JAW

Wer in einem kleinen Dorf nahe Freiburg im Breisgau aufwächst, erlebt vielleicht nicht viel, was sich später zu Adrenalin geschwängerten Straßengeschichten schmieden und über apokalyptische Synthie-Beats rappen lässt. Dafür hat er jede Menge Zeit. Zeit, in sich hineinzulauschen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen und das Ganze irgendwann unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu Musik zu machen. Ähnlich mag es bei JAW verlaufen sein, der erste musikalische Kontakte zur Außenwelt über das Internet respektive die Battle-Plattform RBA knüpfte. Dass seine eigentliche Stärke aber eher im reflektierten Darlegen der eigenen seelischen Abgründe beheimatet ist, kristallisierte sich relativ schnell heraus.
Dass Dokta Jotta jedoch nicht nur sich selbst, sondern auf verschroben destruktive Art und Weise auch den Rest der Gesellschaft therapieren kann, zeigte zuletzt "Menschenfeind", ein Gemeinschafts-Projekt mit dem Vorzeige-Misanthropen Hollywood Hank. Wir trafen den Musiker und Studenten an einem verschneiten Frühlingstag im gutbürgerlichen Berliner Bezirk Friedenau und sprachen über seinen nicht immer ganz zuverlässigen Kollabo-Partner, warum sich der Weisse Scheisse-Labelboss mit seinem am 21. Mai erscheinenden Album "Täter-Opfer-Ausgleich" an der Welt rächen will und wieso man sich Zukünftig auf "Volksmusik"-Mixtapes mit Florian Silbereisen freuen darf.
rap.de: Wir sitzen hier zusammen, weil Du demnächst dein neues Album raus bringst. "Täter-Opfer-Ausgleich“ – ein sehr kryptischer Titel wie ich finde. Was genau ist damit gemeint?
 
JAW: Der Titel bezieht sich darauf, dass das Album quasi ein Gerechtigkeitsschlag ist, wo man einerseits stumpfe, brutale Racheakte findet, andererseits aber auch die Aktion, der Welt ans Bein zu pissen. Durch überspitzte Aktionen. Es ist relativ witzig, aber auch anstößig und kontrovers und eigentlich möchte ich damit den Nenner wieder auf Null bringen.
 
rap.de: Racheakte an wem?
 
JAW: Racheakte an der Welt, der Menschheit im Generellen und speziellen Personen, die in meiner Vergangenheit dafür gesorgt haben, dass ich durch gewisse Leidensprozesse musste, die ich sonst niemals hätte durchleben müssen.
 
rap.de: Was hat die Welt im Allgemeinen Dir getan, wenn du ein Album machst, um dich an ihr zu rächen?
 
JAW: Die Welt hat mir nicht gezielt was getan, aber Menschen sind von ihrer gedanklichen Konstellation und von ihrem prinzipiellen Verständnis her so naiv und so blöd, dass sie anderen auf die Füße treten, ohne es zu merken. Dinge, die sie nicht verstehen, stempeln sie dann als lachhaft oder unnormal und ekelhaft ab und wollen damit nichts zu tun haben. Dieses Verhalten führt natürlich wiederum zu einer inneren Isolation und dem Gefühl, minderwertig und aus diesem instinktiven Gruppendenken ausgeschlossen zu sein. Das wiederum bedeutet Schmerz, den andere verursacht haben, und mit dem man selbst leben muss.
 
 
rap.de: Warst Du so ein typischer unverstandener Jugendlicher?
 
JAW: Teilweise ja, teilweise nein. Sagen wir mal so: Ich bin immer wieder angeeckt, weil ich auf jeden Fall immer schon sehr anders war. Das ging schon im Kindergarten los. Man hat immer wieder dieses zwischenmenschliche Reiben, weil der eigene Scheiß einfach mit dem anderen kollidiert. Das ist eine Konfrontation, die sich wahrscheinlich gar nicht vermeiden lässt und man gerade bei Kindern überhaupt keine Ahnung hat, was man damit anrichten kann. Dass Dinge, die komisch sind, eben nicht unbedingt gewollt komisch sind, sondern aufgrund von persönlicher Struktur oder so was. Weißt du, was ich meine?
 
rap.de: Ja. Aber Kinder sind ja untereinander allgemein grausam.
 
JAW: Ja, absolut.
 
rap.de: Jetzt ist die Jugend ja insgesamt eine Zeit, in der jeder von sich behauptet, dass niemand ihn versteht. Bei Dir war es aber mehr. Du hast oder hattest wirklich psychische Probleme.
 
JAW: Genau. Das Ding ist, dass ich das nicht nur als Kind erlebt habe. Diese psychischen Probleme ziehen sich als roter Faden durch mein Leben, genau wie die Konfrontation mit meinem Umfeld. Früher habe ich da selber drunter gelitten, weil ich dachte, es wäre mein Verschulden. Aber irgendwann hab ich verstanden, dass es eigentlich das Verschulden zwischenmenschlicher Umgangsformen ist. Diesen Zustand möchte ich nicht hinnehmen, dass ich in Mitleidenschaft gezogen werde von Dingen, die andere verbockt haben. Deswegen möchte ich diesen Ausgleich. Quasi die unabdingbar gekoppelte Reaktion auf das, was passiert ist. Man muss austreten, wenn so was passiert. Ich tue es hauptsächlich in der Musik und da können die Leute relativ froh drüber sein, glaube ich. 
 

 
rap.de: Bist Du ein gewalttätiger Mensch?
 
JAW: Das kommt darauf an, in welche Situation man mich bringt. Ich bin an sich sehr verständnisvoll und darauf aus, mir auch andere Eindrücke zu holen und offen zu sein, aber es gibt Dinge, da kann ich verdammt wütend werden und da schließe ich eine gewisse Gewalttätigkeit nicht aus.
 
rap.de: Ist Freiburg eine Stadt, auf deren Straßen man sich beweisen muss?
 
JAW: (lacht) Nee! Freiburg ist ein kleines, bürgerliches, sonniges Städtchen mit einem trotzdem stattlichen Arbeitslosen- und gesellschaftlichen Unterschichten-Teil. Aber nicht so, als ob es mich jetzt jemals groß getroffen hätte. Es ist eine teuere Stadt mit vielen Hippies, Studenten und Fahrradfahrern.
 
 
rap.de: Jetzt kann man als Außenstehender natürlich sagen, dass Du es dir einfach machst, wenn Du sagst, alle anderen sind schuld.
 
JAW: Eigentlich macht man es sich anders rum einfach. Dass man sein Verhalten überhaupt nicht hinterfragt. Die Leute, die das gemacht haben, würden zu mir sagen, ich solle mich nicht so anstellen. Es ist quasi nicht mein mangelndes empathisches Verständnis, sondern das der Umgebung. Und um dem was entgegen zu setzen und sie auch mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, schaffe ich den Täter-Opfer-Ausgleich. Das ist das Konzept.
 
rap.de: Aber wenn alle anderen daran schuld sind, schließt man ja für sich selbst die Möglichkeit aus, dass man an sich selbst arbeiten und vielleicht auch noch wachsen muss.
 
JAW: Ja, aber ich mache alles erdenkliche in meiner Freizeit, um ein psychisch und physisch gesundes Leben zu führen. Ich gehe regelmäßig zum Sport, ich mache Achtsamkeits-Meditation… Ich mache einfach viel reinigenden Scheiß, um mich auf ein Level zu bringen, an dem ich wieder lebensfähig bin. Ich bin jetzt schon lebensfähig, aber da steckt viel Eigenarbeit dahinter. Das ist aber nur eine Seite der Medaille und die andere Seite wären der TOA und die Fehler der anderen. Man muss nicht mich als Beispiel nehmen, aber wenn man sich im Alltag mal umguckt, wie Menschen miteinander umgehen, ist es auch kein Wunder, wenn andere gewalttätig reagieren. Das ist für mich ein logischer Folgeschluss. Das ist kein Wunder, wenn Menschen sich ignoriert fühlen.
 
rap.de: Ist das damals, als Du mit der Musik angefangen hast, auch aus so einem selbstreinigenden Gedanken heraus erstanden?
 
JAW: Ich glaube ja. Hm, wie ging das damals los… Ich habe viel alleine gearbeitet und das ist auch, wie mein Rap entstanden ist. Damals alleine im Kinderzimmer Beats angehört und Beats gebaut, sich Texte und Ideen überlegt und das war relativ Kopfkino-mäßig.

 

rap.de: Du hast erst Beats gemacht und dann angefangen zu rappen?
 
JAW: Nee, ich habe erst Texte geschrieben und die aufgenommen und dann – na ja, "Beats gemacht“. Ich habe im eJay so Bausteine zusammen gesetzt. Das war der Anfang. Inspiriert war ich damals eigentlich einzig und allein durch Savas.
 
rap.de: Du kommst ja nicht direkt aus Freiburg, sondern aus einem Dorf da in der Nähe. Im Interview mit dem Splashmag hast Du gesagt, dass es dort sonst keinen Rapper gab. Hast Du damals ausschließlich durch’s Internet Feedback gekriegt?
 
JAW: Ja, jaaaaa doch. Das Internet war der einzige Draht nach außen. Ich komme aus einem 900 Seelen-Kaff und da hat sich kein Mensch für Rapmusik interessiert, ganz im Gegenteil. Das war dort lächerlich, es hatte aber auch keiner Ahnung davon. Über das Netz und die HipHop-Portale hatte ich die Möglichkeit, relativ schnell und relativ viel Feedback zu kriegen und auch zu sehen, was die Leute bemängeln und sich darüber Gedanken zu machen. Das ist eine relativ schnelle Form der Selbstreflektion und ist, auch wenn sie natürlich über ein digitales Medium passiert, durchaus sinnvoll.
 

 
rap.de: Wann kam der Punkt, an dem Du gesagt hast "Ich bin JAW, ich rappe und ich möchte auch auftreten“?
 
JAW: Damals war das noch gar nicht so JAW, sondern eher PCP. Ich habe relativ bald Rhynerr und Maexer kennen gelernt und wir haben bei denen im Keller viel zerberstende, zerstörerische Musik gemacht. Dann hat man halt mal im Umfeld die ersten Auftritte gegeben und dann kam dieses Rapz Records Signing, was eigentlich kein Signing war. Da hatte man aber trotzdem noch so ein bisschen andere Möglichkeiten. Die haben ihre Veranstaltungen im Osten gemacht und CDs gepresst, mehr kam da aber nicht mit rum. Sonst sind da eigentlich nur traurige bis anmaßende Sachen passiert. Aber da ist man eben das erste Mal in den Osten gefahren und hat da richtige Auftritte gemacht. Inzwischen treten wir eigentlich mal hier mal da auf. So gut wie überall. Wir machen aber auch keine selbstinitiierten Bookings. Alles was mir machen, machen wir, weil jemand deswegen auf uns zugekommen ist. Wir haben gar nicht die Zeit dazu. Ich mache sowieso alles alleine, studiere parallel dazu und kann nicht nebenher noch Veranstalter anschreiben.
 
 
rap.de: Habt Ihr euch mal überlegt, ein paar Sachen an Leute abzugeben, die das richtig beruflich machen? Über Weisse Scheisse wurde in letzter Zeit ja schon recht viel releast.
 
JAW: Ja, haben wir zum Teil auch schon. Wir haben den Vertrieb und den Versand von den Textilproduktionen abgegeben, das macht jetzt eine Firma aus Freiburg. Das ist schon eine riesige Entlastung, weil davor die ganzen Scheiß Kartons in meinem Zimmer rumstanden und ich mit denen leben musste. Klar, wir sind darauf aus, so ein paar Eckpfeiler-Spezialisten für verschiedene Anwendungsbereiche zu haben.
 
rap.de: Treibst Du das so richtig voran, damit Du irgendwann auch mal daran verdienst, oder bleibt es doch mehr ein Hobby?
 
JAW: Da kann ich jetzt nur für die JAW-Musik sprechen, aber die hat schon ein gewisses Bedürfnis nach Aufmerksamkeit und auch eine Verknüpfung dazu. Weil sie nicht nur die Absicht hat, Menschen vor den Kopf zu stoßen, sondern ihnen auch Sachen vor Augen zu halten, die sie sonst nicht sehen oder nicht sehen wollen. Von daher ergibt die Musik keinen Sinn, wenn ich sie in meinen vier Wänden mache. Sie hat vielleicht keinen sozialen, aber einen weitflächigen Aspekt. Defekt noch nicht, den bekommt sie auch nicht. Dementsprechend versuchen wir das voran zu treiben. Wir haben letztes Jahr schon relativ viel gemacht und dafür, dass niemand PCP kannte, gut abgeschnitten. Auch in so Voting-Sachen. Man merkt, dass das inzwischen für ganz viele Leute ein Begriff ist und da wird weiter dran geackert. Für mich geht das, neben meinem Studium habe ich relativ viel Zeit. Keine Ahnung, wann für mich der Tag kommt, an dem mir alles zuviel wird, aber momentan sitze ich da ziemlich viel dran. 
 
 
rap.de: Kann man daran, wie sehr man im Internet diskutiert wird, eigentlich ablesen, wie viele Leute zu den Konzerten kommen und wie viel man im Endeffekt verkauft?
 
JAW: Nee, würde ich nicht sagen. Internet ist auch insofern ein bisschen trügerisch, weil wenn aus Deutschland so und so viele Leute in einem Forum sind, ist das natürlich ein relativ geringer Anteil. Außerdem würde ich sagen, dass der Durchschnittsmensch nicht unbedingt ein Forenbeteiligter ist, der täglich etwas postet. Ich denke, viele bekommen es einfach mit. Vielleicht gibt das schon ein grobes Bild und du kannst das ja mit erfolgreichen Künstlern vergleichen und sehen, in welchem Verhältnis du stehst. Allerdings musst du an verschiedenen Ecken gucken und kannst nicht anhand von MySpace-Zahlen sagen, wer bekannt ist und wer nicht.

Ich habe zum Beispiel nur für "Gehirn Im Mixer“ so Gästebuchbeiträge verfasst, sonst habe ich nie von mir aus irgendwie großartig Leute geaddet und das ist von sich aus auf 500 000 Klicks hochgegangen. Das ist was anderes, als wenn irgendjemand mit einem Programm versucht, die Millionen-Grenze zu knacken. Man sieht in HipHop-Foren im Generellen auch, was wie viel Aufmerksamkeit bekommt und ob das jetzt nur in dem Forum ist, oder auch in anderen. Bei uns hat sich die Aufmerksamkeit, die im Internet hochgeschnellt ist, auch auf unsere Besucherzahlen ausgewirkt. Seit "Menschenfeind“ hat sich da schon viel getan.  

 

rap.de: Menschenfeind hast Du zusammen mit Hollywood Hank gemacht, der ja auch aus dieser RBA-Riege kommt, viel mit Selfmade in Verbindung gebracht wurde und mittlerweile bei I Luv Money gesignt ist. In einem Interview hast Du jetzt aber gesagt, dass du nicht glaubst, dass er da jemals was veröffentlichen wird…
 
JAW: Ja, ich kenne ihn halt so ganz gut und ich weiß, dass er ein ziemlich wechselhafter Typ ist . Ich weiß auch, dass er manchmal Dinge sagt und sich dann wieder was anderes in den Kopf gesetzt hat. Ich denke mal I Luv Money macht das schon richtig, dass die ihm halt einfach Spielraum geben. Er kann ein Album über die veröffentlichen, wenn er möchte. Wenn nicht, ist auch okay. Man kann bei ihm nie mit Sicherheit sagen, wann und ob überhaupt was kommt. Ganz ehrlich, das hat man ja unter anderem schon daran gemerkt, dass er bei Touren nicht erschienen ist. Ich weiß das auch aus persönlicher Erfahrung und er ist auf jeden Fall ein schwieriger Kopf, aber deswegen ist halt auch die Musik so geil. Als durchschnittlich denkender Mensch kann man so ein Album vermutlich nicht einfach rausschütteln. Das ist nicht möglich.
 

 
rap.de: Man hört von vielen Künstlern, dass sie von dem Bedürfnis getrieben sind, immer was zu veröffentlichen und ihre Musik an den Mann zu bringen. Damit sie gehört wird. Bei ihm scheint das so komplett nicht vorhanden zu sein. Man hört mal was und dann wieder lange gar nichts.
 
JAW: Also erstens glaube ich, dass er den Hype um sich ziemlich unterschätzt. Zweitens ist es wohl auch so. Er ist schon so einer der Wenigen, denen es wirklich irgendwie scheißegal ist. Aber ganz scheißegal kann es ihm auch nicht sein, sonst hätte er nicht ein Album mit Favorite und mir gemacht. Irgendwie so Vorlieben hat er wohl schon. Nur ist es jetzt nicht so, als ob er es als ein realistisches Ziel sieht, damit Geld zu verdienen. Keine Ahnung. Ehrlich gesagt kann man das schwer einschätzen.
 
rap.de: Ist es anstrengend mit jemanden ein Album zu machen, der so desinteressiert an allem ist?
 
JAW: Er war ja nicht desinteressiert, als wir das gemacht haben. Er ist vielleicht nicht super perfektionistisch, was früher mit Sicherheit mal anders war, aber wir haben da uns an Beats gesetzt, wir haben Beats ausgesucht, uns Texte überlegt, aufgenommen und fertig. Also es war nicht so, dass er gesagt hat: "Kein Bock!“ – ganz im Gegenteil. Er war der, der dann morgens schon um zehn mit einem Bierkasten in der Hand in meinem Zimmer stand und meinte, wir müssen jetzt Musik machen. Der kann schon, wenn er will.
 
rap.de: Ihr habt vor kurzem diese "Menschenfeind“ EP gemacht…
 
JAW: Das ist keine EP, das ist ein bisschen so ein Gerücht, was ich glaube ich selber in die Welt gesetzt hab. Es ist halt so ein undefinierbares Werk. "Menschenfeind“ einfach. Das kann man jetzt auch nicht so als "Streettape“ klassifizieren.
 
rap.de: Wo ist denn da der Unterschied eigentlich zwischen Mixtape, Streetalbum, richtigem Album und so weiter? Ich versteh das immer gar nicht.
 
JAW: Das weiß ich auch nicht so genau. Wenn der Künstler keinen Bock hat, sich Zeit zu nehmen und da irgendwas hinrotzt, dann ist es glaube ich ein Streettape. Mixtape ist, wenn er Amibeats nimmt. Album ist, wenn alles schön konzipiert ist und da ein gewisser konstruktiver Gedanke drin steckt. Und EP ist normalerweise, wenn’s kleiner ist. Aber in meinem Falle war es so… Ich meine, es ist so lang wie "Schläge Für HipHop“ von der Spielzeit. Wieso sollte dann "Schläge Für HipHop“ … Was ist das jetzt? Ein Mixtape oder was? Und "Menschenfeind“ ist ne EP? Das versteh ich nicht. Aber egal. Deswegen finde ich diese Klassifizierung schwachsinnig. Es hat 35 Minuten und entweder man hört es sich an oder nicht. 
 
Bei uns war ja so am Anfang der Gedanke, ob wir das nicht for free veröffentlichen. Aber das war uns dann doch zu blöd, weil ganz ehrlich: Bei den jetzigen deutschen Releases, ohne mich zu weit aus dem Fenster lehnen zu wollen, wäre das schon ein bisschen Perlen vor die Säue werfen. Was auch immer jetzt irgendwelche Redaktionen über das Ding geschrieben haben. rappers.in oder so. Ich find das Ding verdammt gut, frisch und neuwertig. Es ist auf jede Fall was Neues und verknüpft gut, sagen wir mal, interessante, wortwitzige Aussagen mit einer gewissen Direktheit und mit einer gewissen authentischen Raukheit, die da mit Sicherheit drin steckt. Diese Fusion haben viele nicht erkannt und das war eigentlich auch so ein bisschen das Ziel. 
 
Viele haben außerdem irgendwie ein stärkeres Konzept erwartet. Warum? Wenn ich Menschenfeind bin und Misanthropie gewonnen habe, dann bin ich vermutlich auch auf eine Art und Weise verwirrt und von aAllem isoliert innerlich, sodass ich ein Konzept-Album da vollkommen unangebracht fände. Das muss gerade dieser wilde Mischmasch und dieses unbeschnittene an Aussagen sein, was die Leuten in der Aufeinanderfolge vor den Kopf stößt. Das war kein kosmisches Denker Album und so, sondern Provokation mit dem gewissen soliden gehirntauglichen Grundgerüst.

 

 

rap.de: Fühlst Du Dich als Künstler missverstanden?
 
JAW: Man ist als Künstler immer missverstanden. Erst mal ist das, was du künstlerisch ablieferst, niemals das, was du künstlerisch abliefern wolltest. Das ist nicht möglich. Du bist nicht in der Lage, deine Gedanken zu materialisieren. Zweitens ist das, was du dann ablieferst, nicht unbedingt das, was andere darin sehen. Insofern ist jeder Künstler missverstanden. 
 
rap.de: Was war die Intention bei diesem $pitt Klikk-Tape?
 
JAW: Wenn ich so mit meinem Kollegen rumhänge, zeigen wir uns oft zum gegenseitigen Amusement deutsche Rapvideos. Das ist halt witzig, sich so was anzugucken und auch relativ leicht zu imitieren. Wir dachten uns dann, dass es gar nicht so schwer sein kann, so was selbst zu machen. Ich habe mir mit Maffya auch eine Zeit lang ein Zimmer geteilt und da ist es dann entstanden. Ich meine, das war das schnellste Ding, was wir je gemacht haben. Diese Texte sind in fünf Minuten geschrieben, in fünf Minuten aufgenommen und in fünf Minuten abgemischt.
 
rap.de: Gib uns mal eine Bauanleitung für so einen Track.
 
JAW: Du musst auf jeden Fall deine Stimme leiern lassen, so als würdest du jeden Moment losweinen wollen und auf jeden Fall auch immer so ganz inbrünstige Laute von dir geben. Als wärst du wieder auf dem Weg zurück in die Natur. Das Ganze dann gepaart mit so selbstverliebten, selbstrühmlichen Aussagen wie man das halt so kennt: "Bitch du kannst mir gar nix!“. So was halt.

 

rap.de: Bei solchen Sachen habe ich als Hörer immer ein bisschen ein Problem. Natürlich ist es lustig und als Verarsche gemeint, aber es ist so authentisch, dass es ja trotzdem scheiße ist und dass man es eigentlich gar nicht hören möchte.
 
JAW: Das ist halt die Frage, ob man irgendwann den Grad erreicht hat, dass man sich über das Beschissene auch amüsieren kann. Es gibt ja teilweise immer noch solche Releases. Ich möchte jetzt keine Namen nennen, aber wenn ich so was höre, dann reg ich mich darüber eigentlich nicht auf, sondern es ist halt spaßig. Das ist bei uns echt so. Wir schicken uns die zu und halten uns immer auf dem neuesten Stand und wenn wieder was Neues rauskommt: perfekt. Da kann man einfach auch viel drüber reden und sich gut amüsieren, sich austauschen und versuchen, sich in solche Personen hineinzuversetzen. In dem Zusammenhang sind ja auch die Aussagen so widersprüchlich zu dem, was da eigentlich dargestellt werden soll. Dass man auf der Motorhaube einen Pfau backen möchte und so, das ist ja völlig überzogen, dass es eigentlich schon unweigerlich witzig ist, oder?

Ich meine, viele finden auch Savas nicht witzig, sondern dope. Ich aber schon. Witzig, weil ich halt denke, da ist so ein lustiges kleines Tierchen, was so in seinem Käfig rum springt. So wie er sich in der Musik wiedergibt. Persönlich ist er sicher nett und so, aber wenn ich das halt höre, läuft da so ein Comicfilm bei mir ab. Das ist mit Sicherheit auch eine Inspiration für dieses $pitt Klikk-Ding gewesen. Fresha Pfau ist ein kleiner Savas Fan und fühlt sich da mit Sicherheit positiv inspiriert. Der diggt den Scheiß, den Savas da abzieht.

 
 
rap.de: Du hast auf Deinem Album auch einen Track, der "Meine Fans“ heißt.  Gibt es eine "Weisse Scheisse“-Bewegung? 
 
JAW: Ja, die gibt es. Das ist keine geschlossene, sondern das ist eher so eine Armee von vermutlich vielen, kleinen, verlorenen, aber auch aggressiven und Identitäts-suchenden Kids. Also schon Leute, die mit Schattenseiten des Lebens konfrontiert wurden. Zu diesem Track wird übrigens auch ein Video gedreht. Das wird dann so zwei, drei Wochen vor Release veröffentlicht.
 
rap.de: Glaubst Du, die sind Dir vielleicht so ein bisschen ähnlich? 
 
JAW: Das kann ich schwer sagen. Ich hab ehrlich gesagt sehr selten das Gefühl, dass mir Menschen ähnlich sind. Warum weiß ich auch nicht. Aber vermutlich erkennen die viele Punkte wieder, die ihnen bekannt vorkommen und freuen sich, dass jemand mit diesen eigentlich harten, blanken Tatsachen ironisch umgehen kann und sozusagen aus der Scheiße so eine kleine lustige Actionfigur bastelt. Die nach Scheiße stinkt! (lacht)
 
rap.de: Wird auf der von Dir in einem Interview angekündigten EP mit einem bisher unbekannten Feature Gast auch so eine Figur gebaut? 
 
JAW: Es gibt inzwischen sogar zwei unbekannte EPs mit zwei unbekannten Featuregästen, die ich aber natürlich nicht länger unbekannt halten muss. Eine mit Absztrakkt und eine mit Adolf Ghandi. Letztere wird "Volksmusik“ heißen.
 
 
rap.de: Beim Namen "Volksmusik“ hat man natürlich auch gleich Bilder im Kopf …
 
JAW: Die werden wahrscheinlich auch erfüllt die Bilder.
 
rap.de: Koksen und dann Lederwaren tragen?
 
JAW: Nee, aber Florian Silbereisen wird auf jeden Fall auch eine kleine Rolle darin spielen. Wir haben natürlich keinen persönlichen Kontakt, deswegen müssen wir uns mit Material beglücken, aber der wird da auch einige Male vertreten sein. Als Moderator zum Beispiel. Dass er das einfach ein bisschen ankündigt. 
 
rap.de: Wir sind gespannt. Vielen Dank für das Gespräch.