Swollen Members

Anlässlich ihres im letzten Jahr erschienenen Albums "Armed To The Teeth" waren die Swollen Members nach dreijähriger Pause wieder einmal auf Tour in Deutschland.  
Wir treffen Mad Child und Prevail im Backstagebereich des Cassiopeias kurz vor ihrem ersten Auftritt zum Tourauftakt in Berlin. Wie von Rappern aus Übersee nicht anders gewohnt, sind die Herren, höflich, nett und ein bisschen müde. Auch wenn es sich bei den beiden bekanntermaßen um Kanadier handelt.   
Nichtsdestotrotz folgte ein interessantes, 15-minütiges Gespräch über die Sekte, Musik und was es heißt, vier Jahre seines Lebens durch Drogen zu verlieren. 
 
rap.de: Ich habe gehört, dass Du ein Feature mit der Sekte gemacht hast, vor ungefähr zwölf Jahren. Weißt Du, dass die Jungs jetzt ziemlich berühmt geworden sind in Deutschland, insbesondere sido
 
Mad Child: Sagte sie gerade vor zwölf Jahren? Vor zehn Jahren! (lacht) 
 
Prevail: Ja, ich bin wirklich stolz auf sie. Es gibt zwei sehr coole Dinge, an die ich mich erinnere. Wir waren auf dem Weg zu Bobby nach Hause, um diesen Song aufzunehmen. Die Jungs waren noch sehr jung. Vielleicht 15 oder 16 und sie hatten ein Mädchen in ihrer Crew. Sie trug einen ganz kleinen Rucksack. Sie war sehr ladylike angezogen: Kleid, Highheels. So lief sie die Straße entlang. Dann blieb sie stehen, guckte auf eine Wand, griff in ihren Mini-Rucksack und holte eine Sprühdose raus, taggte an die Wand, packte die Dose wieder ein und lief weiter. (lacht)
 
Das war sehr cool und dann sind wir in eine kleine Wohnung gegangen, wo wir aufgenommen haben. Die Jungs haben ihre Beats mit sowas wie ’nem Supernintendo gebaut. Einem Gerät wie die Playstation 1. Also sehr Oldschool das alles. (lacht) Aber ich bin sehr stolz auf sie und habe mitverfolgt was sie so treiben. 
 
Mad Child: Sind sie groß? 
 
Prevail und rap.de (gleichzeitig): sido ist sehr bekannt geworden.
 
Mad Child: Dann frag ihn, ob er noch einen Song mit uns macht. (lacht) 
 
Prevail: Hast Du den Song gehört? 
 
rap.de: Nein, leider nicht. Hätte ich gern. Ich hab mal im Internet geguckt, aber hab ihn nicht finden können. Ich denke, der wird wohl eher nicht online zu finden sein. 
 
Prevail: Er heißt "Was‘ los?" (singt die Hook) 
 
rap.de: (lacht) Habt ihr noch andere Erinnerungen an Berlin? Also regt sich etwas bei euch, wenn ihr Berlin hört? 
 
Prevail: Ja, wir sind ja immer wieder hier und das, was mich immer wieder beeindruckt, sind die Graffities. Man hat das Gefühl, es werden immer mehr und die Stadt wird immer bunter. 
 
Mad Child: Ja, es ist eine wirklich schöne Stadt. Sehr cool. 
 
rap.de: Habt ihr geglaubt, dass ihr noch so viele Fans in Deutschland habt?  
 
Mad Child: Ich möchte ehrlich zu Dir sein. Ich hatte die letzten vier Jahre ein Drogenproblem. Ich war abhängig von Schmerzmitteln, die man als synthetisches Heroin bezeichnen kann. Wir kommen jetzt nach drei, vier Jahren zurück und ich wusste überhaupt nicht, was ich zu erwarten habe – weltweit. Ich war ja komplett raus.
 
Prevail und Rob blieben an meiner Seite und wir haben weiterhin Musik gemacht. Es war natürlich ein verlangsamter Prozess. Die beiden haben mich gepackt und von der Couch gezogen, auf der ich lag und nur noch Filme geguckt habe. Sie haben mich nach oben in das Studio gebracht, wo ich dann meine Zeilen geschrieben und aufgenommen habe. Natürlich brauchte ich viel länger als vorher und ich bin den beiden wirklich sehr, sehr dankbar dafür, dass sie dafür gesorgt haben, dass wir trotzdem ein Album zustande bekommen haben in dieser Phase.
 
Ich hatte keine Ahnung, wie es sein würde, wenn ich wieder zurückkomme und es war so ein unfassbar warmes Gefühl, was mich umgab. Wir hatten nicht nur unsere alten Fans behalten, sondern auch eine Menge neuer dazu gewonnen. Eine ganz neue Generation, junge Fans mit viel Frische und Energie und dazu solche, die unsere Tracks mitrappen konnten und das ganze auch noch auf einem weltweiten Level. Hip Hop (klopft sich auf die Brust)… erfüllt dich wirklich. Von Innen, weißt du? 
 
rap.de: Nach "Black Magic" aus dem Jahr 2006 habt ihr letztes Jahr “Armed To The Teeth" released. Mir ist ein großer Unterschied in eurem Sound aufgefallen. Das neue Album geht ja schon eher in eine Mainstream Richtung, also in Richtung Club. Wie kam es dazu? 
 
Mad Child: Ich würde das nicht als Mainstream oder Club bezeichnen. Ich würde es als etwas zeitgemäßer und "street“ bezeichnen. Wir haben ein neues Projekt mit Tre Nyce. Unsere Crew nennt sich "Battle Axe Warriors". Er ist ein inoffizielles Mitglied der Swollen Members und brachte frischen Wind rein. Er ist jünger und half mir persönlich auch dabei, wieder auf den neuesten Stand zu kommen, weil ich in der Zeit, in der ich stoned war, nichts zu tun hatte mit dem Internet und der Außenwelt.
 
Aber was ihn und mich verbindet ist… Ich sag mal so… Ein rebellischer Lifestyle. Ich war genauso, als ich jünger war und ich habe heute noch immer einen Hang dazu. So kam es zu einem sehr bewussten Gespräch zwischen mir, Prevail und Rob. Ich sagte, dass wenn wir zurück kommen und das durchziehen, will ich in der Lage sein, über alles in meinem Leben zu sprechen. Ich fühlte mich nicht wohl damit, nur über die Vergangenheit zu sprechen. Ich wollte über alles in meinem Leben reden dürfen und sie waren einverstanden und meinten es mache durchaus Sinn.
 
Anstatt uns in eine Box sperren zu lassen und nur über gewisse Themen zu sprechen – das ist schließlich das, was von den Swollen Members erwartet wurde – beschlossen wir, die Mauern niederzureißen und zu sagen: Hey, wir sind in der Lage über alle Phasen unseres Lebens zu sprechen. Hip Hop, die positiven Dinge und auch die dunkleren Seiten des Lebens. Das ist einfach real. 
 
rap.de: Wie sind die Rollen in der Band verteilt? Gibt es einen Anführer? 
 
Mad Child: Nein, nein, wir sind beide Anführer. 100%ig. Prevail und ich arbeiten immer Seite an Seite – schon immer. Seit dem Beginn unserer neuen Mission und auch bei der weiteren Reise. Ich könnte auf keinen Fall ohne ihn. In der Vergangenheit habe ich mich mehr um das Business gekümmert. Über Prevail muss man wissen: Er ist der absolute Bühnenmensch. Seine Energie ist der Wahnsinn. Ich versuche eher meine Energie zu sammeln und an seiner Seite zu bleiben.
 
Mittlerweile hat er geschäftsmäßig aber aufgeholt. Er hat sich mit dem Business auseinandergesetzt und ich habe jetzt einen richtigen Geschäfts- und Rappartner. 
 
rap.de: Das klingt, als wäre alles sehr ausgeglichen. Wonach entscheidet ihr, mit wem ihr ein Feature machen wollt und gibt es jemanden, mit dem ihr unbedingt ein Feature wollt und es bisher nicht Zustande kam?  
 
Mad Child: Nein, wir haben bisher eigentlich jeden, mit dem wir zusammenarbeiten wollten, auch bekommen, stimmt’s? 
 
Prevail: Ich würde immer noch gern mit Black Thought von The Roots arbeiten. 
 
Mad Child: Black Thought wäre super. Stimmt. Es gibt tatsächlich noch einige Leute, mit denen wir gern Musik machen würden, aber noch nicht getan haben. Wir hatten ein paarTouren mit den Black Eyed Peas und ich denke, es wäre cool gewesen mit denen was zu machen. Ich wollte außerdem schon immer was mit Saigon machen. Er würde sehr gut zu dem passen, was wir jetzt machen.
 
Und natürlich und ich denke, da spreche ich für uns beide: Ein Feature mit Snoop Dogg wäre der Hammer.
 
Aber klar, da gibt es noch eine Menge anderer. Ich würde gern was mit Jedi Mind Tricks machen. Wir haben aber auch schon mit sehr spannenden Rappern zusammen gearbeitet, wie zum Beispiel Tech N9ne, La Coka Nostra, Talib Kweli.
 
Das ist Musik, die ich mir damals angehört habe, wenn ich durch die Gegend fuhr. Es fühlt sich gut an, Teil dieser Bewegung zu sein.  
 
rap.de: Wenn ihr etwas in eurer Vergangenheit verändern könntet, was würdet Ihr anders machen und warum? 
 
Mad Child: Ich würde nein zu den Drogen sagen. Wenn ich nochmal zurückgehen könnte und mich jemand fragen würde, ob ich diese Pille mal ausprobieren möchte, würde ich ablehnen. Weißt Du, was ich meine? 
 
rap.de: Klar, aber ich denke immer, das sind Erfahrungen, die Dich zu dem Menschen machen, der Du heute bist. 
 
 
Mad Child: Ja, aber ich denke immer noch, ich hätte diese Dinge einfach auch langsamer und mit klarem Kopf lernen können. Ich glaube nicht, dass dieses vierjährige Loch für mich, die Gruppe und meine Familie notwendig war. Logisch, was einen nicht umbringt, härtet einen ab und bildet den Charakter. Ich bereue es nicht, aber ich wünschte, es wäre eine kürzere Zeit meines Lebens gewesen. Vier Jahre sind eine wirklich lange Zeit und ich erinnere mich kaum an irgendwas.
 
Man ist wie ein wandelnder Zombie und bringt irgendwie auch das Leben aller anderen zum Stillstand. Das Leben der Menschen, die ich (außer mir selbst), sehr liebe und die mir wirklich eine Menge bedeuten.
 
Also wenn ich etwas ändern könnte, dann würde ich es vorziehen, Lebenserfahrungen mit einem klaren Kopf zu sammeln, anstatt vier Jahre einfach wegzuwerfen und das Leben von den Leuten, die ich mag, so stark zu beeinflussen. 
 
Prevail: Ich würde mir wünschen, dass ich mich früher eingemischt hätte. Bevor die Drogen zu stark wurden. 
 
Mad Child: Du hast es versucht. Es eine Sache, die sich eingeschlichen hat und keiner konnte wissen, dass es so langwierig und dunkel werden würde.
 
rap.de: Das Thema scheint euch, noch immer sehr zu verletzen und ihr macht den Eindruck, dass Ihr immer noch daran zu knabbern habt. 
 
Mad Child: Ja, es tut weh, aber wir sind auch schon ein gute Stück darüber hinweg. Aber ich muss immer noch aufpassen, was ich mache.
 
Ich erzähle Prevail nicht jedes Mal, wenn mir jemand Drogen anbietet, aber ich werde noch mehr getestet, seit es bekannt ist. Leute kommen zu mir, ziehen mich zur Seite und fragen, ob ich etwas Kokain will oder andere Drogen und ich sage Nein, aber in meinem Hinterkopf denke ich manchmal: Ach, scheiß drauf! Hab Spaß… Du könntest dich rausschleichen. Aber ich kann nicht! 
 
rap.de: Der Teufel sitzt einem im Nacken. 
 
Mad Child: Ja, genau. Das ist der Teufel. Ich neige zu Süchten. Ich tue nichts nur ein einziges Mal. Es gibt kein "Nur ein einziges Mal" für mich. 
 
rap.de: Das ist wohl wie bei trockenen Alkoholikern, die nicht mal eine mit Alkohol gefüllte Praline essen dürfen, weil das sofort zum Rückfall führen könnte. Ich stelle mir das sehr schwer vor.  
 
Mad Child: Oh ja, man muss sich immer wieder bewusst machen, was da passiert ist und dass es sehr wohl Auswirkungen auf mein Verhältnis zu Prevail und meine Familie hatte.
 
Und ob man möchte oder nicht: Menschen sind nachtragend. Heute wie damals mach ich mein Ding oder besser gesagt, wir machen unser Ding und ich bemühe mich jeden Tag und jeden Tag spüre ich, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Trotzdem herrscht ein gewisser Unmut oder eine Unzufriedenheit in mir, mit der nicht jeder zu 100% umgehen kann.
 
Deshalb gibt es ja auch Einrichtungen für solche Fälle wie mich. Ich war nie in einer dieser Gruppen. Ich habe es aus eigener Kraft geschafft, aber diese Therapeuten wissen, wie man sich fühlt, wenn man von einer Droge runterkommt und können ganz genau sagen, wie man in gewissen Situationen handeln muss.
 
Wir hatten niemanden bei uns, der sich auskannte. Wir haben diese ganzen verschiedenen Stufen durchgestanden ohne irgendwelche Recherchen oder Hilfe von Außen. Es war eine harte Erfahrung für jeden von uns. 
 
rap.de: War es Eure Freundschaft, eure Liebe füreinander, die dich da rausgeholt hat? 
 
Mad Child: Das ist Liebe. 100%ig. Ich bin Gott sehr dankbar. (guckt zu Prevail) So sieht es aus. (lächelt zum ersten Mal) 
 
 
rap.de: Wie fühlt Ihr Euch damit, dass Moka Only die Band das zweite Mal verlassen hat, um eine Solokarriere zu starten? Wenn er zurück kommen wollte, würdet ihr Euch freuen oder lieber darauf verzichten? 
 
Mad Child: Als er beschloss, seine Solokarriere zu starten, waren wir cool damit. Swollen Members bestanden von Anfang an aus Prevail und mir. Später kam noch Rob The Viking dazu. Wir waren Swollen Members und blieben es die ganze Zeit. Als Moka Only ein Teil der Gruppe wurde, wussten wir ganz genau: Er ist ein Solokünstler. Also beschlossen wir, für eine Weile zusammen zu arbeiten, aber er war immer auch Moka Only.
 
Würden wir ihn zurückhaben wollen? Wir sind sehr glücklich mit unserem Neuzugang Tre Nyce, der ja wie gesagt kein offizielles Mitglied ist. Er ist genau der Richtige für die Gesangsparts. Wir sind sehr gesegnet mit ihm und froh, dass Prevail ihn unserer Familie vorgestellt hat.
 
Würde ich zukünftig wieder etwas musikalisches mit Moka Only starten? Klar. Wieso nicht? Da ist nichts Negatives zwischen ihm und uns. 
 
rap.de: Dann bedanke ich mich bei euch für das nette Interview. Es war mir ein Vergnügen. 
 
Mad Child: Uns auch. High Five!