaubt, irgendetwas außerhalb von Cypress Hill zu machen. Ich durfte nur dieses Album mit Psycho Realm veröffentlichen, weil die auch bei ihnen gesignt waren.

rap.de: Wie lange wart ihr bei Sony?

B-Real: Ungefähr 16 Jahre. In der Zeit haben wir acht Alben raus gebracht beziehungsweise sieben Alben und eine Greatest Hits-Platte. Dann auch noch das achte Album bei ihnen zu machen, wäre keine gute Idee gewesen.

rap.de: (lacht) Wow, 16 Jahre. Wenn man eure musikalischen Wurzeln mit der Musik vergleicht, die ihr jetzt macht, dann fühlt es sich so an, als hättet Ihr angefangen, Euch zu verändern. Ihr habt natürlich schon immer Hip Hop gemacht mit etwas Crossoveranteil, aber "Rise Up" ist sehr rockig und auch das Video ist sehr ungewöhnlich. Ist das eine Stiländerung oder ein Fortschritt?

B-Real: Ich würde es als einen Fortschritt bezeichnen. Ich denke nicht, dass wir unseren Style komplett geändert haben, weil wir etwas ähnliches schon bei "Skull & Bones" gemacht haben? Der einzige Unterschied ist, dass Tom Morello auf unseren Songs spielt und damit erreichen wir natürlich ein vollkommen neues Level. Wir waren sechs Jahre weg. Nach all der Zeit mit etwas anzukommen, was die Leute schon zu genüge gesehen haben, wäre nichts besonderes.
Darauf bräuchte man dann als Fan nicht sechs Jahre warten, verstehst du? Deshalb mussten wir das auf ein vollkommen neues Level bringen. Ich denke, das hier ist einfach nur eine neue Ebene, von dem, was wir tun, was wir sind und was wir immer schon gemacht haben.

rap.de: Wie kam es zu dieser Kollaboration? Wie seid ihr mit Tom Morello zusammengekommen? Er ist wahrscheinlich einer der krassesten Gitarristen dieser Welt.

B-Real: Wir kennen Rage Against The Machine und Tom Morello schon seit etwa 1992. Wir sind dicke Freunde. Wir haben verschiedene Shows und Touren zusammen gemacht und bei einigen Projekten zusammengearbeitet. Die Zeit war einfach reif dafür. Nachdem wir alle Hip Hop Tracks für das Album aufgenommen hatten, beschlossen wir Tom anzurufen und zu gucken, was er dazu beitragen könnte und ob er überhaupt etwas beitragen möchte, denn er muss es schon auch wollen, damit es wirklich gut wird.
Als wir ihn fragten, war er hellauf begeistert. Als er uns den Track gab, wussten wir sofort, was wir darauf machen wollen und es hat unsere Erwartungen weitaus übertroffen und wir fragten ihn nach einem weiteren. Wir sagten: Wir wissen, dass wir Dich nur nach einem Track gefragt haben, aber das ist so großartig geworden, könntest du noch einen machen? Er meinte: Klar, kann ich machen und so kam das alles Zustande.

rap.de: Im Song heisst es "Rise Up To The Top". An wen ist dieser Song gerichtet und wie sehr ist es ein Track an Euch selbst als Band?

B-Real: Der Track ist für jeden. Wenn man etwas tut, dann möchte man darin meist auch der Beste sein. Ganz egal, worum es sich handelt. Der Track ruft zu verschiedenen Dingen auf. Er ruft dazu auf der Beste in dem zu sein, was man tut. Er ruft dazu auf, deine Gedanken auszusprechen. Es gibt eine Menge Leute, die frustriert sind wegen den verschiedensten Sachen, die in dieser Welt vor sich gehen und diese Menschen haben Meinungen dazu, aber statt sie zu äußern verschließen sie sich und sagen nichts. Dafür steht "Rise Up".

rap.de: Welches Konzept steht hinter dem gesamten Album? Welche Atmosphäre wolltet ihr dem Album verpassen und war es schwer die Tracks für das Album auszuwählen?

B-Real: Nein, es war überhaupt nicht schwer. Es war schwerer herauszufinden, was wir mit den übrig gebliebenen Tracks machen sollen, denn die mochten wir auch.
Das Album "Rise Up" basiert auf dem gleichnamigen Song. Der leitet im Grunde genommen alles. Wir hatten ein Gefühl, in welche Richtung das Album gehen sollte und als wir
diesen Song fertig hatten, war es wie: Boom, das ist der Charakter des Albums. Das Album war zwar schon am Leben, aber es fehlte noch das gewisse Etwas.
Als Tom uns "Rise Up" gab, wussten wir, in welche Richtung wir gehen müssen und deshalb ergänzen sich das Video und das Albumcover auch so gut. Sie spiegeln den Vibe sehr
gut wider. Wir wollen, dass die Menschen ihre Meinung sagen.

rap.de: Was genau meint Ihr damit, dass die Menschen ihre Meinung sagen sollen?

B-Real: Wonach hört es sich denn an?

rap.de: Es ist sehr allgemein formuliert. Worüber genau sprecht ihr? Über Alltagssituationen? Geht es in die politische Richtung?

B-Real: Eigentlich spreche ich über beides. Manche Menschen bleiben ihr Leben lang stumm und verschlossen und das macht Menschen krank, wenn sie ihre Meinung nicht äußern können. Es ist ja nicht so, dass es Leuten egal ist oder sie nicht zuhören würden. Man muss einfach mal den Mund aufmachen und anfangen zu sprechen und das in jeder Hinsicht. Auch in politischer Hinsicht.
Die Leute mögen doch überhaupt nicht, was gerade abgeht in Amerika. Die Meinungen sind gespalten. Unsere Wirtschaft ist total abgefuckt und die Leute fühlen sich, als würden sie am Abgrund stehen. Deshalb muss man rauslassen, was man im Kopf hat, was einem auf der Seele lastet.  Man muss seine Meinung vertreten und die Leute davon unterrichten, was auf der Welt passiert.

Das ist das beste, was man machen kann. Leute zu motivieren, aktiv zu werden. Das beste Beispiel ist doch, als McCain und Sarah Palin gegen Obama angetreten sind. Sie standen dafür, das Land noch mal für vier Jahre republikanisch zu regieren und die Leute sind aufgestanden und haben sich für Obama ausgesprochen. Sie sind aufgestanden und haben gewählt und sie haben für Obama gestimmt. Darum geht es letztendlich, dass immer mehr Menschen in politische Angelegenheiten einbezogen werden, sich einmischen und Dinge verändern, von denen sie eben wollen, dass sie verändert werden.

rap.de: Wie steht Ihr eigentlich zu Barack Obama? Oder besser gefragt: Denkt Ihr heute anders über ihn, im Gegensatz zu der Zeit, in der er noch nicht gewählt war?

B-Real: Meine Meinung über ihn hat sich nicht wirklich geändert. Als er Präsident wurde, war das Land so abgefuckt und im Endeffekt hat die Bush Regierung das Land so heruntergewirtschaftet. Wie schnell kann ein einzelner Mann das ändern? Man kann ihn nicht verurteilen nach den ersten beiden Jahren.
Ich weiß, viele Leute regen sich darüber auf, aber er braucht mindestens vier Jahre, um überhaupt zu zeigen, welche Veränderungen er möglicherweise bewirken könnte, um die Fehler auszubügeln, die Bush und seine Regierung hinterlassen haben.
Er hat eine Menge beschissener Sachen von seinen Vorgängern geerbt. Dass man jetzt erwartet, dass er den Finger hebt und die Dinge sofort ändert – das wird nicht passieren. Wenn er innerhalb der vier Jahre nichts Gutes zustande bringt, dann sprechen wir uns noch mal und dann sag ich Dir meine Meinung.
 
rap.de: Glaubst Du, dass er noch mal gewählt wird?

B-Real: Ich denke, das wird sehr hart für ihn. Es ist nicht unmöglich, aber es wird wirklich sehr hart und er müsste etwas sehr radikales machen, um die aktuelle öffentliche Meinung umzudrehen, die gerade herrscht.

rap.de: Das ist ein bisschen deprimierend. Kommen wir deshalb nochmal zurück zum Album. Die Features auf dem Album sind sehr unterschiedlich. Marc Anthony, Alchemist und Pitbull. Wie habt ihr die Features für das Album ausgewählt?

B-Real: Mit Alchemist war es einfach. Er ist eh Familienmitglied. Er ist Teil der Soul Assasins  und das gleiche gilt für Everlast. Er ist ja auch ein Teil von uns. Trotzdem waren die beiden noch nie auf einem Cypress Hill Album und deshalb dachte ich, dass die Zeit reif dafür ist, was zusammen zu machen. Mit Pitbull sind wir auch schon lange befreundet und wir haben oft darüber gesprochen, dass wir was zusammen machen sollten. Durch Zufall hat dann Jim Johnson was mit Pitbull aufgenommen, zusammen mit Jennifer Lopez und da hatte er dann die Möglichkeit, mit Marc Anthony Kontakt aufzunehmen und so kam halt eines zum anderen.
Ich habe das nicht erwartet und wir haben das auch nicht unbedingt geplant aber manchmal sind die spontanen Sachen einfach die besten.

rap.de: Ich habe in letzter Zeit den Eindruck, dass der Rap aus Kalifornien oder besser gesagt aus L.A., ziemlich lokal begrenzt ist. Anders gefragt: Ist Kalifornien immer noch auf der Rap-Map?

B-Real: Ehrlich gesagt ist es kaum noch da und es ist nur noch da, weil es Künstler wie Snoop, Ice Cube, Mack10 oder Game gibt. Black Eyed Peas vielleicht noch, obwohl die mehr Crossover sind.
Die Szene ist auf jeden Fall stark zurück gegangen, weil das Radio von Los Angeles einfach die eigenen Leute nicht unterstützt. Das ist das Problem. Die spielen halt lieber Südstaatenmusik.
Man kann keine Szene aufrecht erhalten oder eine neue Szene aufbauen, wenn man die Szene nicht unterstützt und das müsste das Radio einfach machen.
Aber anscheinend sehen die Radiostationen das nicht mehr so, wie sie das früher mal gesehen haben. Die Radiomacher müssten aufstehen und Westcoast Hip Hop wieder auf Sendung bringen. Wenn sie das nicht machen, dann tragen sie halt mit dazu bei, dass die Hip Hop Szene in L.A. immer weiter den Bach runtergeht.

rap.de: Auf Eurer Seite gibt es Tourdates. Bislang nur für die USA. Kommt Ihr auch nach Deutschland?

B-Real: Wir kommen im Juni nach Europa und wir werden auf jeden Fall auch nach Deutschland kommen. Es war immer geil in Deutschland und deshalb werden wir auf jeden Fall dort eine Show klar machen. 

rap.de: Vielen Dank für das Interview.

B-Real: Ich bedanke mich. Vielen Dank.